„Das Feld wurde gut bestellt, breit gesät und nun ernten wir gepaart mit einer soliden Governance die Früchte der Expertinnen und Experten“

Bereits im April berichtete FONDSTRENDS.LU über den Bewerbungsstart für den Qualitätsstandard Nachhaltiger Geldanlagen – das FNG-Siegel. Unter dem Motto „Mehr als nur ein Label“ und mit einer nochmals höheren Anzahl von Einreichungen endete Anfang Juli die diesjährige Bewerbungsrunde für das FNG-Siegel 2022. Am 25. November ist es schließlich soweit und die aktuellen Gewinner werden im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung gekürt. Wir sprachen im Vorfeld mit Roland Kölsch, Geschäftsführer der QNG, die den SRI-Qualitätsstandard verantwortet, über die Ziele und Arbeitsweise des FNG-Siegels, dessen anhaltendes Erfolgsgeheimnis sowie die Zukunft von Ratings im ESG-Bereich als wertvolle Orientierungsinstrumente mit weiterem Optimierungsbedarf.

 

FONDSTRENDS.LU: Herr Kölsch, die Bewerbungsphase ist beendet und Sie vermelden Rekord-Bewerbungen für das FNG-Siegel. Fühlen Sie sich mit dem aktuellen Zuspruch besonders bestätigt?

Roland Kölsch: Zuerst einmal freuen wir uns, dass der Zuspruch für unseren SRI-Qualitätsstandard nun schon seit Jahren anhält. Und hier sowohl von kleinen, auf Nachhaltigkeit spezialisierten Häusern, als auch von Europas führenden Häusern mit den verschiedensten Anlage-Kompetenzen. Auch sind wir stolz, dass sich Fonds aus Häusern 14 verschiedener Nationalitäten bewarben. Interessant ist aber auch, dass die Quote der Fonds, die sich unserer unabhängigen Zertifizierung stellen lediglich bei ca. 10 Prozent aller in Deutschland als nachhaltig vertriebenen Fonds liegt und dieses Jahr durch die Schwemme an Artikel 8 – Produkten der EU-Offenlegungsverordnung sogar gesunken ist. Einen Stau gibt es nicht, da wir mit unserem Partner, dem Lehrstuhl von Prof. Busch von der Research Group on Sustainable Finance der Universität Hamburg rechtzeitig für mehr Personal gesorgt haben. Die Universität Hamburg ist mit mehreren Handvoll Researchern und fünf Lehrstühlen weltweit eine der führenden akademischen Einrichtungen auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft. Das bereits für nächstes Jahr weiter abzusehende Wachstum macht aber gleichzeitig auch die Überlegung nötig, über eine andere Organisationsform der Prüfarbeit nachzudenken.

Und was heißt bestätigt?! Offenbar haben wir eine Herangehensweise an das Thema, die ziemlich diskriminierungsfrei und glaubwürdig die vielen verschiedenen Ansätze, Nachhaltigkeit in Finanzprodukten umzusetzen, bewerten kann. Und das kommt ja nicht vom Himmel gefallen. In dreijähriger Vorarbeit haben viele Stakeholder bis 2015 die verschiedenen Elemente herausgearbeitet, um die es bei einer Nachhaltigen Geldanlage geht. Das Feld wurde also gut bestellt, breit gesät und nun ernten wir gepaart mit einer soliden Governance die Früchte der Expertinnen und Experten, die damals die Grundlage für die Methodik erarbeitet haben.

Und das wird sowohl von der Vertriebsseite, die das FNG-Siegel als Orientierungshilfe einsetzt, wie auch von der Anbieter-Seite wertgeschätzt, die sich jedes Jahr verstärkt um unser Label bewirbt.

 

FONDSTRENDS.LU: Was zeichnet Ihr Siegel gegenüber anderen Ratings aus?

Roland Kölsch: Wir denken, bei aller Schwierigkeit, Nachhaltige Finanzprodukte zu bewerten, mit dem FNG-Siegel einen ganzheitlichen Ansatz entwickelt zu haben, der sowohl quantitative als auch qualitative Elemente und vor allem die gesamte Infrastruktur eines Investmentfonds beinhaltet. Gerade auf Ebene des Portfolios macht es oft mehr Sinn, die dahinter liegenden Investmentprozesse, Systeme und Strukturen zu analysieren. Insbesondere aufgrund der Komplexität der Einzeltitelbewertung, bei der wir ja wissen, dass es sein kann, dass eine ESG-Agentur zu einer ganz anderen Einschätzung als eine andere ESG-Agentur kommen kann. Stützte man sich also auf einen „einfachen“ zahlentechnischen Portfolio-ESG-Score wäre man der gleichen Gefahr der niedrigen Korrelationen der ESG-Ratings untereinander ausgesetzt. Außerdem finden wir es wichtiger, zu überprüfen, ob ein Fonds z,B. kategorisch gewisse Ausschlüsse umsetzt.. Das FNG-Siegel geht weit über die reine Portfoliobetrachtung hinaus, ist daher ganzheitlich und aussagekräftig. Mit über 80 Fragen wird z.B. der Nachhaltigkeits-Anlagestil, der damit einhergehende Investmentprozess, die dazugehörigen ESG-Research-Kapazitäten und ein evtl. begleitender Engagement-Prozess analysiert und bewertet. Darüber hinaus spielen Elemente wie Reporting, Kontroversenmonitoring, die Einbindung von Stakeholdern und die Fondsgesellschaft als solche eine wichtige Rolle. Je vielschichtiger und intensiver ein Fonds auf den verschiedenen Ebenen im Sinne der Nachhaltigkeit aktiv ist, umso höher ist seine Nachhaltigkeits-Qualität und das Potential, letztendlich indirekten und direkten Impact zu erzielen.

Solange wir noch keine einheitliche und systematisch vergleichbare robuste Datenbasis haben und auch die Methoden zur Impact-Messung noch nicht ausgereift sind, finden wir unseren wissenschaftsbasierten Ansatz, der aktuell mehr auf das „Wie“ als das „Was“ eingeht, angebracht. Das ist zwar für manche nicht sehr griffig, entspricht aber dem sachlich möglichen und ist daher ziemlich objektiv. Das FNG-Siegel ist ja ein Gütezeichen und damit auch nicht direkt vergleichbar mit z.B. einem Score oder einem Rating. Letztere haben genauso ihre Daseinsberechtigung, sind in ihrer Aussagekraft meines Erachtens aber limitiert und eben sehr abhängig vom dahinterstehenden Research-Ansatz. So ähnlich, auch wenn der Vergleich nicht ganz angebracht ist, wie sich Demeter vom Nutri-Score unterscheidet. Beides sind nützliche Werkzeuge, haben aber jeweils eine andere Aussagekraft.

 

FONDSTRENDS.LU: Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Siegel?

Roland Kölsch:  Zunächst einmal ist es eine Orientierungshilfe für Anleger:innen auf der Suche nach soliden, professionell verwalteten Investmentfonds, die sich Nachhaltigkeit ganz allgemein auf die Fahnen schreiben. Nichts mehr und nichts weniger. Und das ist bei nahezu 3000 allein in Deutschland verfügbaren Fonds schon eine zeitsparende Hilfe. Mittels „Pflicht und Kür“ schafft das FNG-Siegel einen Mindeststandard und zeichnet die Produkte aus, die sich zu mehr verpflichtet fühlen. Anhand des Mindeststandards mit klar festgelegten, transparent beschriebenen Mindestkriterien, wird dem Greenwashing schonmal ein ziemlich rigider Riegel vorgeschoben. Über die Mindestanforderungen hinaus wird aber auch der Wettbewerb um anspruchsvollere Nachhaltige Anlagestrategien durch ein Stufenmodell gefördert. Das FNG-Siegel hilft also, ernst gemeinte und glaubwürdige Angebote im Bereich Nachhaltiger Geldanlagen zu finden und differenziert sogar. Das vermeidet, dass wir, wie beispielsweise im Lebensmittelbereich, eine Vielzahl an verschiedensten Labels haben, die teilweise sogar Verwirrung stiften. Wir vereinen kleine und große Häuser sowie auf Nachhaltigkeit spezialisierte als auch konventionelle Asset Manager.

 

FONDSTRENDS.LU: Sie arbeiten mit der Uni Hamburg zusammen. Welche Aufgaben übernehmen die Wissenschaftler und warum ist dies wichtig?

Roland Kölsch: Die Glaubwürdigkeit eines Labels steht und fällt mit seiner Unabhängigkeit. Die Mitarbeiter:innen der Professur von Timo Busch von der  Sustainable Finance Research Group an der Uni Hamburg führen die Audits durch, erstellen Research und sind für die Weiterentwicklung der Methodik des FNG-Siegels mitverantwortlich. Durch die Wissenschaftsbrille konnten wir z.B. schnell erkennen, dass ein erster Test mit konkreten Impact-Metriken zu arbeiten leider noch nicht reif genug für eine Methodikergänzung war. Auch haben die Wissenschaftler durch den vertrauensvollen Zugang zu den ESG-Agenturen eine gute Übersicht über die verschiedenen Detail-Teufel der jeweils abzuprüfenden Kriterien. Leider ist nämlich selbst bei vermeintlich einfachen Ausschlüssen 1+1 nicht immer 2.

Außerdem spielt eine solide Prüf-Infrastruktur – aus einer Hand und durch die professorale Begleitung, was unseres Erachtens einzigartig in der europäischen SRI-Label-Landschaft ist – eine wichtige Rolle in der aktuellen Arbeit mit dem JRC (Joint Research Center) der EU-Kommission, wenn es um das EU-Ecolabel geht, in das wir von Beginn an involviert sind. Auch das französische Finanzministerium zollte uns dafür Lob und hat unter anderem aufgrund dessen eine General-Revision deren eigenen staatlichen Labels gestartet.

Was Interessenkonflikte angeht, ist die FNG-Tochter QNG als „Siegel-Gesellschaft“ inhaltlich außen vor, sobald ein Kandidat im Bewerbungsprozess steht und kommt erst wieder zur Diskussion der vorläufigen Audit-Berichte am Ende des Vergabe-Prozesses im Rahmen der Sitzung mit einem weiteren Governance-Element – einem interdisziplinären Komitee zum finalen Vergabe-Entscheid – mit dem Audit-Team der Uni Hamburg zusammen.

 

FONDSTRENDS.LU: Wie lautet Ihre Einschätzung. Sind für Ratings im ESG-Bereich weitere Quantifizierungen möglich oder sogar nötig? Und wenn ja: wo sind diese am dringendsten?

Roland Kölsch: Wir wünschen uns alle mehr rechnerisch überprüfbare Klarheit im Bereich der Bewertung Nachhaltiger Produkte. Das ist unbedingt nötig. Die Tatsache, dass heute aber immer noch ca. 80% aller Daten Schätzwerte sind – selbst bei den von der EU verpflichtenden PAIIs (die Indikatoren nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen) – und auch die Vergleichbarkeit der von den Unternehmen originär berichteten Daten durch die verschiedenen freiwilligen Berichtsstandards nicht gegeben ist, macht dieses Unterfangen zu einer Mammutaufgabe. Mehrere Researcher der Universität Hamburg sind u.a. bei der EFRAG aktiv und ich selbst zerbreche mir mit weiteren „Label-Kollegen“ aus Österreich und Skandinavien im Rahmen der Arbeitsgruppe zum EU-Ecolabel den Kopf, wie man hier besser vorwärtskommen kann. Die (sinnvolle), von der EU gewünschte Integration von CAPEX (Capital Expenditures) und OPEX (Operational Expenditures) macht es nicht leichter. Durch die EU-Taxonomie, deren komplettierende vier weitere Umwelt-Themen nun in der Konsultation sind, wird sich eine neue Welt an Nachhaltigkeits-Fonds entwickeln, die mit sog. Taxonomie-compliant Quoten wird arbeiten können. Hier erwarten wir einen großen Innovationsschub. Um nun aber die Erwartungen von Anleger:innen nicht in den grünen Himmel wachsen zu lassen, sei gesagt, dass wir hier aktuell von einstelligen Prozentzahlen, teils selbst bei rein grünen Fonds, sprechen.

 

FONDSTRENDS.LU: Welche Fortschritte wollen Sie persönlich im Rahmen der Siegelvergabe künftig noch machen?

Roland Kölsch: Wir wollen die Entwicklungen auf EU- und auf nationaler Ebene so akkurat integrieren, dass das FNG-Siegel auch weiterhin für eine einfache Erkennbarkeit extern geprüfter, glaubwürdiger Nachhaltigkeitsprodukte sorgt. Dazu gehört aber auch die Ausweitung auf weitere Assetklassen und Produktgattungen. Aktuell geht es um Microfinance und die Nachfrage nach einer Methodikausweitung auf Immobilien steigt auch. Bei ersterem sind wir bereits in Vorarbeit, bei letzterem sind wir im Austausch mit Akteuren, die bereits Expertise auf diesem Gebiet haben. Bei Immobilien geht es ja schon stark in Richtung Impact-Methodik, da der sog. Investor-Impact, also der Einfluss, den eine Anleger:in oder ein Fonds auf die Investitionsobjekte ausüben kann, direkter, messbarer und besser steuerbar ist. Insgesamt wird die Impact-Thematik wegweisend für weitere Entwicklungen sein. Hier stehen wir allerdings insbesondere für die Masse an liquiden Investmentfonds erst am Anfang der Erkenntnisse und auch die Europäische Union schafft ja erst jetzt mit der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive – die Nachhaltigkeits-Berichtspflicht für Unternehmen) und dem ESAP (European Single Access Point – einer zentralen, im Idealfall frei zugänglichen Datensammelstelle auf EU-Ebene) die Grundlage, ab 2024/2025 überhaupt erstmal eine gemeinsame Datenbasis in der Realwirtschaft zu schaffen.

 

FONDSTRENDS.LU: Herr Kölsch, wir bedanken uns für das informative Gespräch und wünschen Ihnen sowohl viel Freude bei der diesjährigen Vergabefeier als auch weiterhin viel Erfolg und alles Gute.

 

23. November 2021

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Roland Kölsch

Portrait Roland Kölsch

Roland Kölsch (Jahrgang 1974, Diplom-Betriebswirt FH) ist seit Januar 2017 Geschäftsführer der Qualitätssicherungsgesellschaft Nachhaltiger Geldanlagen (QNG), die u.a. das FNG-Siegel verantwortet. Sie trägt durch die Zertifizierung von Finanzprodukten, durch Gutachten sowie die Entwicklung von Standards und Dienstleistungen zur Qualitätssicherung nachhaltiger Investments bei. Zuvor war Kölsch selbst als konventioneller und SRI-Portfoliomanager tätig (u.a. bei Deutsche Asset Management und Dexia Asset Management), hielt Vorlesungen über das Thema und leitete das Asset Management einer Schweizer Nachhaltigkeitsbank.

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