"Acht von zehn Anlegern finden, dass Staatsanleihen ihre positiven Eigenschaften verlieren"

Staatsanleihen erwirtschaften angesichts des Niedrigzinsumfelds kaum auskömmliche Renditen. Welche Eigenschaften müssen Anlageformen erfüllen, damit sie sich als Alternative zu Staatsanleihen qualifizieren?

Dieser Frage widmete sich Tungsten TRYCON in einer aktuellen Umfrage. Im Interview mit FondsTrends spricht Michael Günther, Portfoliomanager bei Tungsten TRYCON, über die Ergebnisse dieser Umfrage und die Gefahr einer „Zombifizierung“ der deutschen Wirtschaft.

FondsTrends: Herr Günther, Sie haben im Dezember eine Umfrage zu den aktuellen Herausforderungen mit Staatsanleihen durchgeführt. Was waren die zentralen Ergebnisse?

Michael Günther: Der Anteil negativ verzinster Staatsanleihen, Anleihen der 16 Bundesländer mitgerechnet, liegt hierzulande inzwischen bei über 95 Prozent. Uns ging es vor allem darum, zwei Dinge herauszufinden: Erstens, werden Bestände daher reduziert? Und zweitens, welche Eigenschaften müssen Anlageformen erfüllen, damit sie sich als Alternative zu Staatsanleihen qualifizieren?

FondsTrends: Konnten Sie dabei einen klaren Trend ausmachen?

Michael Günther: Wir haben vornehmlich institutionelle Investoren, Vermögensverwalter und Anlageberater befragt. Acht von zehn Anlegern (85 Prozent) stimmen zu, dass Staatsanleihen ihre Aufgabe zur Erwirtschaftung auskömmlicher Erträge immer weniger erfüllen. Und jeder zweite Anleger (51 Prozent) denkt, dass Anleihen ihre Absicherungsfunktion in schwierigen Marktphasen zunehmend verlieren.

FondsTrends: Werden Anleihen aus Anlegersicht dennoch weiterhin einen berechtigten Platz im Portfolio haben? Oder gehen die Kaufmotive zunehmend verloren?

Michael Günther: Zu Ihrer ersten Frage: Ja, allein schon regulatorisch bedingt werden Renten ein fester Baustein insbesondere vieler institutioneller Portfolios bleiben. Die Ergebnisse unserer Umfrage deuten jedoch darauf hin, dass die „Schmerzgrenze“ bei einer Vielzahl von Investoren erreicht ist. Mindestens die Hälfte der Anleger hat sich bereits vor Unterschreiten des Zinsniveaus 10-jähriger Bundesanleihen in den Minusbereich intensiv mit Umschichtungen beschäftigt.

FondsTrends: Welche liquiden oder illiquiden Alternativen kommen dafür in die Auswahl?

Michael Günther: Wo realisierbar, werden Anleger ihre Risikokapitalquoten zugunsten von Aktien oder Alternativen anpassen. Jeweils knapp die Hälfte der Anleger meint, dass entweder Gold/Edelmetalle, Liquid Alternatives oder Immobilien die verlorengegangenen, positiven Eigenschaften von Staatsanleihen am besten kompensieren. Weitere Neuausrichtungen könnten über Infrastrukturinvestments (29 Prozent), Private Equity (28 Prozent) oder Private Debt (24 Prozent) erfolgen.

FondsTrends: Wäre der von Ihnen gemanagte KI-Fonds ein Werkzeug, mit dem einige der Aufgaben von Staatsanleihen wahrgenommen werden könnten?

Michael Günther: In der Praxis werden Anleger verschiedene Bausteine prüfen, mit denen sie das Portfolio anreichern und die gewünschten Eigenschaften abbilden. Unser Fonds Tungsten TRYCON AI Global Markets (WKN HAFX29) fällt in die Kategorie Liquid Alternatives und zeichnet sich durch eine besonders niedrige Korrelation mit traditionellen Assetklassen und somit gerade auch mit Aktien aus. Gemäß dem Umfrageergebnis sind den Investoren neben der positiven Renditeerwartung (79 Prozent der Anleger) und der Unkorreliertheit mit Aktien (64 Prozent) eine moderate Volatilität (ebenfalls 64 Prozent) sowie die Absicherung in Baissemärkten (57 Prozent) und tägliche Liquidität (56 Prozent) besonders wichtig.

FondsTrends: Werden die Märkte denn zeitnah zu einer Situation zurückkehren, in der Anleihen die Basisrendite für ein Portfolio liefern?

Michael Günther: Angesichts der ultralockeren Geldpolitik halten wir dies vor allem in Europa mittelfristig für wenig realistisch. Das Aufwärtspotenzial der Realrenditen scheint sehr begrenzt. Zudem führt die Liquiditätsflut zu einem Effekt, der uns 2021 beziehungsweise spätestens 2022 zunehmend beschäftigen dürfte: Durch die rekordtiefen Kreditzinsen werden Unternehmen am Leben gehalten, die eigentlich nicht mehr marktfähig sind. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich rechnete unlängst vor, dass sich die Zahl dieser Unternehmen seit den 1980er Jahren bis heute fast vervierfacht hat.

FondsTrends: Dies ist, was viele Marktteilnehmer aktuell als „Zombifizierung der Wirtschaft“ bezeichnen. Können Sie uns abschließend sagen, wie die Anleger ihrer Studie diese Entwicklung einschätzen?

Michael Günther: Die Anleger unsere Umfrage äußerten die Befürchtung, dass sich die Renditen verzinslicher Papiere immer weniger aus dem freien Marktspiel ergeben. Auf einer Skala von 0 (aus freien Marktkräften) bis 10 (weniger aus freien Marktkräften) lag die Einschätzung der Befragten im Schnitt bei 7,8 Punkten.

FondsTrends: Wir danken Ihnen für das interessante Interview, Herr Günther, und wünschen weiterhin alles Gute.

 

25. Januar 2021

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Michael Günther

Michael Günther

Michael Günther ist Portfoliomanager bei Tungsten Capital, einer Asset-Management-Gesellschaft mit Sitz in Frankfurt am Main. Der von ihm gemanagte Multi-Asset long/short-Fonds Tungsten TRYCON AI Global Markets bietet Anlegern einen Zugang zu neuen Datenanalyse-Technologien und künstlicher Intelligenz und wurde mehrfach ausgezeichnet.

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