Hintergrund
Seit dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Investmentfonds (2018/0041 (COD) (1), veröffentlicht am 12. März 2018, wissen wir, dass die EU-Kommission vorhat, den Vertrieb von AIF „zu vereinfachen“.
Ziel der EU-Kommission ist es, regulatorische Hindernisse für den grenzüberschreitenden Vertrieb von Investmentfonds in der EU abzubauen (2). Der Richtlinienvorschlag soll Kosten des grenzüberschreitenden Vertriebs für die AIFM reduzieren und über mehr Wettbewerb von Investmentfondsprodukten in der EU dazu beitragen, den Anlegern eine größere Auswahl und ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis an AIF zu bieten (3). Dazu strebt die EU-Kommission unter anderem an, das sog. Pre-Marketing (reverse solicitation) im Sinne von Artikel 4 AIFMD, EU-weit einheitlich zu regulieren.
Fraglich bleibt dabei aber, ob diese „Vereinheitlichung“ tatsächlich auch zu einer „Vereinfachung“ für die AIFM – aber auch für Initiatoren – führen wird. Da bisher Pre-Marketing keinen Vertrieb im Sinne der AIFMD darstellt, war diese Tätigkeit zum Beispiel in Deutschland nicht vom Begriff des „Vertriebs“ umfasst (4). Pre-Marketing kann somit aktuell – je nach nationalem Recht – z.B. auch von einem Initiator vorgenommen werden, vergleichbar dem früheren „private placement“. Das wird sich, sollte der Vorschlag der EU-Kommission umgesetzt werden, wohl ändern.
Vorschlag der Konkretisierung des Begriffs Pre-Marketing im Sinne des Artikel 4 AIFMD
Die EU-Kommission schlägt vor, in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2011/61/EU eine Definition des Begriffs „Pre-Marketing“ aufzunehmen. Hintergrund ist, dass die EU festgestellt hat, dass die EU-Mitgliedsstaaten den Begriff Pre-Marketing bisher unterschiedlich auslegen und damit unterschiedliche Anforderungen an dessen Voraussetzungen stellen (5). Artikel 2 des Vorschlags sieht vor, Pre-Marketing EU-weit in Zukunft wie folgt zu definieren:
„die durch einen AIFM oder in dessen Auftrag erfolgende direkte oder indirekte Bereitstellung von Informationen über Anlagestrategien oder Anlagekonzepte an professionelle Anleger mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in der Union mit dem Ziel festzustellen, inwieweit diese Interesse an einem noch nicht registrierten AIF haben.“
Insbesondere soll in Zukunft EU-weit ausgeschlossen werden, dass Pre-Marketing:
- einen bereits bestehenden AIF betrifft;
- Verweise auf einen bereits bestehenden AIF enthält;
- Anleger in die Lage versetzt, sich zum Erwerb von Anteilen eines bestimmten AIF zu verpflichten;
- Prospekte, Gründungsdokumente eines noch nicht registrierten AIF, Angebotsunterlagen, Zeichnungsformulare oder ähnliche Dokumente umfasst und zwar unabhängig davon, ob sie in einem Entwurf oder in endgültiger Form vorliegen, die dazu geeignet sind, die Anleger in die Lage versetzen, eine Anlageentscheidung zu treffen (6).
Gleichzeitig verlangt der Vorschlag, dass die, von einem Anleger vorgenommene Zeichnung von Anteilen an einem AIF im Anschluss an Pre-Marketing für diesen AIF oder auch für einen AIF mit vergleichbaren Merkmalen als Vertriebsergebnis und nicht als Resultat von Pre-Marketing angesehen werden soll. Das würde bedeuten, dass selbst im Fall von Pre-Marketing im Sinne und gemäß den Vorgaben des Vorschlags, dieses Pre-Marketing im Erfolgsfall den Vertriebs-Vorgaben der AIFMD unterworfen werden soll.
Es kommen weitere Anforderungen auf den AIFM zu
Artikel 5 Abs. 1 S.1 AIFMD verpflichtet jeden AIFM die Einhaltung der Vorgaben der AIFMD sicherzustellen – und zwar umfassend. Artikel 5 Abs. 1 AIFMD definiert diese Pflicht ohne Einschränkungen und ohne Berücksichtigung des Umfangs der Lizenz des AIFM. Ob die Lizenz des AIFM die fraglichen Tätigkeiten im Sinne des Annex I AIFMD umfasst ist irrelevant (7). Die relevanten Anforderungen werden zusammenfassend in Annex I der AIFMD genannt und schließen den Vertrieb der Fondsanteile ein (8). Die ESMA hat bereits 2016 bestätigt, dass die Verantwortung des AIFM sich auf alle in Annex I genannten Tätigkeiten erstreckt und damit auch den Vertrieb umfasst, unabhängig davon, ob die Tätigkeiten von dem AIFM selber überhaupt angeboten werden oder nicht (9). In Fällen, in welchen der AIFM die, in Annex I der AIFMD genannten, Tätigkeiten nicht selbst ausübt, gelten diese nach Auslegung der ESMA als an eine dritte Partei delegiert (10). Dementsprechend gelten die Vorgaben an delegierte Funktionen im Sinne von Artikel 20 AIFMD (11).
Die CSSF integriert die Auslegung der ESMA in ihre eigene Auslegung der AIFMD im Rahmen der eigenen FAQ. Somit stellt das Verständnis der AIFMD durch die ESMA zugleich die Interpretation des im Großherzogtum Luxemburg geltenden Rechts durch die CSSF dar (12).
Fazit
Schon jetzt ist der AIFM für den Vertrieb „seiner“ AIF-Anteile gemäß Artikel 5 AIFMD verantwortlich und hat sicherzustellen, dass dieser Vertrieb eines bestehenden AIF AIFMD-konform erfolgt. Er kann dies selber umsetzen, indem er selber den Vertrieb übernimmt oder im Rahmen einer Delegation die Vertriebspartner für die AIFM überwachen.
Wird der Vorschlag der EU-Kommission umgesetzt, wird diese Verantwortung in Zukunft auch den Vertrieb von noch gar nicht aufgelegten AIF umfassen. Gleichzeitig werden sich Initiatoren überlegen müssen, ob sie dann noch selbst ein Pre-Marketing durchführen dürfen.
30. April 2018
(1) http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CONSIL:ST_6988_2018_INIT&qid=1522076382359&from=EN (der “Vorschlag“)
(2) Ebenda, „Kontext des Vorschlags“.
(3) Ebenda.
(4) Vgl. BaFIN in https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/FAQ/faq_kagb_vertrieb_erwerb_130604.html
(5) Vorschlag, Erwägungsgrund 10.
(6) Vorschlag, Artikel 2.
(7) Q&A der EU Kommission, Seite 4, https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/aifmd-commission-questions-answers_en.pdf , auf welche die Q&A der CSSF ebenfalls in Preliminary Remarks, Seite 3, verweist.
(8) Wir verweisen auf Annex I der AIFMD, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32011L0061.
(9) ESMA Q&A AIFMD, Seite 36, Abschnitt VIII: Delegation, Question 2. https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma34-32-352_qa_aifmd.pdf
(10) ESMA Q&A AIFMD, Seite 36, Abschnitt VIII: Delegation, Question 2.
(11) Ebenda.
(12) Wir verweisen auf die Preliminary Remarks, Seite 3, der CSSF zu ihren Q&A: http://www.cssf.lu/fileadmin/files/AIFM/FAQ_AIFMD.pdf
Schreibe einen Kommentar
• Die EU-Kommission will Pre-Marketing vereinheitlichen und vereinfachen
• Pre-Marketing würde danach in manchen Konstellationen zum „Vertrieb“
• Damit würde der AIFM neben seiner bereits nach aktuellem Recht bestehenden Verantwortung für den Vertrieb auch für das Pre-Marketing verantwortlich
• Ein Initiator müsste sich die Fragen stellen, ob er überhaupt noch Pre-Marketing ohne AIFM betreiben kann.
Harald Strelen
Harald Strelen ist Assessor iur., verfügt über einen Abschluss als Master of Laws und Master of Science in Banking & Finance und kann auf eine internationale Berufserfahrung von über zwölf Jahren zurückblicken. Nach seinen Studien und Tätigkeiten bei internationalen Anwaltskanzleien an den Standorten Köln und Brüssel wechselte er nach Luxemburg, wo er das Kapitalmarkt- und Fondsgeschäft einer Bank verantwortete. Im Anschluss daran war er bei einer luxemburgischen Verwaltungsgesellschaft deutscher Provenienz tätig und leitete u. a. die Strukturierung von alternativen Investmentfonds und Verbriefungen. Sein Fokus liegt auf Investmentlösungen für illiquide Vermögenswerte für institutionelle und professionelle Investoren. Harald Strelen ist Partner bei AIQUNITED und spricht Deutsch und Englisch. Weitere Informationen zu seinen Schwerpunkten finden Sie hier: