Wirkungseffektive Aktionärsanträge unterstützen

EU-Offenlegungsverordnung und Nachhaltigkeitspräferenzabfrage reichen nicht zur Transformation, meint Luisa Lange, Gründungspartnerin und Nachhaltigkeitsverantwortliche der Schweizer Ethius Invest. Die EU-Staaten sollten darum Hürden für Aktionärsdemokratie abbauen, und Fondsgesellschaften sollten aktiver sein.  

In der heutigen Debatte rund um nachhaltige Geldanlagen und der Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung von Finanzprodukten spielt die Wirkungseffektivität durch den sogenannten „Active Ownership“-Ansatz bedauerlicherweise noch immer keine maßgebliche Rolle. Stattdessen zielt die in Kraft getretene EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) durch die Abfrage der „Regulatory Technical Standards (RTS)“ darauf ab, die Einstufung nachhaltiger Finanzprodukte hauptsächlich auf Basis des Investitionsprozesses vor dem Anlageentscheid zu prüfen.

Die Datengrundlage für diese Einschätzungen erfolgt meistens auf Basis oftmals, je nach Anbieter, widersprüchlicher „ESG-Ratings“ für Umwelt, Soziales und Governance und durch mehrheitlich zahlengetriebene Kriterien.  Mit dieser Praxis wendet die Finanzindustrie „unterkomplexe“ Instrumente für überkomplexe Systeme an. Ob und wenn ja, welche Wirkung und Effektivität durch die Geldanlage mit diesen Praktiken zu erreichen ist, bleibt ungewiss.

Die Staaten sollten Hürden abbauen

Ein tatsächlich wirkungseffektiver Ansatz für einen nachweisbaren nachhaltigen Wandel ist hingegen der beschlussfähige Aktionärsantrag, in Neu-Deutsch die „ESG Shareholder Resolution“.  Hierbei bringen Anteilseigner Tagesordnungspunkte auf Hauptversammlungen ein, die dem gesamten stimmberechtigten Aktionariat zur Abstimmung vorgelegt werden. Bei Finanzprodukten ist hierzu die Initiative der Fondsgesellschaften gefragt.

Die Bedingungen und Voraussetzungen einer intakten Aktionärsdemokratie sind je nach Land sehr unterschiedlich. Bei in Deutschland domizilierten Unternehmen ist es Aktionären gemäß §122 des deutschen Aktiengesetz nur möglich, beschlussfähige Punkte auf die Tagesordnung zu setzen, wenn ihre Anteile zusammen zwanzig Prozent des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500.000 Euro erreichen.

Die Hürden für eine aktive Beteiligung von Aktionären auf Hauptversammlungen sind nicht nur in Deutschland hoch, sondern in der gesamten EU. Sie sollten stetig abgebaut werden!

USA als Vorbild für Aktionärsdemokratie

Vorteilhafter zeigt sich die Situation in den angelsächsisch geprägten Ländern. In den USA sind Aktionärsanträge mit einem Bestand von bereits 25.000 US-Dollar möglich: Der Investor muss die Aktien des Unternehmens dabei lediglich für mindestens ein Jahr konstant in seinem Besitz gehalten haben.

Die insgesamt 924 ESG-Anträge bei US-Unternehmen in der diesjährigen Hauptversammlungssaison haben echte Wirkungen erzeugt, das zeigen diverse eindrückliche Beispiele.

Einen Rekorderfolg für eine durchgesetzte ESG-Resolution verdeutlicht der Fall der Fastfood-Kette „Jack in the Box Inc.“, gehalten unter anderem vom Green Century Funds: Hier stimmten im März 95 % der Aktionärinnen und Aktionäre für nachhaltige Verpackungen, obwohl das Management davon abgeraten hatte, den Tagesordnungspunkt gut zu heißen. Jack in the Box hatte bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Ambitionen gezeigt, sich dem Problem des eigenen ökologischen Fußabdrucks zu widmen und die Nachhaltigkeit seiner Verpackungsmaterialien zu verbessern.

Durch den Aktionärsentscheid ist das Unternehmen nun in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen und seine Bemühungen zugunsten nachhaltiger Verpackungsmethoden voranzutreiben.

Rückschläge bei Klimaanträgen

Hingegen wurden alle Umweltanträge, die forderten, dass Finanzkonzerne die Finanzierung von Projekten mit fossilen Brennstoffen ernsthaft einstellen, in der diesjährigen Hauptversammlungssaison abgelehnt. Bis dato gab es 14 solcher Anträge bei zwölf US-Finanzinstituten. Fast alle, mit einer Ausnahme, bezogen sich auf das Ziel der Internationalen Energieagentur IEA, die weltweit emittierten CO2- Emissionen in der Summe bis 2050 auf netto Null zu reduzieren.

Die Anträge verlangten von den betreffenden Unternehmen, von Finanzierungs- oder Zeichnungstätigkeiten Abstand nehmen, die mit diesem Szenario unvereinbar sind. Bis Ende des Sommers hat keiner eine Unterstützung von mehr als 12,8 % der Aktionärsgemeinschaft erhalten.

Gescheitert sind diese Vorschläge insbesondere, weil die Unterstützung großer, sich vor Investoren als nachhaltig ausgebender Anbieter von Indexfonds (ETFs) gefehlt hat.

Wirksame Anträge erfordern Know-how und Kooperation

Sofern ein Anbieter von nachhaltigen Finanzprodukten in der EU die ressourcenintensive Arbeit für beschlussfähige Aktionärsanträge leistet, findet diese Initiative zwar gemäß der EU-Regulierung keine Anerkennung, wird jedoch vermehrt von ernsthaft nachhaltig interessierten Anlegern nachgefragt.

Um als Fondsboutique wirkungseffektive Vorlagen auf Hauptversammlungen platzieren zu können, muss man über die notwendige Infrastruktur verfügen, Know-how einsetzen und frei von möglichen Interessenskonflikten handeln können. In der Praxis schließen sich solche Häuser zwecks mehr Hebelwirkungen in Investorenverbünden zusammen, wie zum Beispiel dem paneuropäischen Netzwerk Shareholders for Change, um Wissen und Einfluss zu bündeln und sich gemeinsam als Akteure einzusetzen.

Fondsgesellschaften gefordert

Man stelle sich nur die potenzielle positive Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft vor, wenn auch größere Fondsgesellschaften für einen Multi-Stakeholder-Kapitalismus inhaltlich ernsthaft zusammenarbeiteten! Und wenn sie dann die Stimmen in den vielen „Nachhaltigkeitsfonds“ im Sinne klar messbarer ökologischer und sozialer Leistungsindikatoren tatsächlich wahrnehmen würden!

Demokratisch gebildete Mehrheiten im Aktionariat können natürlich nur durch die Stimmen der Investorinnen und Investoren gebildet werden. Dies zeigt auch die Macht von Mittelsmännern wie etwa Stimmrechtsvertretern, die heutzutage oftmals von Anbietern passiver Finanzprodukte beauftragt werden.

Nutzen Sie, verehrte Leserinnen und Leser, daher Ihren potentiellen Einfluss und hinterfragen Sie die treuhänderisch getätigten Entscheidungen Ihrer Kollektivanlage. Hier ist Eigeninitiative gefragt, denn Sie werden solche Aktivitäten leider nicht durch die neue Nachhaltigkeitspräferenzabfrage von Ihrem Bankberater oder Vermögensverwalter in Erfahrung bringen können.

 

6. Dezember 2022

 

 

Der Artikel ist eine Zweitveröffentlichung und wurde bereits im Oktober 2022 auf www.backround.tagesspiegel.de veröffentlicht.

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Autor

Luisa Lange

Luisa Lange ist Nachhaltigkeitsverantwortliche von Ethius Invest sowie Gründungspartnerin des ethisch-nachhaltigen Fondsinitiators. Frau Lange leitet in ihrer Funktion u.a. die Engagement-Aktivitäten von Ethius (EthiusVoice und EthiusVote).

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