ETFs – Entwicklung in schwierigen Zeiten?

Seit ihrer Einführung in den 1990er Jahren gehören börsengehandelte Fonds (ETFs) zu den beliebtesten Anlageinstrumenten bei institutionellen und privaten Anlegern. Das Hauptaugenmerk liegt hier auf deren Charakteristik als relativ erschwingliches Mittel zur Diversifizierung des eigenen Portfolios. Im April 2000 fanden die börsengehandelten Fonds durch die Deutsche Börse ihren Weg nach Europa.

Der weltweiten Finanzkrise 2008 und der darauf folgenden, schweren Rezession in Europa zum Trotz, verlangsamte sich die Kommerzialisierung von ETFs kaum. Im Jahr 2013 gab es in der Europäischen Union (EU) 1.336 ETFs mit Assets under Management (AuM) von 274,7 Mrd. EUR. Im Jahr 2021, ein Jahr nachdem eine einmalige Pandemie systemische sozioökonomische Verwerfungen und unsägliches Leid verursacht hatte, stieg die Zahl der ETFs auf 1.758 mit 1.286,1 Mrd. EUR in AuM.

 

Abb.1: ETFs in der EU domiziliert (PwC Market Research Centre auf der Grundlage von Refinitiv - Daten - Juni 2022)

Aktien sind nach wie vor die wichtigste Anlageklasse innerhalb der ETFs. Im Juni 2022 akkumulierten diese auf rund 817,5 Mrd. EUR – etwa 68,3 % der gesamten AuM der in Europa domizilierten ETFs.

Abb.2: Aufschlüsselung der AuM der in Europa domizilierten ETFs nach Anlageklassen (PwC Market Research Centre auf der Grundlage von Refinitiv-Daten - Ende Juni 2022)

In der Zeitspanne von 2013 bis zum Halbjahr 2022 verzeichneten in der EU domizilierte ETFs eine durchschnittliche kumulierte jährliche Wachstumsrate (CAGR) von 18,7 %. Dies entspricht mehr als dem Doppelten des CAGR von 9 % der innerhalb der EU domizilierten UCITS-Investmentfonds. Obwohl die Gesamtzahl der aktiven in der EU domizilierten ETFs im Juni 2022 auf 1.806 anstieg, war in diesem Monat ein deutlicher Rückgang der AuM zu verzeichnen. Mit einem Rückgang auf 1.194 Mrd. EUR verzeichnete die europäische ETF-Branche den ersten negativen Monat seit März 2020. Die Grundlage liefern die geopolitischen Ereignisse in Europa, welche verständlicherweise sozioökonomischen Einfluss, wie beispielsweise steigende Inflation und Zinserhöhungen, hatten.

Vor diesem Hintergrund gibt es in der ETF-Branche global erste Anzeichen für einen Wandel, welcher tiefgreifende Entwicklungen in naher Zukunft ankündigen könnte.

Neueste Entwicklungen in der europäischen ETF-Branche

Innerhalb Europas ist die Deutsche Börse nach wie vor führend in Bezug auf ETFs mit dem Domizil EU. Gefolgt von der London Stock Exchange, der SIX Swiss Exchange AG, Euronext und der Borsa Italiana, hält die Börse mit Sitz in Frankfurt den führenden Anteil an ETFS. Zusammengenommen entfallen auf diese fünf Börsen 97 % der in Europa gehandelten ETFs.

Stand Juni 2022 ist der umsatzstärkste ETF der iShares von BlackRock, welcher im Bezugszeitraum Nettozuflüsse von 0,8 Mrd. EUR verzeichnen konnte. Zusammen mit den 35 unterschiedlichen geografischen Vertriebsbereichen behauptet BlackRock damit seinen ersten Platz bei den grenzüberschreitenden ETF-Verwaltungsgruppen.[1]

Den zweiten Platz teilen sich Fidelity Investments und Amundi mit 23 Vertriebsländern (Stand Juni 2022). Nach einer Fusion mit Lyxor ist Amundi von Position 16 mit 15 Vertriebsländern im Vorjahr auf den zweiten Platz aufgestiegen. Jedoch ist Vanguard Group der umsatzstärkste ETF-Promoter in Europa im Juni 2022. Gemeinsam mit Invesco-PowerShares mit 22 Vertriebsländern belegt der Asset Manager den vierten Platz.[2]

Cross-Listing und grenzüberschreitende Registrierungen sind ein wesentliches Merkmal der europäischen ETF-Branche: Im Juni 2022 waren rund 62 % der europäischen ETFs an zwei oder mehr Börsen notiert. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Anstieg der grenzüberschreitenden Registrierungen um 12,6 % auf 22.118 zu diesem Zeitpunkt.

Abb.3: Anzahl der grenzüberschreitenden Registrierungen europäischer ETFs (PwC Market Research Centre auf der Grundlage von Refinitiv-Daten - Ende Juni 2022)

Nichtsdestotrotz weist die europäische ETF-Branche einen hohen Konzentrationsgrad auf. Mit 559,2 Mrd. EUR AuM nahm iShares von BlackRock rund 45,1 Prozent der gesamten AuM in Europa ein. Damit lag der Asset Manager weit vor dem zweitplatzierten Amundi, welcher 171 Mrd. EUR an AuM ausgewiesen hat.[3]

Weltweiter Aufstieg der ETFs?

Während die AuM von ETFs in Europa eine leichte Verlangsamung erfahren, gibt es Anzeichen dafür, dass ETFs in anderen Teilen der Welt allmählich, aber sicher wachsen.

In Bahrain im Nahen Osten wurden die ersten fünf börsengehandelten Fonds registriert – ein potenzieller Vorbote für das künftige Wachstum des Finanzsektors. Seit der Erschöpfung der Kohlenwasserstoff-Ressourcen in den 1980er Jahren, hat sich das Königreich als regionales Finanzzentrum positioniert. Die wichtigste Entwicklung in der ETF-Branche des Nahen Ostens fand jedoch beim Nachbarn Saudi-Arabien statt. Parallel zu den Mitte der 2010er Jahre eingeleiteten Bemühungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Diversifizierung, hat sich der Finanzsektor im Königreich stark ausgeprägt. Ein Beispiel dieser Entwicklung sind die 70 neuen, allesamt von BlackRock registrierten ETFs.[4]

In Nord- und Südamerika war Peru mit 11 Neuregistrierungen – ebenfalls ausschließlich von BlackRock – der am schnellsten wachsende Markt für ETFs. Im asiatisch-pazifischen Raum repräsentiert Südkorea mit 7 Neuregistrierungen den aufstrebendsten ETF-Markt in der Region. Obwohl Singapur einen starken Rückgang der Registrierungen verzeichnete – insbesondere aufgrund des Rückzugs von HSBC – führt das Land mit 368 aktiven ETFs im Juni 2022 weiterhin die Liste der asiatisch-pazifischen Länder an.[5]

ETFs und nachhaltiges Investieren

Neben der steigenden Zahl von ETF-Registrierungen weltweit, ist eine weitere wichtige Entwicklung in der ETF-Branche die zunehmende Integration der Bereiche hinsichtlich der Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführung-Faktoren (ESG).

Von Juni 2021 bis Juni 2022 entsprachen binnen eines Jahres mehr als die Hälfte (214) der 421 neu an den fünf wichtigsten europäischen Börsen registrierten ETFs den ESG-Grundsätzen. Dafür wurden sie entweder als Artikel 8- oder Artikel 9-Finanzprodukte gemäß der EU-Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzprodukte (SFDR) eingestuft. Im Juni 2022, erfüllten 26 % der 1.806 in der EU domizilierten ETFs diesen Standard.

Nach einem Sommer voller extremer Wetterereignisse und ansteigenden Befürchtungen, dass der Klimawandel zu Katastrophen führen könnte, ist ein wachsender ESG-Trend in der europäischen ETF-Branche zu beobachten. Insbesondere angesichts der zunehmenden regulatorischen Dynamik in Richtung ESG auf EU- und nationaler Ebene ist dies ein willkommenes Zeichen

Ob sich ein solcher Trend über die Grenzen Europas hinaus ausbreiten wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass ETFs auch in Zukunft ein fester Bestandteil der Finanzindustrie sein werden – nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt.

26. Oktober 2022

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[1] Refinitiv, “European ETF Market Report: June 2022”

[2] Ebd.

[3] Ibid.

[4] PwC Market Research Centre, basierend auf Daten von Refinitiv – Ende Juni 2022

[5] Ebd.

 

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