Hat der grüne Wandel keine Priorität für Luxemburgs CEOs?

Der Klimawandel erfasst weltweit sämtliche Sektoren und Branchen und eine wachsende Zahl von CEOs erkennt ihre zentrale Rolle bei der Eindämmung (und Umkehrung) des Klimawandels, um nicht nur ihre Unternehmen vor klimabedingten Risiken zu schützen, sondern auch eine nachhaltigere Welt zu schaffen. Auch der Finanzsektor ist davon keineswegs ausgenommen und seine Stakeholder dürfen sich dieser Entwicklung nicht tatenlos entziehen.

Mit dem wegweisenden Pariser Abkommen aus dem Jahr 2015 erhielt der Finanzsektor eine zentrale Rolle bei der Umsetzung des dringend benötigten grünen Wandels und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius.

Die Ergebnisse des kürzlich von PwC veröffentlichten CEO Survey Report 2023 für Luxemburg – eines der führenden Finanzzentren Europas und der Welt – dürften in diesem Punkt jedoch ernüchternd sein. De facto sorgen sich die CEOs im Großherzogtum aktuell weit mehr um Inflation, makroökonomische Volatilität und Cyber-Risiken als um die drohenden Folgen des Klimawandels. In Anbetracht der seit Anfang 2022 anhaltenden, wirtschaftlichen Turbulenzen erscheint dies jedoch durchaus plausibel.

Nichtsdestoweniger bietet sich luxemburgischen CEOs dank zukunftsweisender Initiativen im Bereich der nachhaltigen Finanzwirtschaft eine exzellente Chance, den grünen Wandel zu begrüßen, ökologische, soziale und Governance-Prinzipien (ESG) sinnvoll zu implementieren und eine nachhaltigere Wirtschaft sowohl im Großherzogtum als auch in ganz Europa zu initiieren. Dies wäre nicht nur unter moralischen Aspekten geboten, sondern würde luxemburgische Unternehmen zudem vor möglichen Schockwellen in diesen turbulenten Zeiten schützen.

Luxemburg – innovative Hochburg des nachhaltigen Finanzwesens

Seit Mitte der 2000er Jahre positioniert sich Luxemburg als führendes Zentrum für Sustainable Finance und lancierte zahlreiche strategische Initiativen. Die 2006 gemeinsam vom öffentlichen und privaten Sektor geschaffene, internationale Non-Profit-Organisation Luxembourg Finance Labelling Agency (LuxFLAG), übernahm mit der Prüfung und Kennzeichnung nachhaltiger Finanzprodukte durch die Vergabe anerkannter Nachhaltigkeitslabels eine Pionierstellung bei der Schaffung von Transparenz für Investoren.

Im Juli 2007 emittierte die Europäische Investitionsbank (EIB) den ersten Climate Awareness Bond an der Luxemburger Börse (LuxSE). Der Erlös dieser Anleihen fließt in Projekte, die einen Beitrag zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in den Bereichen Klimaschutz, Entwicklung erneuerbarer Energien, Energieeffizienz, kohlenstoffarmer Verkehr sowie innovative kohlenstoffarme Technologien leisten. Darüber hinaus startete die LuxSE im September 2016 die Luxembourg Green Exchange (LGX), die erste globale Plattform für „grüne Anleihen“. Im Folgejahr erfolgte die Gründung der Luxembourg-EIB Climate Finance Platform (LCFP), ein gemeinsames Finanzierungsinstrument der luxemburgischen Regierung und der EIB, um Investitionen in die Klimafinanzierung anzuregen. Die übergreifenden Ziele des LCFP umfassen die Finanzierung von umfangreichen Klimaschutzprojekten und die Mobilisierung zusätzlicher privater Mittel zugunsten klimabezogener Projekte. Im Anschluss an diese Entwicklungen veröffentlichte die Regierung im Oktober 2018 die Sustainable Finance Roadmap und gründete etwa ein Jahr später die gemeinnützige, öffentlich-private Koordinierungsstelle Luxembourg Sustainable Finance Initiative, die sich der Umsetzung dieser Roadmap widmet.

Diese Maßnahmen trugen entscheidend zur Schaffung eines Rahmenwerks für die nachhaltige Entwicklung des Großherzogtums und dessen Ausrichtung in der Zukunft bei. Auf dem jüngsten Forum für nachhaltige Finanzen im März 2023 lobte John Kerry, Sondergesandter des US-Präsidenten für Klimafragen, den „Beitrag Luxemburgs zur Lösung der Klimakrise durch [die Luxembourg Green Exchange]“, während Finanzministerin Yuriko Backes das Engagement der Regierung bekräftigte, den „Übergang des Finanzsektors zu mehr Nachhaltigkeit“ zu unterstützen.

CEOs in Luxemburg fallen im weltweiten Vergleich zurück

Zahlreiche luxemburgische Unternehmen verpflichteten sich bereits dazu, schnellstmöglich auf Netto-Null-Emissionen umzusteigen und auch die Regierung unterstützt diese Bemühungen mit einer Fülle von Maßnahmen, etwa Subventionen für die Erzeugung erneuerbarer Energien. Ungeachtet dieser Bemühungen scheint der Klimawandel jedoch auf der Prioritätenliste der CEOs bisweilen eine untergeordnete Rolle zu spielen.

Gemäß der PwC-Umfrage von 2021 stufen 33 % der luxemburgischen CEOs und damit mehr als die 30 % der CEOs weltweit den Klimawandel und die Zerstörung der Umwelt als größte Gefahr im Hinblick auf die Wachstumsaussichten ihres Unternehmens ein. Im Jahr 2023 rechnen jedoch nur 11 % der Befragten in den nächsten 12 Monaten mit einer starken oder sehr starken Bedrohung aufgrund der Folgen des Klimawandels und lediglich ein Fünftel erwartet eine solche Bedrohung innerhalb der nächsten fünf Jahre. Nur 19 % der luxemburgischen CEOs beabsichtigen, im kommenden Jahr in alternative Energiequellen zu investieren (im Vergleich zu 34 % der CEOs weltweit) und die Dekarbonisierung ihres Geschäftsmodells steht für 29 % der CEOs auf der Agenda (verglichen mit 31 % der globalen CEOs).

Der Klimawandel und die damit einhergehenden Gefahren scheinen von den luxemburgischen CEOs in erster Linie als Kostenfaktor und weniger als existenzielle Bedrohung ihrer Geschäftsmodelle begriffen zu werden. Diese Ergebnisse muten angesichts der ehrgeizigen Ziele des Pariser Abkommens, mit dem ein grüner Wandel in der Weltwirtschaft eingeleitet werden soll, eher entmutigend an.

Noch ist nicht alle Hoffnung verloren!

Unternehmen rund um den Globus erfahren zunehmenden Druck von Investoren, Regulierungsbehörden, Verbrauchern und der eigenen Belegschaft, dem Thema Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen. Im letztgenannten Aspekt zeigt die Umfrage, dass der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften eine der größten Herausforderungen für die luxemburgischen CEOs darstellt. 58 % der CEOs im luxemburgischen Finanzsektor befürchten, dass sich dieser Mangel in den folgenden zehn Jahren negativ auf ihre Rentabilität auswirkt, verglichen mit einem Anteil von 74 % unter den CEOs anderer Sektoren. Diese alarmierenden Zahlen lassen für die langfristige, sozioökonomische Entwicklung und die wirtschaftlichen Perspektiven des Großherzogtums nur wenig Gutes erahnen.

Laut einer im Juni 2016 von PwC durchgeführten Studie verbleiben Millennials 5,3-mal häufiger bei einem Arbeitgeber, wenn sie sich mit den Unternehmenszielen verbunden fühlen. Eine jüngere PwC-Umfrage ergab zudem, dass 53 % der Arbeitnehmer die Transparenz von Arbeitgebern in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel als wichtig einstufen.

Auf Grundlage dieser Daten können jene CEOs, die Nachhaltigkeit am Arbeitsplatz wirksam integrieren, ESG-Prinzipien umsetzen und gleichzeitig den CO2-Fußabdruck ihres Unternehmens sowie dessen Bemühungen zur Dekarbonisierung offenlegen, enorm profitieren. Diese Unternehmen genießen nicht nur das Vertrauen einer Vielzahl von Stakeholdern, sondern finden auch Anklang bei jungen Fachkräften, die bevorzugt in Unternehmen mit ähnlichen Werten wie den eigenen einsteigen.

Abgesehen von Luxemburgs Pionierrolle als Knotenpunkt des nachhaltigen Finanzwesens eröffnet dessen starke Tradition des Stakeholder-Kapitalismus CEOs die Möglichkeit, gemeinsam mit allen relevanten Stakeholdern an einer sinnvollen Integration von Nachhaltigkeits- und ESG-Themen zu arbeiten. Ausdruck findet dies etwa durch den dreiparteilichen Koordinierungsausschuss, der seit Jahrzehnten einen kontinuierlichen “Trialog” zwischen Regierung, Arbeitgebern und Gewerkschaften ermöglicht. Aus der jüngsten Umfrage geht bereits hervor, dass 72 % der CEOs in Luxemburg zum Zwecke der nachhaltigen Entwicklung und 49 % im Hinblick auf die Adressierung des Klimawandels mit Nicht-Wirtschaftsunternehmen (Regierungen, NGOs, akademischen Einrichtungen) zusammenarbeiten.

Dank dieser spezifisch gearteten, kollaborativen Grundhaltung könnten die luxemburgischen CEOs einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung dieser wachsenden Herausforderungen leisten. Als eines der weltweit führenden Finanzzentren bietet Luxemburg die Chance, eine erfolgreiche grüne Transformation unter Einbeziehung aller Stakeholder anzustoßen und damit einen wesentlichen Beitrag zum Übergang des Landes zu einer nachhaltigen Wirtschaft sowie anhaltendem Wachstum und Wohlstand zu leisten, etwa durch steuerpolitische Instrumente, die nachhaltiges Wirtschaften honorieren. Durch Ansätze wie diesen kann das Land ungeachtet seiner geringen geografischen und demografischen Größe sowohl als leuchtendes Erfolgsbeispiel für andere Länder in Europa und der Welt gelten, als auch grenzüberschreitend dank seines vor allem im Fonds-Sektor dominanten Finanzsektors zu Investitionen in nachhaltige Wirtschaftszweige beitragen.

 

17. Mai 2023

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