Die Zukunft der ETFs: Trends und Chancen für Wachstum und Innovation

Das Jahr 2022 stand für die Weltwirtschaft im Zeichen gravierender Schocks, die sich weitgehend als Folge der verheerenden russischen Invasion in der Ukraine manifestierten. Langjährig etablierte Lieferketten wurden unterbrochen, Inflation und Energiepreise schnellten in die Höhe und zwangen die Zentralbanken zu Zinserhöhungen. Zahlreiche Branchen und Industrien verzeichneten massive Entlassungswellen, die Aktienmärkte in den USA und Europa stürzten ab.

Auch die globale Asset- und Wealth-Management-Branche blieb von diesen turbulenten Entwicklungen nicht ausgenommen und das weltweit verwaltete Assets under Management (AuM) verzeichnete deutliche Kapitalabflüsse in Höhe von 1,4 Billionen USD. Zu den wenigen Ausnahmen dieser Entwicklung zählen ETFs. Wie in einem vorangegangenen Artikel auf FONDSTRENDS.LU bereits dargelegt wurde, verzeichnete der europäische ETF-Sektor im Zeitraum von 2013 bis Mitte 2022 einen beträchtlichen Anstieg des verwalteten Vermögens und auch im Nahen Osten, in Südamerika und im asiatisch-pazifischen Raum zeichnete sich eine zunehmende Marktdurchdringung börsennotierter Indexfonds ab.

Der im März 2023 veröffentlichte Report „ETFs 2027: A world of new possibilities“ basiert auf einer weltweiten Befragung unter mehr als 70 ETF-Managern und -Sponsoren, Service Providern, Marktakteuren sowie Asset Managern ohne aktuelles ETF-Angebot. Der vorliegende Artikel resümiert die zentralen Resultate der Studie und beleuchtet den wachsenden Bedeutungsgewinn von ETFs in der globalen AWM-Branche.

ETFs: Wachstum und Potenzial inmitten von Gegenwind

Die ETF-Branche verzeichnete mit einem globalen ETF-AuM von 9,2 Billionen USD im Dezember 2022 und Nettozuflüssen in Höhe von 779,4 Milliarden USD ein kräftiges Marktwachstum. Obwohl einige Beobachter eine Abflachung des Wachstumskurs mit zunehmender Reife des Sektors vorhersagen, erwarten sieben von zehn Befragten einen Anstieg des globalen ETF-AuM auf 15 Billionen USD bis Juni 2027. 29 % rechnen sogar mit einem Zuwachs auf 18 Billionen USD oder mehr.

Diese Erwartungen sind keineswegs unbegründet. Der Markt für börsengehandelte Fonds birgt bislang ungenutztes Potenzial, da er gegenwärtig in Nordamerika, Europa und im asiatisch-pazifischen Raum lediglich einen Bruchteil des Aktien- und Anleihevolumens abdeckt. Insbesondere in dem von institutionellen Anlegern dominierten europäischen ETF-Markt wird eine deutliche Steigerung der Nachfrage nach ETFs von Retail-Investoren erwartet, die über ein bisher unerschlossenes Kapitalreservoir verfügen.

Führende, technisch versierte ETF-Verwalter mit einer starken Markenpräsenz könnten ihre Dominanz gegenüber kleineren Wettbewerbern ausbauen. Letztere wiederum sind auf Innovation und Produktdiversifizierung als Mittel zur Marktdifferenzierung und damit auf eine verstärkte Ausrichtung auf Markenbekanntheit, Online-Plattformen und Anlegerschulung angewiesen. Die Nachfrage nach aktiv gemanagten und ESG-fokussierten ETFs dürfte darüber hinaus beträchtliche Investitionen anziehen und kleineren Managern die Aussicht auf eine erfolgreiche Positionierung in einem wettbewerbsintensiven Markt eröffnen.

Abbildung 1: Wachstumsprognosen der Umfrageteilnehmer für das globale ETF-AuM bis Juni 2027

 

Quelle: PwC 2022 Global ETF Survey

Aktive ETFs: Die Zukunft des Fondsmanagements?

Der Aufstieg aktiver ETFs zählt mittlerweile nicht mehr zu den Prognosen der ETF-Branche, sondern ist zur Realität gereift. Während aktive Investmentfonds Abflüsse in Höhe von 1,5 Billionen USD erlitten, verbuchten aktiv verwaltete ETFs Nettozuflüsse in Höhe von 102 Milliarden USD. Die Ergebnisse der Umfrage bekräftigen diesen Trend und weisen auf eine baldige Marktführerschaft aktiver ETFs hin. Diese Verschiebung veranlasst traditionelle Fondsmanager, mittels der Umwandlung ihrer Investmentfonds in ETFs in diesen Zukunftsmarkt vorzudringen – ein Trend, der zu Beginn des Jahres 2021 an Dynamik gewann, auch wenn dies angesichts sinkender Gebühren erhebliche Herausforderungen hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Margen mit sich bringt.

Trotz ihrer wachsenden Beliebtheit steht die weitere Entwicklung aktiv verwalteter ETFs zahlreichen Herausforderungen entgegen. Aufsichtsrechtliche Anforderungen, wie die Forderung einiger Aufsichtsbehörden nach einer vollständigen Offenlegung des Portfolios auf täglicher Basis, führen zu operationellen Schwierigkeiten und Bedenken hinsichtlich der Bereitstellung von Echtzeitinformationen für den Markt. Die USA und Australien lockerten bereits ihre Anforderungen an die tägliche Offenlegung, darunter auch die Einführung semitransparenter aktiver ETFs.

Auch die Internationale Organisation of Securities Commissions (IOSCO), das standardsetzende Organ der Branche, bemüht sich um eine Lösung dieses Problems, indem sie Vorschläge zur Standardisierung der Offenlegungsanforderungen und zum Ausgleich zwischen den Markterwartungen und den geistigen Eigentumsrechten der aktiven Manager unterbreitet. Die Anlegerpräferenzen bilden einen weiteren relevanten Faktor. Laut den Ergebnissen der Umfrage rechnen lediglich 25 % der Befragten in den USA mit einer signifikanten Nachfrage nach semitransparenten, aktiven, börsengehandelten Fonds in den nächsten zwei bis drei Jahren, während 44 % eine nennenswerte Nachfrage nach vollständig transparenten, aktiven, börsengehandelten Fonds antizipieren.

Herausforderungen und Chancen für ETFs

Trotz steigendem ETF-AuM existieren nach wie vor verschiedene Herausforderungen, die die Entwicklung des Sektors bremsen, etwa mangelndes Anlegerwissen im Zusammenhang mit ETFs sowie die Zunahme der regulatorischen Anforderungen. Angesichts der zunehmenden Komplexität von ETF-Produkten stehen Asset Manager vor der Herausforderung, die Qualität und den Umfang der bereitgestellten Daten zu gewährleisten, um die steigenden Erwartungen von Anlegern, Aufsichts- und Steuerbehörden zu bewältigen. Zur Erhaltung des Vertrauens der Stakeholder bedarf es darüber hinaus intensiver Bemühungen, Investoren stärker für den ETF-Sektor zu sensibilisieren und ein tiefergehendes Verständnis zu schaffen.

Im Zuge der fortschreitenden Kommerzialisierung der ETF-Kernmärkte stehen Asset Manager vor der Aufgabe, neue Produkte zu entwickeln und ihre Geschäftsprozesse zu verändern. Aus der Umfrage geht hervor, dass sich die Asset Manager dieser Notwendigkeit zunehmend annehmen. So investiert ein Großteil der Befragten in Automatisierung (76 %), Weiterbildung (72 %) sowie den Einsatz fortschrittlicher Technologien wie Cloud Computing, künstliche Intelligenz und Ähnliches (69 %).

Als Schlüsselfaktor des Erfolgs nannten die Befragten die Entwicklung von Vertriebskanälen, insbesondere zur Gewinnung von Retail-Kunden. Die jüngste Ankündigung von 14 europäischen Börsen, im Rahmen der von der Europäischen Kommission initiierten Kapitalmarktunion ein konsolidiertes System für Aktien und börsengehandelte Fonds zu schaffen, könnte zu mehr Transparenz und einem Anstieg der ETF-Aktivitäten auf dem Kontinent führen. Durch die Abschaffung der Vertriebsprovisionen für Fonds könnte das Wachstum kostengünstiger Produkte wie ETFs zusätzlich stimuliert werden. Darüber hinaus etablieren Unternehmen digitale Vertriebsplattformen, um ihre Reichweite bei unabhängigen Anlegern und in den relativ unerschlossenen Emerging Markets zu erhöhen.

ETFs gehören mittlerweile zu den Hauptakteuren in der globalen Asset- und Wealth-Management-Branche und auch für die kommenden Jahre zeichnen sich erhebliche Wachstumspotenziale ab. Ungeachtet regulatorischer Herausforderungen in einer stark wettbewerbsorientierten Branche, zeigt sich der ETF-Markt bereit für weitere Innovationen sowie Diversifizierung, insbesondere bei aktiv gemanagten ETFs und ESG-ETFs. Ein solches Wachstum hängt jedoch in hohem Maße von verschiedenen Faktoren wie der Entwicklung effizienter Vertriebskanäle und der Aufklärung sowie Sensibilisierung der Anleger in Bezug auf ETFs ab.

 

 

14. Juni 2023

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