Was vor einigen Jahren mit Rightmove und Zoopla zaghaft begann, ist mittlerweile ein florierender Sektor geworden – die Rede ist von Proptech, kurz für Property Technology. Die fortschreitende Digitalisierung hat sich zunehmend auch den Immobiliensektor erschlossen und liefert gerade mit Blick auf die digitale Finanzbranche reichlich Impulse für neue Schnittstellen. Es verwundert daher kaum, dass Plattformen mit Schwerpunkt auf Crowdfunding – also die Eigenkapitalvermittlung durch Schwarmfinanzierung zur Unterstützung von Projekten, Geschäftsideen oder Wohltätigkeitszwecken – geografisch immer aktiver werden und sich steigender Nachfrage erfreuen. Worin jedoch bestehen genau die Vorteile, die eine solche Synergie aus Fintech und Proptech für Anleger leisten kann? Welche Hürden müssen umgangen und welche Entwicklungen dürfen künftig erwartet werden
Crowdfunding – Ein Erklärungsversuch
Neben vielen positiven Aspekten hat das Informationszeitalter mindestens einen ambivalenten beschert – die Beschleunigung beinahe sämtlicher Lebensbereiche. Besonders deutlich wird diese Ambivalenz am Beispiel der Finanzmärkte: Informationslatenz kann hier sehr schnell entgangene Gewinne in Millionenhöhe bedeuten. Andererseits erlauben Fintechs durch die effiziente Nutzung von Datenmengen die schnellere Abwicklung von Kapitalaufnahme: Benötigen KMUs im deutschen Bankensystem durchschnittlich zehn Wochen, um einen Kredit von traditionellen Instituten zu erhalten, gestaltet sich die Kapitalaufnahme über Fintechs in der Regel innerhalb von drei Tagen.
Entgegen dem Trend verhalten sich traditionelle Finanzdienstleister konservativer und orientieren sich zusehends in Richtung lokaler Märkte, dies sicherlich nicht zuletzt aufgrund zunehmender Regulierung. Die Anforderungen im Rahmen des KYC-Prinzips (Know your customer) sowie die Verarbeitung der dazu notwendigen Informationsmenge stehen in einem starken Kontrast zu dem moderneren Ansatz, auch international „verstreuten“ remote customers Kredite auf die gleiche Weise und zu den gleichen Konditionen zu verschaffen. Das alles, selbstredend, in einem Bruchteil der bisher benötigten Zeit. Digitalisierung bedingt eine geografische Diversifizierung, diese wiederum einen Wegfall der Standortbindung – eine Tendenz, der traditionelle Finanzinstitute bisher nicht gerecht werden.
Eben jene Tendenz läutet indes die Sternstunde des Crowdfunding ein, wie das Beispiel Estland zeigt. So tragen beispielsweise das estnische E-Residency-Programm und das dortige wirtschaftliche System dazu bei, administrative Probleme im Zusammenhang mit einer Unternehmenstätigkeit in anderen Ländern zu lösen. Analog und zusätzlich dazu schaffen estnische Plattformen ein internationales Ökosystem, das die Finanzierung von Immobilien-Projekten schnell, einfach und grenzüberschreitend ermöglicht.
Was spricht in der Immobilienpraxis nun für das Crowdfunding und wie können Unternehmen von einer gemeinschaftlichen Finanzierung profitieren?
Vorzüge und Synergien
Geht es um die konkreten Vorteile, sind Schnelligkeit und Flexibilität hier an erster Stelle zu nennen. Liegen der ausführliche Businessplan sowie ein Wertgutachten vor, stehen die erforderlichen Mittel im Durchschnitt bereits binnen einer Woche nach dem Erstantrag zur Verfügung.
Zudem bietet die Mehrzahl der Crowdfunding-Plattformen Kreditnehmern Komplettlösungen an. Dabei spielen attraktive Zinssätze sicherlich eine Rolle; Vorteile erstrecken sich aber auch darüber hinaus. So fallen bei Komplettlösungen beispielsweise keine Zusatzkosten für die Projekt- oder Betriebsmittelfinanzierung an; der Bauherr kann somit zeitnah alle nötigen Mittel erhalten und das Projekt innerhalb weniger Monate ohne zusätzliche Kosten finanzieren. Die Zinsermittlung erfolgt zudem nicht, wie üblich, auf Monatsbasis, sondern täglich. Kreditnehmer können ihre Darlehenszinsen schließlich bequem auch erst am Ende der Kreditlaufzeit begleichen. Ein nicht zu verachtender Vorteil betrifft das Marketing: da es sich bei den Investoren auf der Crowdfunding-Plattform auch um potenzielle Käufer handelt, stellt die Veröffentlichung eines Projekts gleichzeitig auch eine günstige Maßnahme zum Vertriebsmarketing dar.
Auch die Immobilienbranche verursacht eine Datenflut – geschickt und effizient eingesetzt, können die verwendeten Daten einen großen Beitrag zu Schnelligkeit und Flexibilität leisten. Exemplarisch hierfür können automatische Bewertungsmodelle genannt werden: Hometrack beispielsweise bietet seit 2002 eine Plattform für Property Analytics, die jährlich mehr als 50 Mio. Wertgutachten erstellt. Zwar kommen diese bei Gewerbeimmobilien bisher noch nicht allzu häufig zum Einsatz, dennoch wächst der Markt weiter. Zur Beschleunigung dieses Trends tragen auch Player der Fintech-Branche bei, die – flexibler und agiler – Informationen gezielt sammeln und analysieren können.
Die Konsequenz dieser Entwicklung sind eine Vielzahl komplexer Modelle, die in kürzester Zeit profunde Entscheidungen treffen können – Big Data und Künstlicher Intelligenz sei Dank. Davon profitieren auch moderne Kreditunternehmen, indem sie ihren Kunden zu finanzieller Freiheit verhelfen und KMUs zur Finanzierung von Immobilienprojekten.
Gerade in der Anwendung von Konzepten wie Big Data und KI liegt allerdings auch Nachbesserungspotenzial für den Bereich des Crowdfunding. Hier gilt es, auch um die Herausforderungen und Fallhöhen zu wissen, bevor ein Projekt in Angriff genommen werden kann.
Herausforderungen und Ausblick
Auch ein so bequem anmutender Vorgang wie der Zugang zu Darlehen via Crowdfunding hat mit Hindernissen zu kämpfen. So ist das Konzept des Crowdfunding selbst derzeit noch geografisch stark fragmentiert – will heißen, Nationalangelegenheit. Hier bedarf es künftig einer einheitlichen, mindestens paneuropäischen Regulierung, um die internationale Geschäftstätigkeit deutlich zu vereinfachen.
Auch in Bezug auf die Regulierung Künstlicher Intelligenz und maschinellen Lernens sind noch viele, teils große Lücken zu schließen. Dabei gilt es vor allem zu klären, wie und in welchem Umfang Regulierungsbehörden dazu bereit sind, maschinell getroffene Entscheidungen richtig zu interpretieren und zu akzeptieren.
Neben enger Zusammenarbeit und der Integration unterschiedlicher Ökosysteme dürfte aber, beinahe ironischerweise, vor allem dem menschlichen Faktor eine zentrale Rolle zukommen. Zwar werden Datenmengen und die Entscheidungen, die sich daraus ableiten, zunehmend an Maschinen abgegeben werden – ohne Kommunikation und die Suche nach Synergien sind all diese Mühen jedoch vergebens. 360°-Plattformlösungen wie Mallcomm oder Möglichkeiten zur Begehbarkeit von Projekten via Augmented Reality zeigen die derzeitigen Trends auf und beweisen, wie eng diverse Industrien miteinander verflochten werden können. Auch der Einsatz der Blockchain dürfte für Darlehen via Crowdfunding einen weiteren entscheidenden Schritt darstellen, wie das Jahr 2020 zeigen wird.
Fazit
Crowdfunding im Immobiliensektor, also die Finanzierung von Projekten ohne die Hilfe traditioneller Finanzinstitute, ist mittlerweile keine Utopie mehr – unter gewissen Umständen funktioniert der Kapitalzugang hier sogar bereits auf globaler Ebene. Dennoch gilt es, diese Ansätze konsequent weiterzuentwickeln. Eine übergeordnete Regulierung der eingesetzten Technologien ist dabei nur ein erster wichtiger Schritt, um die Verbreitung der Schwarmfinanzierung weiter zu fördern und so mehr Menschen Zugang dazu zu gewähren.
24. Dezember 2019
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Marek Pärtel
Marek Pärtel ist Geschäftsführer und Mitgründer von EstateGuru OÜ. EstateGuru ist die führende europäische Crowdfunding-Plattform für kurzfristige, immobilienbesicherte Kredite. Seit 2014 wurden mehr als 1.000 Darlehen im Wert von über 160 Mio. EUR gewährt. Der Plattform sind schon 36.000 Investoren weltweit beigetreten.