Mit der Europäischen Investmentbank (EIB) als Hauptinvestor und Hauck & Aufhäuser Funds Services als Verwalter stellt der ECBF den ersten Venture-Fonds dar, der sich ausschließlich auf die Bioökonomie und die zirkuläre Bioökonomie in Europa konzentriert. Der Fonds will somit als wichtiges Finanzinstrument zur Erreichung der Ziele des European Green Deal beitragen, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. FondsTrends sprach mit Dr. Michael Brandkamp, CEO und General Partner des ECBF, über Impact Investing in Krisenzeiten, das Potenzial biobasierter Kreislaufwirtschaft sowie die Nachhaltigkeit von Nachhaltigkeit.
FondsTrends: Herr Dr. Brandkamp, was ist der European Circular Bioeconomy Funds (ECBF) genau und wodurch zeichnet er sich aus?
Michael Brandkamp: Der ECBF ist ein „Alternative Investment Fund“, der sich an innovativen Wachstumsunternehmen der europäischen Bioökonomie beteiligt. Das Zielvolumen von EUR 250 Millionen wird der ECBF in rund 25 Unternehmen aus Europa investieren, um aus regional agierenden Unternehmen erfolgreiche, pan-europäische oder globale Player zu machen. Alle Unternehmen müssen nicht nur sehr attraktive Renditen erbringen, sondern auch einen deutlichen Beitrag zu den Sustainable Development Goals (SDGs) in Aussicht stellen bzw. die sogenannten Environmental, Social and Governance- (ESG-) Kriterien erfüllen.
Der ECBF ist ferner eine Initiative der Europäischen Kommission und der European Investment Bank (EIB), die dazu beitragen soll, die Finanzierungslücke für innovative „Scale-ups“ in der Europäischen Union und den sogenannten „Assoziierten Länder“ zu schließen. Dafür investiert die EIB als Cornerstone Investor EUR 100 Millionen in den ECBF, dessen Konzept und Team in einem europaweiten Ausschreibungsverfahren geprüft und ausgewählt wurden. Mit dem zweiten Closing am 14. Dezember 2020 konnte der ECBF bereits ein Volumen von EUR 175 Millionen akquirieren und damit auch erstklassige Fachexpertise und ausgezeichnete Netzwerke aus fünf verschiedenen Ländern einbinden.
Der ECBF ist bis August 2021 für weitere Investoren offen, die sinnstiftend investieren und an den Chancen teilhaben wollen, die sich aus der Transformation der fossilbasierten linearen zu einer biobasierten zirkularen Wirtschaft ergeben werden.
FondsTrends: Sie sind seit Januar 2020 General Partner des ECBF. Wenn Sie nun auf die ersten zehn Monate dieses turbulenten Jahres zurückblicken – haben Sie sich bereits in Ihre neue Rolle eingelebt? Welche Aufgaben sind grundlegend neu, an welchen Stellen können Sie aus Ihrem Erfahrungsschatz schöpfen?
Michael Brandkamp: Meine neue Rolle ist so abwechslungsreich, spannend und aufregend, dass man nicht von „Einleben“ sprechen kann. Aber die Rolle macht mir sehr viel Freude und ist mir eine Herzensangelegenheit. Allerdings war das Jahr 2020 sehr abenteuerlich: Der Aufbau des Fonds ist genau in die Zeit der Corona-Pandemie gefallen und durch diese auch in Gefahr geraten. So ist das Fundraising zur Achterbahnfahrt geworden bis wir, mit rund sechs Monaten Verzug, Ende August das erste Closing erreichen konnten. In den ersten acht Monaten des Jahres hatten wir sehr wenige Ressourcen, da wir den Aufbau aus unseren eigenen, privaten Mitteln vorfinanzieren mussten. Aber seit Anfang Oktober ist der ECBF operativ und gibt Gas. Das Team wächst und wir haben jetzt die Möglichkeit, von unseren Erfahrungen zu profitieren. Diese Erfahrungen helfen uns nun, die drei Aufgabenfelder des ECBF effizient und professionell zu bearbeiten:
- Fundraising – bis August 2021 planen wir, unser Funding-Ziel von EUR 250 Millionen erreicht zu haben.
- Fonds- und Teamaufbau – d.h. Aufbau von Strukturen, Prozessen für die Auswahl und die Due Diligence attraktiver Investmentopportunitäten erfordert viel Erfahrung, die wir mit unserem nun wachsenden Team erweitern werden.
- Investitionen – in attraktive Wachstumsunternehmen der Bioökonomie, deren Anfragen uns aus unseren eigenen Netzwerken und den Netzwerken der Europäischen Institutionen bereits in großer Zahl erreicht haben.
FondsTrends: Gehen wir einmal zurück zum Anfang. Wann kamen Sie zum ersten Mal mit dem Thema Impact Investing in Berührung? Was hat Sie schließlich, vielleicht auch speziell am Thema biobasierter Kreislaufwirtschaft, nicht mehr losgelassen?
Michael Brandkamp: Beim High-Tech Gründerfonds, für den ich knapp 15 Jahre als Geschäftsführer tätig war, haben wir den Bereich “Sustainable Chemistry” und dessen Potenziale intensiv analysiert. Die Start-up-Szene war sehr unterentwickelt in diesem Bereich. Der größte Engpass lag aber in der Wachstumsfinanzierung. Ferner haben wir erkannt, dass sich die Land- und Forstwirtschaft, die Ernährungs- und Futtermittelindustrie sowie die Verpackungs- und Textilindustrie umstellen und nachhaltiger wirtschaften werden. Es war und ist offensichtlich, dass Innovationen in diesen Bereichen auf sehr große Märkte gerichtet sind und über erhebliche wirtschaftliche Potenziale verfügen. Neben den Renditepotenzialen spielt vor allem die Erkenntnis eine Rolle, dass Innovationen, die die Transformation zu einer zirkularen Bioökonomie voranbringen, nicht nur das Leben erleichtern, sondern zwingend sind, wenn die Menschheit langfristig auf hohem Lebensniveau auf der Erde leben möchte.
Entscheidend war dabei auch der Impuls meiner jüngsten Tochter, die mich bereits vor drei Jahren streng ermahnt hat, etwas für die Zukunft unseres Planeten zu tun.
FondsTrends: Die Corona-Krise scheint nicht nur diverse Lebensbereiche massiv geprägt, sondern auch das Bewusstsein für nachhaltige Investments geschärft zu haben. Welche Aspekte der ESG-Thematik sehen sie besonders davon betroffen? Ist diese Entwicklung im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig, also „here to stay“?
Michael Brandkamp: In der Tat wächst die Ansicht, dass Rendite- und Impactziele komplementär sind, unter Investoren rasant. Es wird immer deutlicher, dass sich Risiken ergeben, wenn die Investmenttargets die Kriterien für „Enviromental, Social and Governance (ESG)“ nicht erfüllen. Alle drei Themenfelder sind sehr wichtig:
E: Wenn Unternehmen die Umwelt belasten, wird das zum Risiko, da z.B. Kohlendioxidemissionen etwa durch Steuern oder Zertifikate teuer werden können.
S: Wenn öffentlich wird, dass Unternehmen von Kinderarbeit profitieren oder Mitarbeiter diskriminieren, müssen sie damit rechnen, von Kunden abgestraft zu werden.
G: Korruption und Vetternwirtschaft sind nur die Spitze des Eisbergs. Wer hier Schwächen zeigt, wird am Kapitalmarkt gerügt. Gute Transparenz- und Compliance-Regeln sind nicht nur Luxus, sondern führen auch zu besseren Entscheidungen und besseren Renditen in den Unternehmen.
Wir sind fest davon überzeugt, dass Investoren in Zukunft grundsätzlich erwarten, dass die ESG-Kriterien erfüllt werden. Viele Investoren interessieren sich immer mehr dafür, was mit dem Geld passiert – Sie wünschen, dass ihr Geld sinnstiftend eingesetzt wird.
FondsTrends: Im Fokus des ECBF liegen vor allem Unternehmen, die auf Nachhaltigkeit in diversen Bereichen wie z.B. der BlueEconomy oder der Ernährung setzen. Wo sehen Sie hier am meisten Potenzial? Was bedarf einer größeren, wenn nicht gar der größten Umstrukturierung?
Michael Brandkamp: Die Ernährung ist der größte Wirtschaftssektor der Welt. Um in einigen Jahren nahezu 10 Milliarden Menschen zu ernähren, ohne dabei die Lebensbereiche des Menschen auf der Erde zu zerstören, benötigen wir neue Technologien, neue Nahrungsmittel und eine Nutzung von Abfall- bzw. Wertstoffströmen. Der ECBF hat seine beiden ersten Investments in diesem Feld getätigt. PeelPioneers aus den Niederlanden beispielsweise nimmt Orangenschalen auf und verarbeitet diese in der eigenen Bio-Raffinerie zu wertvollen Ausgangsstoffen für die Nahrungsmittelproduktion. Prolupin aus Deutschland stellt aus der regionalen Lupine vegane Joghurts, Eis und Frischkäse her.
Ferner verlangen Kunden, dass Verpackungen nachhaltiger, Textilien recycelt und z.B. Pflegeprodukte ökologischer werden. Auch das Meer als Quelle von neuen Materialien oder Nahrungsmitteln wird an Bedeutung gewinnen. In diesen Feldern werden die Wertschöpfungsketten völlig neu definiert. Hier liegen erhebliche Investitionspotenziale.
FondsTrends: In Anbetracht von Maßnahmen wie dem European Green Deal – wo sehen Sie den ECBF in zehn Jahren?
Michael Brandkamp: Unser Ziel ist, dass der ECBF in zehn Jahren der führende Investor für innovative Wachstumsunternehmen in der Bioökonomie Europas sein wird. Er wird dann bereits seinen dritten Fonds auflegen, gute Investments tätigen und attraktive Renditen erwirtschaften. Der European Green Deal und viele andere Maßnahmen werden den Wandel von der linearen fossilbasierten zu einer biobasierten Wirtschaft fördern. Regulatorische Anpassungen werden neue Märkte schaffen und neue Unternehmen gute Wachstumschancen eröffnen. Dennoch bleibt der Konsument der wichtigste Treiber der Transformation.
FondsTrends: Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Inwiefern hat die Corona-Pandemie Ihren beruflichen wie auch privaten Alltag verändert?
Michael Brandkamp: Die Krise hat mir in der ersten Hälfte des Jahres 2020 Angst gemacht, da uns viele Fondsinvestoren abgesagt haben und neue Investoren nicht ansprechbar waren. Das Projekt stand kurz vor dem Scheitern. Aber mit Unterstützung der EIB, der vertrauensvollen Investoren preZero und Dr. Hettich Beteiligungen sowie durch den starken Teamgeist haben wir es dann geschafft. In meinem Alltag gab es aber auch sehr schöne Momente, da meine ganze Familie zuhause beisammen war. Zwei von meinen drei wunderbaren Töchtern sind bereits im Studium. Corona hat unserer Familie also auch eine sehr schöne gemeinsame Zeit geschenkt.
FondsTrends: Herr Dr. Brandkamp, wir danken Ihnen für das interessante Interview und wünschen weiterhin alles Gute!
18. Januar 2021
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Dr. Michael Brandkamp
Dr. Michael Brandkamp studierte Wirtschaftswissenschaften in Münster, Nairobi und Bonn und promovierte an der Fakultät für Unternehmensinnovation der TU Freiberg. Als Geschäftsführer der High-Tech Gründerfonds Management GmbH schrieb er nicht nur dessen Geschäftsplan, sondern baute auch eine breitgefächerte Organisation auf, die unter seiner Leitung in mehr als 550 Start-ups investierte und mehr als 100 Exits realisierte. Im Dezember 2019 verließ er den HTGF nach mehr als 15 Jahren, um sich als General Partner und CEO dem Aufbau des neuen European Circular Bioeconomy Fund (ECBF) zu widmen, der in innovative Unternehmen an der Schnittstelle aus Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft investiert.