Der Finanzplatz Luxemburg: Verlässlichkeit in ungewissen Zeiten

Europa geht mit blauen Flecken aus dem Jahr 2022 hervor, nachdem es eine Reihe tiefgreifender, vielschichtiger Schocks erlitten hat. Neben dem Krieg in der Ukraine und seinem verheerenden, humanitären Leid, haben kriegs- und COVID-19-bedingte Schocks in der Lieferkette, insbesondere aufgrund der strengen COVID-19-Politik Chinas dazu beigetragen, dass die Inflation auf dem gesamten Kontinent in der Zwischenzeit zweistellige Werte erreichte.

Inmitten globaler, makroökonomischer Instabilität, geopolitischer Unberechenbarkeit und den zunehmend durch den Klimawandel induzierten Katastrophen, scheint die Weltwirtschaft in neue, unbekannte Gefilde vorzudringen. Die Akteure des Finanzsektors zeigen sich verständlicherweise besorgt, da ihre Fähigkeit, Renditen zu erwirtschaften, eng mit der Art und Weise der Handhabung der global auftretenden Krisenfaktoren verknüpft ist.

In diesem Zusammenhang bietet das sowohl sozio-demografisch sehr ausgewogene als auch wirtschaftlich sehr gut in den global agierenden Finanzmarkt integrierte Großherzogtum Luxemburg die nötige Stabilität für international agierende Teilnehmer des internationalen Finanzsektors, um optimal auf die aufbrausenden Störfaktoren eingestellt zu sein.

Luxemburg: Ein erstklassiges Ziel für Finanzen

Mit Triple-A-Ratings aller führenden Rating-Agenturen, einem stabilen, politischen System und einem hohen Maß an staatlicher Effizienz, bietet Luxemburg einen der attraktivsten Finanzplätze der Welt. Dies wurde kürzlich von PwC in Zusammenarbeit mit den wichtigsten Vermögensverwaltern im Großherzogtum in einer Studie bezüglich des wirtschaftlichen Umfelds demonstriert. Dabei stellen die Akteure fest, dass die Leichtigkeit, Effizienz und Erschwinglichkeit bei der Disposition von Finanzprodukten und -geschäften sowie die Fähigkeit, schnell auf Trends zu reagieren, das internationale Ansehen von Luxemburg als globales Finanzzentrum für den Fondsmarkt verstärkt.

Zudem bietet die geografische und diplomatische Nähe zu den EU-Institutionen ein starkes und stabiles regulatorisches Umfeld, das sich kontinuierlich an die EU-Vorschriften anpasst. Mehrsprachigkeit, regulatorisches Fachwissen und ein hohes Maß an technischer Innovation bilden die Regel im luxemburgischen Finanzsektor. Trotz alledem beruht die Attraktivität Luxemburgs nicht nur auf spezialisiertem Fachwissen. Eingebettet zwischen Frankreich, Deutschland und Belgien verkörpert Luxemburg dank eines reibungslosen, internationalen Vertriebs ein grenzüberschreitendes Drehkreuz für Investitionen. Ein umfangreiches Netzwerk von führenden, globalen Finanzakteuren – von Banken, Vermögensverwaltern, Fondsadministratoren und Verwaltungsgesellschaften (ManCos), bis hin zu Übersetzern und Anwaltskanzleien – hat sich im Großherzogtum niedergelassen. Letztlich führen diese Charakteristika zu positiven Spillover-Effekten, bei denen die Finanzakteure von der Präsenz ihrer Kollegen in anderen Bereichen profitieren. Das darauf basierende Netzwerk von Firmen und unabhängigen Fachleuten ist in der Lage, effizient und zuverlässig Dienstleistungen für IFM und AIFM zu erbringen, ganz und gar unabhängig von den Eigenschaften eines Finanzproduktes  (der Anlageklassen, der Länder, des Vertriebs oder des Produktschwerpunkts).

Darüber hinaus gilt Luxemburg als Pionier auf dem Gebiet von „Sustainable Finance“, einem Segment innerhalb der Branche, dessen Bedeutung aufgrund der zunehmenden Verpflichtung der Akteure zu verantwortungsbewussten Investitionen und zur Bekämpfung des Klimawandels stetig zunimmt. Die Luxembourg Finance Labeling Agency (LuxFLAG), eine im Jahr 2006 von Akteuren des öffentlichen und privaten Sektors gegründete, unabhängige Non-Profit-Organisation, spielt bei der Förderung verantwortungsvoller und nachhaltiger Investitionen eine Vorreiterrolle. Im direkten Zusammenhang zu nachhaltigen Investitionen steht die im Jahr 2016 gegründete Luxembourg Green Exchange (LGX). Diese Börse gilt als weltweit erste Handelsplattform, die sich ausschließlich der Nachhaltigkeit im Finanzsektor widmet. Bereits kurz nach ihrer Gründung entwickelte sie sich zu einem Hotspot für Investoren, Fonds und Vermögensverwalter, die sich den Grundsätzen von Umwelt, Sozialem und Governance (ESG) verschrieben haben. Noch in den Anfängen zählt die im Januar 2020 von der luxemburgischen Regierung gegründete Luxembourg Sustainable Finance Initiative (LSFI) als letztes erwähnenswertes Beispiel. Dabei handelt es sich um eine gemeinnützige Vereinigung, die das Agieren mit Nachhaltigkeitsgedanken auf den Finanzmärkten fördert und jeglichen Akteuren Orientierungshilfe zu diesem Thema bietet.

Wettbewerb und Herausforderungen aus dem In- und Ausland

Angesichts des raschen Anstiegs der Investitionsströme aus Asien sehen sich luxemburgische Unternehmen jedoch mit der Konkurrenz von Finanzakteuren aus Hongkong und Singapur konfrontiert. Dies wird durch den Mangel an lokalen Talenten mit entsprechendem, relevanten Know-How verstärkt und zeichnet sich mehr und mehr als eine besondere Herausforderung ab. Um Spitzentalente anzuziehen, müssen die verschiedenen, einzigartigen Merkmale des Großherzogtums – insbesondere die Kombination aus technischen und sprachlichen Fähigkeiten, welche die ideale Grundlage für den Aufbau von Back-Office-Expertise darstellen – zunehmend bei jungen Fachkräften besser umworben werden. Da der Finanzsektor mit einem Mangel an deutschsprachigen Fachkräften zu kämpfen hat, könnten etwa Social-Media-Kampagnen Studenten an deutschen Universitäten über die vielversprechenden Karrieremöglichkeiten in Luxemburg informieren.

Neben einem Fachkräftemangel stellt die Kommunikation zwischen Regierungsinstitutionen und Akteuren der freien Marktwirtschaft einen weiteren Stein im Weg dar. Zwar sind die regulatorischen Einrichtungen bereits seit langem für ihr Fachwissen und ihren praxisbezogenen Ansatz bekannt, jedoch wirkt sich eine verstärkte Kommunikation zwischen Politik und dem Finanzsektor positiv auf den Markt aus. So kann beispielsweise die Gründung eines Teilfonds oder die Änderung der Strategie eines Fonds derzeit mehr als 6 Monate andauern. Auch bezüglich ManCos gibt es Verbesserungsbedarf, beispielsweise kann momentan die Genehmigung eines Fonds durch die Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) viel Zeit in Anspruch nehmen. Eine Skalierung dieser Verfahren erhöht die Attraktivität Luxemburgs deutlich. Dies würde einen offenen und transparenten Dialog zwischen den Regulierungsbehörden und der Finanzbranche schaffen, um Missverständnisse zu vermeiden und Ineffizienzen zu beseitigen.

Eine weitere, zentrale Herausforderung stellen die hohen Lebenshaltungskosten dar. Obwohl der Inflationsdruck in den letzten Monaten nachgelassen hat, bleiben die Lebenshaltungskosten in Luxemburg sowohl insgesamt als auch insbesondere für Wohnraum weiterhin auf europäischem Spitzenniveau. Eine strategische Reflexion der steuerlichen Behandlung luxemburgischer Unternehmen und Arbeitskräfte definiert dahingehend einen Lösungsvorschlag. Die Anpassung der Körperschaftsteuersätze ist vom höchsten Wert, um der nachlassenden Wettbewerbsfähigkeit Luxemburgs im Vergleich zu anderen Ländern entgegenzuwirken. Dahingehend hat das Großherzogtum zum Zwecke der Talentakquise bereits eine Reform der Besteuerung von Arbeitskräften durchgeführt. Auch der populäre Indexierungsmechanismus, der seit langem die Kaufkraft der Haushalte schützt und zur sozialen Stabilität sowie einem positiven Geschäftsklima beiträgt, birgt möglicherweise Überarbeitungsbedarf.

Hiermit ließe sich eine anhaltende Spaltung der Gesellschaft hinsichtlich des Einkommens durch aktives, politisches Handeln vermeiden. An Stelle dessen oder als zusätzliche Handlungsmöglichkeit  stehen gezielte Unterstützungsmaßnahmen, wie z. B. Subventionen für junge Arbeitnehmer oder die zusätzliche Unterstützung bei der Kinderbetreuung, um eine  abschreckende Wirkung der hohen Lebenshaltungskosten auf die Anwerbung und zusätzlich eine langfristige Bindung von Arbeitskräften zu erzielen. Gefestigte politische Sicherheit in Bezug auf Homeoffice und Coworking-Spaces an den Landesgrenzen dezimiert weiter den Druck der Lebenshaltungskosten und des erhöhten Verkehrsaufkommens. Auch wenn allgemein nicht vermutet wird, dass sich Luxemburg zu einem Niedrigsteuerland entwickelt, so wird doch eine zumindest stellenweise Anpassung an vergleichbare Onshore-Zentren sowie eine anhaltende Stabilität der Steuerpolitik erwartet.

Erfassen von Zukunftstrends

Trotz aller Herausforderungen, die Luxemburg entgegenstehen, befindet sich der Finanzplatz seit langem in einer starken Position, um zukünftige Trends in der Branche zu erfassen.

Im Bereich der alternativen Anlageklassen sind die in Luxemburg domizilierten Private Markets (Real Estate, Private Equity, Private Debt und Infrastruktur) seit 2015 mit einer CAGR von 34 % gewachsen und antizipiert, bis ins Jahr 2021 sollen 625,2 Mrd. EUR erreichet werden. Die aktuellen inflationsbedingten Spannungen und die zunehmende regulatorische Demokratisierung des Sektors sollten der Branche zu neuen Höhenflügen verhelfen. Luxemburg befindet sich in einer idealen Position, um alle Vorteile zu nutzen, die sich aus diesem Wachstum alternativer Fonds ergeben. Dies kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn die bevorstehenden Änderungen der EU-Richtlinie über alternative Fondsmanager rasch in die regionale Regulierung integriert werden.

In Bezug auf die steigende Nachfrage nach ESG – ein Trend, der laut einer Studie von PwC in naher Zukunft deutlich zunehmen dürfte – besitzt Luxemburg bereits einen deutlichen Vorsprung. Die zuvor erwähnte Ratingagentur LuxFLAG kann zu einem weithin anerkannten ESG-Siegel avancieren, das den Anlegern Vertrauen vermittelt. Dem einhergehend stimmt die Regulierung „taxe d’abonnement“ vollständig mit den kommenden ESG-EU-Standards überein.

Darüber hinaus sollte Luxemburg die Entwicklung der Krypto-Assets und Tokenization/DLT antizipieren, um bestens darauf vorbereitet zu sein. Die Verordnung über Krypto-Assets (MiCA) soll 2023/2024 in Kraft treten, was bedeutet, dass Luxemburg Lösungen für die Umweltbedenken, AML-Risiken und das systemische Risiko im Zusammenhang mit dieser neuen Anlageklasse bereits aufbereiten könnte.

Resümierend lässt sich feststellen, dass Luxemburg trotz stetem Raum für Verbesserungen einer der attraktivsten Finanzplätze der Welt bleibt, der gleichzeitig auf seinen etablierten Stärken aufbaut, flexibel bleibt und auf das Feedback der Interessengruppen reagiert. Inmitten eines unsicheren globalen Umfelds bahnen sich in Luxemburg zahlreiche Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten für Finanzakteure an.

 

06. April 2023

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Autor

Dariush Yazdani

Dariush Yazdani leitet das AM Market Research Centre innerhalb von PwC Luxembourg. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Finanzdienstleistungsbranche und hat verschiedene Forschungs- und Thought-Leadership-Studien geleitet und war zudem in der strategischen Beratung von Kunden tätig.

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