Die Ära des Chief Sustainability Officer

Das Pariser Abkommen von 2015 markierte den Beginn eines neuen Zeitalters, in der die politischen Entscheidungsträger begonnen, den Klimawandel ernsthaft in Angriff zu nehmen. Seither nahm die Zahl der Vorschriften zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Fragen (ESG) in der EU und darüber hinaus ebenfalls drastisch zu. Die Rolle, die der Privatsektor im Allgemeinen – und der Finanzsektor im Besonderen – beim Vorantreiben des grünen Wandels spielen muss, ist inzwischen allgemein anerkannt. Daher erscheint es wenig überraschend, dass Chief Sustainability Officers (CSOs) in den Vorständen immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Zum Zeitpunkt ihrer erstmaligen Einführung standen die CSO-Positionen häufig unter dem Generalverdacht des „Greenwashing“. Kritiker unterstellten den Unternehmen, bei der Ernennung von CSOs mehr an Marketing und Image als an Nachhaltigkeit zu denken. Diese Behauptung war nicht völlig aus der Luft gegriffen, da viele der ersten CSOs aus Marketingabteilungen rekrutiert wurden.

Diese Zeiten liegen jedoch hinter uns. Die CSOs des Jahres 2023 sind hochqualifizierte Fachleute, die sich für eine positive Wirkung auf ihre Stakeholder und den gesamten Planeten einsetzen. Gleichwohl besteht Raum für Verbesserungen, da die Rolle von CSOs nach wie vor sehr unterschiedlichen Definitionen unterliegt. Angesichts der zahlreichen, weltweit entstehenden neuen ESG-Vorschriften gehört die Erfüllung der ESG-Berichterstattungspflichten zu den zentralen Prioritäten für CSOs. Darüber hinaus benötigen CSOs eine Position innerhalb der C-Suite der Unternehmenshierarchie, um ihre Unternehmen in Richtung eines grünen Wandels zu lenken.

Der Status der CSOs

In den letzten Jahren gewannen CSOs in der Unternehmenswelt stark an Bedeutung. Nach einer Analyse von Strategy& unter mehr als 1.600 Unternehmen in 11 Ländern wurden zwischen 2020 und 2021 394 CSOs ernannt, im Vergleich zu 414 im Zeitraum der Jahre 2011 bis 2019.

Obwohl nur 30% der CSOs weltweit über genügend Autorität innerhalb ihrer Organisation verfügen, um als effektive Katalysatoren für Veränderungen zu fungieren, scheinen diese ihren Wert bereits unter Beweis gestellt zu haben. So erzielen Unternehmen mit CSOs insgesamt deutlich höhere Refinitiv-ESG-Bewertungen als Unternehmen ohne CSOs. Unter den Unternehmen, die ein ESG-Rating zwischen A+ und A- erhielten, verfügten 49% über einen „aktiven CSO“ und 50% über einen „light CSO“ (d. h. einen CSO mit begrenzter Autorität innerhalb der Unternehmensstruktur). Auch das Gegenteil lässt sich nachzeichnen. Unternehmen mit einer ESG-Bewertung zwischen D+ und D- besaßen zu 52% keinen CSO und zu 32% einen CSO mit begrenzter Autorität.

Darüber hinaus ergab die Studie, dass die Wahrscheinlichkeit eines aktiven CSO mit der Größe des Unternehmens zunimmt. Lediglich 12 % der Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 1 Mrd. USD verfügten über einen aktiven CSO, wohingegen 56% der Unternehmen mit einem Umsatzvolumen von mehr als 200 Mrd. USD einen aktiven CSO aufwiesen. Dies ist insofern eine potenziell erfreuliche Erkenntnis, als größere Unternehmen – die in der Regel stärker umweltbelastend wirken können – dank ihrer aktiven CSOs eher in der Lage sein dürften, aktive Maßnahmen zur Reduktion ihrer negativen Umweltauswirkungen zu ergreifen.

Grafik 1: Anteil von CSOs nach Unternehmensumsatz (Mrd. USD)

Anmerkung: Diese Daten beruhen auf einer Stichprobengröße von 1.640 Unternehmen. „Light CSOs“ beziehen sich auf CSOs mit einem begrenzten Mandat in Bezug auf Hierarchie oder Einfluss. Eine ausführliche Darstellung der Methodik findet sich im Bericht Empower Chief Sustainability Officers von Strategy&
Quelle: PwC AWM & ESG Market Research Centre; Strategy&

Bekanntheit erlangen

CSOs müssen integraler Bestandteil jedes Führungsteams sein. Die Herausforderungen, die der grüne Wandel für den Privatsektor mit sich bringt, erfordern ein kompetentes Mitglied in den Vorständen, dass die Entscheidungsfindung in Richtung einer Netto-Null-Zukunft lenkt. Trotz dieses Ideals bleibt die Rolle eines CSO teilweise unscharf und seine Position in der Unternehmenshierarchie variiert stark von Unternehmen zu Unternehmen. In acht von zehn der von Strategy& befragten Unternehmen berichten die CSOs unmittelbar an den CEO. Während dies an sich ein vielversprechendes Zeichen darstellt, impliziert die direkte Berichtslinie an den CEO nicht zwingend, dass ein CSO auch Teil des Vorstands ist und in zahlreichen Fällen fehlt es an einer klaren Definition der Befehlskette des CSO.

PwC Luxemburg bemüht sich um eine sinnvolle Integration des Themas Nachhaltigkeit in sämtliche Aktivitäten und erhält dabei Unterstützung von höchster Ebene. Unser Managing Partner François Mousel bekleidet die Doppelrolle des CSO und unterstreicht damit die Bedeutung der grünen Transformation für das Unternehmen. Christophe Pittie beaufsichtigt als stellvertretender CSO alle internen Nachhaltigkeitsaktivitäten und berichtet direkt an den Managing Partner. Der vollständige Umfang unserer Nachhaltigkeitsstrategien und -verpflichtungen findet sich in unserem kürzlich veröffentlichten Jahresbericht 2023 nachgelesen werden: Transforming Towards the Future.

Befolgung der Regeln

Im Zuge der kontinuierlichen Weiterentwicklung des ESG-Regelwerks in den letzten Jahren bildet die Einhaltung der ESG-Reporting-Anforderungen inzwischen einen bedeutenden Teil der unternehmerischen Nachhaltigkeitsperformance. Dies ist allerdings leichter gesagt als getan.

Die Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzinstrumente (Sustainable Finance Disclosure Regulation – SFDR) und die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) stellen vergleichsweise neue europäische Gesetzgebungen dar und sowohl Unternehmen aus dem Finanz- als auch aus dem Nichtfinanzsektor stoßen auf Herausforderungen, diese adäquat zu erfüllen. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities – ESAs), der sich mit der Berichterstattung über die wichtigsten negativen Auswirkungen (Principal Adverse Impacts – PAI) von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren befasst – eine der diversen Berichterstattungsanforderungen im Rahmen der SFDR – gelangte zu dem Schluss, dass die von europäischen Finanzinstituten bereitgestellten Informationen in Bezug auf die Ziele des Pariser Abkommens oft „recht vage“ und einige der angegebenen Beweggründe für die nicht erfolgte Berücksichtigung der PAIs „nicht vollständig und zufriedenstellend“ seien.

Die Gewährleistung einer ausreichenden Befähigung der Unternehmen zur Einhaltung dieser Vorschriften sollte angesichts der zunehmenden Anstrengungen von Regulierungsbehörden beidseits des Atlantiks, Greenwashing-Praktiken von Unternehmen zu unterbinden, zu den Kernaufgaben eines CSO zählen. Ein Scheitern bei der Bewältigung dieser Herausforderungen wird künftig sowohl ein erhebliches finanzielles als auch reputatives Risiko darstellen.

Die lange Sicht

Angesichts der sich abzeichnenden Bedrohung durch den Klimawandel lässt sich die Bedeutung des Übergangs zu einem Netto-Null-Energieverbrauch kaum überbewerten. Folglich spielen CSOs in den kommenden Jahren eine Schlüsselrolle innerhalb von Verwaltungsräten, insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen.

Auch wenn sich die Rolle der CSOs heute grundlegend von ihrer ursprünglichen Rollenbeschreibung unterscheidet, bleibt weiterhin eine Menge zu tun – und dies so schnell wie möglich. Laut der Strategy& Studie beschäftigen lediglich 35% der europäischen Unternehmen aktive CSOs, direkt hinter die nordamerikanischen Unternehmen mit 48%. In anderen Regionen der Welt ist der Anteil aktiver CSOs tendenziell geringer als in Europa und Nordamerika, lediglich in Südamerika erreicht der Anteil aktiver CSOs mit rund 30% ein vergleichbares Niveau.

Die regulatorische und operative Lücke, mit der Unternehmen derzeit in Fragen nachhaltiger Unternehmenstätigkeit konfrontiert werden, kann und sollte durch eine Stärkung der CSOs geschlossen werden. Diejenigen, die dies frühzeitig erkannt haben und der allgemeinen Entwicklung einen Schritt vorauseilen, werden sowohl von Investoren und Öffentlichkeit als auch von ihren eigenen Mitarbeitern dafür honoriert werden, da eine wachsende Zahl von ihnen bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes auf die Nachhaltigkeitsbilanz des Unternehmens achtet.

 

22. November 2023

2 thoughts on “Die Ära des Chief Sustainability Officer”

  1. Michael Feiten sagt:

    Lieber Frédéric Vonner,

    herzlichen Dank für den Impuls!

    Einige Gedanken / Fragen:

    – Kann die Einführung eines CSO auch Schattenseiten haben, z.B.

    > das Weg-delegieren von Verantwortung an diese Stabsstelle? („Da habe ich keinen Nerv für, das sollen die Nachhaltigkeitsfuzzies machen.“)
    > dass der CSO nur oder gerade ein als Feigenblatt fungiert, damit Unternehmen sagen können: „Sieh da, wir tun doch was und investieren sogar teures Geld“, ohne dass sich aber die DNA der Unternehmen ändert (was eben ein großer Transformationsprozess ist)

    – Würde es helfen oder wäre es ein Nachteil, die Funktion des CSO gesetzlich / regulatorisch zu verankern?

    – Schwingt in deinem Beitrag nicht eine implizite Unterstellung mit, dass Unternehmen, die keinen CSO haben unnachhaltig(er) sind?

    – Sollten CSOs nicht ausgeprägte Coaching-Kompetenzen haben, die weit über klassische Unternehmensberatung hinausgehen, da sie ja ein ganzes Unternehmen – und das bedeutet: nicht nur die Strukturen, sondern auch die Menschen dort mitsamt ihr Gedankenwelt – transformieren und verändern müssen?

    Ganz herzliche Grüße
    Michael Feiten

    1. CURE S.A. sagt:

      Hallo Michael Feiten,
      vielen Dank für Ihren Kommentar.
      Wir werden uns dazu bei Ihnen melden.

      Viele Grüße, Ihr FONDSTRENDS.LU Redaktionsteam

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Autor

Frédéric Vonner

Von der University of Luxembourg als Lehrbeauftragter im Bereich Investment Fund Engineering, führte Frédéric Vonners Weg vor mehr als 18 Jahren zu PwC nach Luxemburg, wo er seit circa 5 Jahren als Advisory Partner mit Fokus u. a. auf nachhaltigen Finanzen agiert.

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