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Wie man mit Anleihen trotz niedriger Zinsen attraktive Renditen erzielen kann

Anleihen sind auf den ersten Blick ein sehr einfaches Finanzinstrument: Als Investor kauft man eine Anleihe und kassiert in der Folge bis zu deren Laufzeitende regelmäßig Zinsen, die durch den Kupon definiert sind. Am Fälligkeitstag wird die Anleihe zurückgezahlt. Die Rendite errechnet sich aus dem Verhältnis der ausgeschütteten Zinsen zum Kaufpreis der Anleihe.

Lange war es für Privatanleger ein probates Mittel, diese einfache Strategie anzuwenden. Es hat sich gelohnt. Seit einiger Zeit kann davon keine Rede mehr sein. Wer heute Bundesanleihen kauft, erzielt damit keine positive Rendite mehr, sondern zahlt drauf. Selbst rumänische oder griechische Staatsanleihen werfen kaum noch nennenswerte Renditen ab. Das heißt jedoch nicht, dass sich mit Anleihen kein Geld mehr verdienen lässt. Es bedeutet stattdessen, dass Anleger flexibler agieren müssen als nur die einfache Kaufen-Halten-Strategie anzuwenden.

Konkret: Um Gewinne jenseits der reinen Zinsausschüttungen erzielen zu können, müssen Investoren die Chancen nutzen, die sich ergeben können, wenn Anleihen während ihrer Laufzeit im Wert gestiegen sind. Dann kann sich nämlich ein vorzeitiger Verkauf lohnen. Für erfahrene professionelle Anleihe-Investoren ist das eine Selbstverständlichkeit. Darüber hinaus gibt es auch eine Reihe von weiteren Maßnahmen, um während der Laufzeit einer Anleihe eine zusätzliche Rendite zu erzielen, die über die reine Kaufen-Halten-Strategie hinausgeht. Die drei häufigsten zusätzlichen Einnahmequellen neben dem Kupon sind folgende:

Der Roll-Down-Effekt

Die erste mögliche Strategie ist die Ausnutzung des sogenannten Roll-Down-Effekts. Dieser beruht darauf, dass Anleihen mit längerer Laufzeit in der Regel höhere Renditen bieten als Anleihen mit kurzer Laufzeit. Durch den Tausch von Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten lassen sich so Gewinne erzielen.

Wie das konkret funktioniert, wird am besten an einem einfachen Beispiel deutlich: Ein Anleger kauft eine Anleihe mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Die Rendite liegt bei 0,5 Prozent per annum. Nach einem Jahr prüft der Anleger, ob er die Anleihe zu einem höheren Preis wiederverkaufen kann. Die Chancen dafür sind in der Regel nicht schlecht, denn die meisten Investoren haben wenig Interesse daran, ihr Kapital so lange zu binden, und nehmen deshalb für kürzere Laufzeiten eine niedrigere Rendite in Kauf. Gelingt der Verkauf, kann der Verkäufer erneut eine Anleihe desselben Emittenten mit einer Laufzeit von zehn Jahren kaufen – und zwar zu einem günstigeren Preis als der Preis, den er beim Verkauf seiner alten Anleihe erzielt hat. Der Effekt: Der Anleger erzielt nach einem Jahr nicht nur die Rendite durch den Kupon, sondern profitiert auch vom Roll-Down-Effekt. Dieser hat es in sich: Mit diesem Effekt ist es möglich, eine fünfmal höhere Rendite zu erzielen als mit einer reinen Kaufen-Halten-Strategie, bei der die Anleihe bis zur Fälligkeit gehalten wird. Voraussetzung: Die Zinskurve bleibt in dieser Zeit stabil. Oder die Zinsen sinken. In einem Umfeld steigender Zinsen dagegen birgt diese Strategie Risiken. Denn dann sinken die Preise für bereits emittierte Anleihen, während neue Anleihen teurer werden.

Verbesserung der Kreditwürdigkeit

Die zweite Strategie setzt auf eine Verbesserung der Kreditwürdigkeit. Hintergrund: Die Kreditwürdigkeit von Staatsanleihen mit einem AAA-Rating ist relativ stabil. Das Rating von Unternehmensanleihen kann sich jedoch manchmal deutlich verändern. Investoren können von Verbesserungen der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens profitieren. Denn dann verteuern sich diese Anleihen. Insbesondere mit Hochzinsanleihen lassen sich hier sehr attraktive Renditen erzielen.

Ein konkretes Beispiel dazu: Der Emittent einer Hochzinsanleihe wird von Ratingagenturen plötzlich besser bewertet. Das hat auf den Preis seiner Anleihen einen direkten Einfluss. Die Anleihen mit vergleichsweise kurzer Restlaufzeit, zum Beispiel zwei Jahre, steigen stark im Kurs. Die Rendite sinkt beispielsweise von acht auf vier Prozent. Die Anleihen mit längerer Laufzeit, zum Beispiel fünf Jahre, werden ebenfalls teurer, allerdings nicht so stark wie die kürzer laufenden. Die Rendite verbleibt näher an den acht Prozent per annum. Profis nutzen diesen Effekt wie folgt: Sie kaufen die fünfjährige Anleihe und verkaufen sie zwei Jahre vor Fälligkeit wieder. Denn bis dahin wird der Preis für ihre Anleihe mit großer Wahrscheinlichkeit gestiegen sein. Der Grund dafür ist derselbe wie beim Roll-Down-Effekt erklärt: Investoren akzeptieren für kürzere Laufzeiten niedrigere Renditen. Der Vorteil: Mit dieser Strategie lässt sich – bezogen auf das Beispiel – der Gesamtertrag um bis zu zwei Prozent pro Jahr steigern.

Änderung des Zinsniveaus

Die dritte Strategie setzt auf die Änderung des Zinsniveaus. Anleger können mit Anleihen zusätzliche Renditen erzielen, wenn das Gesamtzinsniveau sinkt, während sie die Anleihe halten. Hintergrund: Sinkt das Zinsniveau, können sich Unternehmen und Regierungen mit neuen Anleihen zu einem niedrigeren Zinssatz verschulden. Deshalb steigt der Preis für bereits ausgegebene Anleihen, die noch einen höheren Kupon haben. Anleger können von solch einer Entwicklung profitieren, indem sie ihre Anleihen vorzeitig verkaufen. So erzielen sie zusätzlich zum Kupon einen Kursgewinn. Der Effekt ist umso größer, je länger die Laufzeit der Anleihe noch ist. Das Risiko: Der Effekt wirkt auch umgekehrt. Langlaufende Anleihen reagieren empfindlich darauf, wenn das Zinsniveau allgemein steigt. Drohen Zinserhöhungen, konzentrieren sich professionelle Anleger deshalb auf Anleihen mit kürzeren Laufzeiten. So können sie die Auswirkungen dieses Mechanismus reduzieren.

Fazit

Privatanleger sollten die verschiedenen Chancen und Risiken gut abwägen. Manchmal kann es sich lohnen, Anleihen nicht bis zur Fälligkeit zu halten, sondern sie vorzeitig zu verkaufen, um eine höhere Rendite zu erzielen.

 

26. November 2019

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Autor

Helge Müller

Helge Müller ist Geschäftsführer und Portfoliomanager der Schweizer Vermögensverwaltung Genève Invest und deren Luxemburger Tochtergesellschaft. Vor seiner Tätigkeit für Genève Invest arbeitete er sieben Jahre als Economic Affairs Officer bei der United Nations Conference for Trade and Development (UNCTAD) in der Division, die für die Analyse von Direktinvestitionen internationaler Unternehmen zuständig ist. Er ist Diplom-Volkswirt mit Schwerpunkt Finanzierung und studierte in Rotterdam, São Paulo und Köln, wo er das Studium mit Prädikat abschloss.

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