Prägt ESG die Zukunft der Asset- und Wealth-Management-Branche?

Die Weltwirtschaft befindet sich in einem systemischen Wandel. Extreme Wetterereignisse erhöhen die Einflüsse von klimabedingten Risiken auf Anleger und Vermögensverwalter erheblich. In Europa steigen Inflation, Zinssätze und Energiekosten so stark an wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Der Internationale Währungsfonds warnt sogar vor einer drohenden globalen Rezession.

Inmitten dieser Flut von Problemlagen gibt es einen Hoffnungsschimmer in der globalen Asset- und Wealth-Management-Branche (AWM).

Im neuesten PwC-Bericht „Asset and Wealth Management Revolution 2022: Exponential Expectations for ESG“, der auf einer internationalen Umfrage unter Vermögensverwaltern und institutionellen Anlegern basiert, scheinen ESG-Investitionen stark im Kommen zu sein und eine Verlangsamung lässt sich nicht abzeichnen. Wie genau beeinflusst ESG die AWM-Branche?

Aktives ESG-Engagement von Vermögensverwaltern

Im Jahr 1992, als der Klimawandel und extreme Wetterereignisse noch weit weniger verbreitet waren als heute, verursachte ein verheerender Hurrikan in Florida den Ausfall von mindestens 16 Versicherungsgesellschaften, die nicht in der Lage waren, die Ansprüche ihrer Kunden zu decken. Heute bemühen sich institutionelle Anleger aktiv darum, durch den Klimawandel verursachte Risiken zu mindern. Hierbei ist ESG ein Instrument, mit dem dies erreicht werden kann. Dem PwC-Bericht zufolge bewerten
72 % der institutionellen Anleger die ESG-Anlagestrategien ihrer Vermögensverwalter bei jeder Investmententscheidung. Die Zahl der Wertpapiere, die als zweifelsfrei nachhaltig eingestuft werden können, ist jedoch begrenzt. In der EU gibt es nur eine limitierte Anzahl von Anlagen und Aktivitäten, die den Artikel 9-Status erreichen können. Mit Bezug auf SFDR — eine EU-Regulierung bzgl. der Offenlegung von Informationen nachhaltiger Finanzinstrumente — schließt diese Klassifizierung die Reduktion der Kohlenstoffemissionen und ein nachhaltiges Wachstum ausdrücklich mit ein. Dies erschwert es Vermögensverwaltern, sich mit ihren Fonds beim Versuch ESG-bewusste Anleger anzuziehen, gegenüber jenen der Konkurrenz hervorzuheben.

Nichtsdestotrotz sind neue ESG-Vorschriften auf der ganzen Welt auf dem Vormarsch. Unternehmen aus verschiedenen Sektoren übernehmen ESG-Prinzipien und setzen diese in ihren Unternehmensstrategien um. Gleichzeitig steigt der Wunsch der Anleger nach ESG-Produkten. Inmitten der veränderten AWM-Landschaft werden die Möglichkeiten zur ESG-Differenzierung zunehmen und Vermögensverwalter haben die Möglichkeit, aktiv einzugreifen und Portfoliounternehmen bei einer ESG-Umstellung zu unterstützen.

Ein Verstoß gegen die Treuepflicht?

Die wachsende Dynamik von ESG-Investitionen ist nicht ohne Hindernisse. Viele AWM-Stakeholder sind besorgt, dass eine Unvereinbarkeit zwischen ESG-Prioritäten und der treuhänderischen Pflicht der Vermögensverwalter entstehen könnte. Die Umfragedaten aus dem PwC-Bericht scheinen diese Bedenken jedoch zu verringern.

Bei den institutionellen Anlegern sind drei Viertel der Meinung, dass ESG nun Teil ihrer treuhänderischen Pflicht ist, während 72 % ihren Vermögensverwaltern nachhaltige Ziele im Portfolio gesetzt haben. Selbst bei den Renditen verzeichnen sechs von zehn institutionelle Anleger höhere Renditen für ihre ESG-Investitionen im direkten Vergleich zu ihren Nicht-ESG-Investitionen. Bei mehr als der Hälfte der Befragten hat die ESG-Integration weniger als drei Jahre gedauert, um höhere Erträge zu erwirtschaften. Im Bereich der Vermögensverwalter gaben neun von zehn Befragte an, einen Anstieg der Gesamtrendite durch die Integration von ESG in ihre Anlagestrategie zu erzielen.

Auch wenn noch nicht abschließend geklärt ist, ob ESG-Investitionen tatsächlich höhere Renditen retournieren, wird immer deutlicher, dass nachhaltige Investments mit den treuhänderischen Pflichten der Vermögensverwalter vereinbar sind.

ESG-Nachfrage übersteigt das Angebot

Die Nachfrage nach ESG-Produkten steigt schneller als das Angebot. Rund 88 % der befragten institutionellen Anleger sind der Meinung, dass Vermögensverwalter bei der Entwicklung neuer ESG-Produkte proaktiver vorgehen sollten. Dennoch planen nur 45 % der befragten Vermögensverwalter die Auflegung neuer ESG-Fonds, obgleich diese Zahl bei den Vermögensverwaltern in Europa und im asiatisch-pazifischen Raum bei 57 % bzw. 64 % liegt.

Allerdings scheinen sich die Vermögensverwalter eher darauf zu konzentrieren, bestehende Produkte umzurüsten, um kompatibel mit ESG-Richtlinien zu werden. So bereiten sich in Europa 75 % der befragten Vermögensverwalter darauf vor, einige ihrer Produkte nachzurüsten oder anzupassen. In Nordamerika sind es 79 % und in der Asien-Pazifik-Region 68 %.

Mit Bezug auf die Bereitschaft von knapp 78 % der befragten institutionellen Anleger, höhere Gebühren für ESG-Fonds zu bezahlen, ist bei dieser Anpassung Eile geboten. Allerdings geben nur 8 % der Befragten an, zusätzliche Gebühren von 5 % oder mehr für ESG-konforme Produkte zu akzeptieren. Dies zeigt, dass für die Rechtfertigung jeglicher ESG-spezifischen Kosten klare und glaubwürdige Wirkungsbemessungen und -metriken herangezogen werden müssen.

Proaktive Strategie zur Risikominderung – eine Notwendigkeit

Die absolute Mehrheit der Vermögensverwalter und institutionellen Anleger (86 % bzw. 71 %) sind der Meinung, dass Fehler in der Kennzeichnung innerhalb der AWM-Branche weit verbreitet sind. Dies bringt eine enorme Besorgnis über dieses Thema mit sich, was durch die jüngsten aufsehenerregenden Untersuchungen der Aufsichtsbehörden in Europa und den Vereinigten Staaten noch verstärkt wurde.

Allerdings sind diese falschen Labels selten beabsichtigt. Sie sind häufig auf unklare gesetzliche Klassifizierungen, unzureichende Datenkonsistenz und unzureichende Informationen seitens der Portfoliounternehmen zurückzuführen. Zusätzlich können auch Unstimmigkeiten innerhalb von Organisationen und die unzureichende Koordination zwischen verschiedenen Abteilungen zu Grunde gelegt werden.

Um die Risiken einer falschen Kennzeichnung von Finanzprodukten zu verringern und das Vertrauen in Vermögensverwalter zu stärken, fordern die Anleger klare, transparente und letztlich leicht umsetzbare ESG-Vorschriften.

Ein gerechter und ausgewogener Übergang ist von Nöten

Es ist nicht abzustreiten, dass der Wandel hin zu ESG die globale AWM-Branche und insbesondere die Weltwirtschaft langfristig verändern wird. Sowohl Investoren als auch Vermögensverwalter auf der ganzen Welt passen sich kontinuierlich an neue gesetzliche Vorschriften an, um diese Dynamik aufrechtzuerhalten.

Der Übergang zu ESG wird jedoch nicht einfach sein. Zusätzlich zu den bekannten Herausforderungen hinsichtlich Daten und den derzeitigen regulatorischen Unsicherheiten gibt es weitere Bedenken. Durchaus kann ein beschleunigter Übergang negative Auswirkungen auf die Energiesicherheit und die davon abhängigen Lieferketten und Arbeitsplätze haben. Dies ist nur einer der erheblichen sozialen Risikofaktoren mit direktem Bezug auf den Klimawandel.

Es ist von entscheidender Bedeutung dafür zu sorgen, dass die Sozial- und Umweltfaktoren ausgewogen sind, um Kosten und Nutzen bei der Transition gerecht zu verteilen. Diese Verantwortung liegt nicht allein bei der Landwirtschaft. Gemeinsam müssen politische Entscheidungsträger, Regulierungsbehörden, der Privatsektor und die Zivilgesellschaft an einem Strang ziehen, um Nachhaltigkeit in der Wirtschaft zu etablieren. Aber genau hier können sich die AWM-Stakeholder mit ESG-Prinzipien profilieren, indem sie den Weg in eine wohlhabende und grüne Zukunft anführen, welche sich deutlich von der düsteren Gegenwart abhebt.

 

11. Januar 2023

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