KI in luxemburgischen Banken – Die Branche wagt erste Schritte

Ähnlich wie das Internet in den 1990er Jahren oder andere technologische Durchbrüche seit dem
19. Jahrhundert – Künstliche Intelligenz (KI) ist im Begriff, sämtliche Aspekte unseres Lebens grundlegend zu verändern und macht auch vor dem Finanzsektor keinen Halt.

Etliche dieser Veränderungen gehen mit durchaus positiven Auswirkungen einher. KI verfügt über erhebliches Potenzial, die Arbeitsweise von Banken positiv zu verändern – angefangen bei der Bearbeitung komplexer Kunden- und Kreditanträge bis hin zur Unterstützung der menschlichen Entscheidungsfindung sowie der Bekämpfung von Geldwäsche und anderen Finanzdelikten. Doch bevor dieses vielversprechende Terrain erschlossen werden kann, gilt es noch einige Hindernisse zu bewältigen.

Dieser Artikel beleuchtet einige der wichtigsten Herausforderungen und Trends im Zusammenhang mit der Implementierung von KI in luxemburgischen Banken, ohne dabei die globale Perspektive aus dem Blick zu verlieren.

KI gehört (noch) nicht zum Mainstream

Im Mai 2023 veröffentlichten die Zentralbank (BCL) und die luxemburgische Finanzaufsichtsbehörde (CSSF) einen thematischen Überblick über den Einsatz von KI im luxemburgischen Finanzsektor, basierend auf der Befragung von 148 Instituten (davon 125 Banken). Ein erstes markantes Ergebnis: Lediglich 30 % der Befragten setzen derzeit KI-Technologien ein. Im Vergleich zu den US-amerikanischen Banken bewegen sich die Banken in Luxemburg damit auf einem deutlich niedrigeren Entwicklungsniveau (im Jahr 2021 entfielen auf die nordamerikanische Banken 60 % aller KI-bezogenen Bankinvestitionen und 99 % aller KI-bezogenen Bankpatente).

Insbesondere im globalen und nationalen Kontext zeichnet sich eine zunehmende Kluft zwischen größeren und kleineren Akteuren ab. Je strategischer und substanzieller eine Bank in KI investiert, desto effizienter und kostengünstiger wird sie langfristig operieren können, während kleinere Banken Gefahr laufen, den Anschluss zu verlieren und den Konsolidierungstrend weiter zu beschleunigen. In den kommenden Jahren werden nur diejenigen Banken erfolgreich sein, die sich KI ganzheitlich zu eigen machen und sie als Instrument zur grundlegenden Veränderung ihrer Geschäftsprozesse etablieren.

Was treibt die Implementierung von KI voran?

Die beiden in der Umfrage am häufigsten angeführten Gründe für den Einsatz von KI und maschinellem Lernen (ML) betreffen (1) die Verbesserung der internen Effizienz sowie (2) die Minderung von Risiken. Beide Argumente greifen ineinander: KI ermöglicht es Banken, Kreditanträge effizienter zu prüfen sowie Kreditrisiken präziser zu modellieren, wodurch Risiken reduziert werden. Da Risiken minimiert und Betrugsfälle schneller identifiziert werden können, profitiert das Compliance-Management und erhöht die interne Effizienz. Ungeachtet der anfänglichen Investitionskosten und der Notwendigkeit eines paradigmatischen Umdenkens besteht daher für Banken ein echter Anreiz, in KI und ML zu investieren.

Ein zusätzlicher Faktor liegt in der Optimierung der angebotenen Dienstleistungen. Mittels KI gelingt es, umfangreiche Datenmengen zu erfassen, die einen wertvollen Einblick in Kundentrends gewähren und potenzielle Versäumnisse aufzeigen. Ferner erlaubt KI die Vorhersage von Kundenbedürfnissen und die Bereitstellung maßgeschneiderter Lösungen, lange bevor die Kunden sich dessen selbst bewusst sind sowie die Verbesserung von Marketingstrategien. Diese Aspekte spiegeln sich auch in den Antworten der Banken im Rahmen der Umfrage wider, da sich die Kundenbindung einer Bank im Gleichschritt mit den von ihr angebotenen Dienstleistungen entwickelt und daher personalisierter, relevanter und nahtloser erfolgt. Dennoch investiert derzeit nur eine Minderheit der luxemburgischen Banken in innovative KI-Lösungen, um ihre Serviceleistungen zu erweitern.

Die Menschen im Loop halten

Behutsamkeit und Besonnenheit erweisen sich nicht unbedingt als Nachteil, da die Implementierung von KI einem kontinuierlichen Prozess und keinem singulären Ereignis entspricht. Banken stehen bei der Implementierung von KI vor zentralen Herausforderungen in Bezug auf Datenschutz, Compliance und technologischer Verzerrung. Trotz aller Euphorie rund um das Thema generative KI birgt diese auch die Gefahr, unbeabsichtigte Fehlinformationen zu erzeugen.

Von etablierten Finanzinstituten kann somit ein vorsichtiger, entwicklungsorientierter Zugang zu KI erwartet werden. Dies erklärt wiederum den geringen Anteil von KI/ML-Anwendungsfällen unter den Befragten der vorliegenden Studie, in denen KI/ML-Modelle als „autonome“ Systeme agieren (d.h. ohne, dass ein menschliches Eingreifen zur Entscheidungsfindung erforderlich ist).

Darüber hinaus gaben die Befragten an, dass bei sämtlichen Robo-Advisors sowie dem algorithmischen Finanzhandel ein menschlicher Akteur eingebunden ist. Der weltweite Trend weist eher in Richtung eines kooperativen Modells, bei dem KI und menschliche Entscheidungsträger anstatt eines „Entweder-oder“-Szenarios gemeinsam zusammenarbeiten. Obwohl KI beispielsweise zur schnelleren Erkennung von Mustern und Trends in Kreditanträgen sowie zur zügigen Prüfung und Kategorisierung von Krediten dienen kann, so darf sie zentrale Entscheidungen nicht autonom treffen.

Anstelle einer Verdrängung von Arbeitsplätzen durch KI dürfte die wahrscheinlichste künftige Entwicklung – sowohl weltweit als auch in Luxemburg – vielmehr darin bestehen, dass KI-Technologien eine Entlastung der Menschen von repetitiven Tätigkeiten darstellen und ihnen die Möglichkeit verschaffen, sich ausschließlich auf übergeordnete Prozesse und strategische Entscheidungen zu konzentrieren. Menschliches Augenmaß bleibt insbesondere bei AML/CTF-Entscheidungen von zentraler Bedeutung. Während einige Aufgaben – darunter Datenspeicherung, Dokumentenverarbeitung oder Kundeninteraktion – in den kommenden Jahren durch KI abgedeckt werden könnten, bleibt das tatsächliche Ausmaß der Veränderung abzuwarten, da die persönliche menschliche Interaktion nach wie vor eine positive Wahrnehmung der Bank durch den Kunden fördert.

KI-Herausforderungen für Banken

Laut des BCL-CSSF-Berichts zählen die Datenqualität, die Verfügbarkeit von Kenntnissen im Bereich KI/ML sowie die Fähigkeit, die Effizienz der Modelle im Laufe der Zeit zu überwachen, zu den größten Herausforderungen für Banken bei der Implementierung von KI. Die technischen Herausforderungen entsprechen somit jenen andernorts: Unvollständige, fehlerhafte oder heterogene Daten erschweren es einer Bank, die von ihr benötigten Informationen über ihre Kunden zu ermitteln. Die Bereinigung solcher Daten gilt unter Data Scientists in der Regel als die zeitaufwändigste Aufgabe.

Diese Herausforderungen erweisen sich jedoch keineswegs als unlösbar. Es ist ermutigend, dass 86 % der Befragten, die KI einsetzen, über ein eigenes Team für KI-Projekte verfügen und 30 % ihren KI/ML-Entwicklern spezielle Schulungsmaßnahmen anbieten. Die überwiegende Mehrheit der Banken verfügt jedoch über keinerlei KI-spezifische Governance-Mechanismen (z. B. eine KI-Ethikrichtlinie oder einen Ethikausschuss). Lediglich 59 % der mit KI arbeitenden Banken setzen Techniken zur Vermeidung und/oder Erkennung von Verzerrungen ein.

Ein weiteres, beunruhigendes Ergebnis besteht darin, dass lediglich 27 % der Befragten ihr zugrundeliegendes KI/ML-Modell unabhängig gegen Sicherheitsangriffe testeten und etwa die Hälfte der KI-Anwender spezifische Sicherheitsmaßnahmen zur Vermeidung von Sicherheitsproblemen wie Angriffen von Dritten, Datenverunreinigung und Modelldiebstahl ergriffen. Obwohl sich diese Angaben vermutlich seit dem Erhebungszeitpunkt weiterentwickelt haben dürften, besteht kein Zweifel in Bezug auf die nach wie vor unvollendete Entwicklungsstufe von KI am Finanzplatz Luxemburg. Darüber hinaus bestehen Zweifel, inwieweit die Banken auf die bevorstehenden EU-Verordnungen zum Thema KI hinreichend vorbereitet sind und welche Auswirkungen der Mangel an Standardisierung (73 % der KI-Lösungen der Banken wurden intern entwickelt) innerhalb des neuen Rechtsrahmens zeitigen wird.

Sollte es den luxemburgischen Banken gelingt, ihre Mitarbeiter weiterzubilden, die benötigten qualifizierten Data Scientists anzuwerben und gleichzeitig den Schutz ihrer KI/ML-Modelle vor Cyber-Bedrohungen zu gewährleisten, sollten sie durchaus imstande sein, ihre KI-Fähigkeiten und somit ihre Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft weiter auszubauen.

 

 

25. Oktober 2023

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