Nach der Finanzmarktkrise war der europäische Gesetzgeber sehr darum bemüht, die bereits unter dem AIFMD-Regime für Verwalter alternativer Investmentfonds eingeführten Vergütungsregelungen auch für UCITS-Verwaltungsgesellschaften einzuführen. Hintergrund dieser Regulierungsbestrebungen war die Tatsache, dass die erfolgsabhängige Komponente des Vergütungssystems zunehmend in die Kritik geriet, da die im Fokus der variablen Vergütung stehende Erfolgsbezogenheit Anreize zur Verfolgung einer gewagteren Anlagestrategie setzt. Dies steht in Konflikt zu den langfristigen Zielen des UCITS (nachhaltige Wertentwicklung) und den Anlegerinteressen.
Die UCITS V-Richtlinie sieht daher vor, dass die von Verwaltungsgesellschaften festzusetzende Vergütungspolitik und -praxis nicht nur mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar sein muss, sondern dieses vielmehr fördern muss. Zudem darf sie nicht zu Risiken verleiten, die mit den Risikoprofilen oder anderen Interessen der UCITS in Konflikt stehen.
Dabei liegt der Schwerpunkt der Vergütungsbestimmungen in der Regulierung der erfolgsabhängigen Vergütung. Konkret erfolgt eine Erweiterung des Bewertungsmaßstabs: Es darf nicht mehr lediglich auf individuelle Kriterien (beispielsweise die Leistung eines Einzelnen) abgestellt, sondern es muss daneben auch auf die Leistung der Abteilung bzw. des betreffenden UCITS und deren Risiken, das Gesamtergebnis der Verwaltungsgesellschaft sowie nicht-finanzielle Kriterien eingegangen werden. Auch wird der Bewertungszeitraum zur Bemessung des Erfolgs zu der den Anlegern empfohlenen Haltedauer der jeweiligen Anteile in Relation gesetzt und ein wesentlicher Anteil der Auszahlung erfolgsabhängiger Komponenten (zwischen 40% und 60%) auf einen mehrjährigen Zeitraum erstreckt. Zudem muss ein bedeutender Anteil der variablen Vergütung (mindestens 50%) von der zukünftigen Entwicklung des UCITS abhängig sein (beispielsweise in Form von Anteilen am betroffenen UCITS).
Adressaten dieser Vorgaben sind zunächst die Geschäftsleitung, Risikoträger sowie Mitarbeiter in Kontrollfunktionen. Neben den ausdrücklich genannten Personen sind insbesondere auch solche Mitarbeiter umfasst, deren Tätigkeiten einen wesentlichen Einfluss auf die Risikoprofile der Verwaltungsgesellschaft bzw. der von ihr verwalteten UCITS haben. Diese unbestimmte Ausformung führt dazu, dass die Verwaltungsgesellschaften überprüfen müssen, welche ihrer Mitarbeiter unmittelbar von den Vergütungsvorschriften betroffen sind (sog. „identifizierte Mitarbeiter“). Die ESMA Leitlinien für solide Vergütungspolitiken unter Berücksichtigung der UCITS-Richtlinie (ESMA/2016/575) bieten hierzu Hilfestellung und bestimmen darüber hinaus, welche der Vergütungsbestimmungen auf alle Mitarbeiter der Verwaltungsgesellschaft angewendet werden müssen bzw. sollten.
Zur Umsetzung der Vorgaben ist das Leitungsorgan der Verwaltungsgesellschaft in seiner Aufsichtsfunktion berufen, d. h. es beschließt die Vergütungspolitik und ist für deren Umsetzung und Überwachung sowie die jährliche Überprüfung verantwortlich. Dabei ist zu beachten, dass diese Aufgaben ausschließlich von solchen Mitgliedern übernommen werden dürfen, die keine Geschäftsführungsfunktion innehaben und über eine gewisse Sachkunde in den Bereichen Risikomanagement und Vergütungspolitik verfügen.
Die Proportionalität als Ausweg?
Gemäß den Bestimmungen der UCITS V-Richtlinie wenden die Verwaltungsgesellschaften die festgeschriebenen Grundsätze „in einer Art und einem Ausmaß an, die ihrer Größe, ihrer internen Organisation und der Art, dem Umfang und der Komplexität ihrer Geschäfte angemessen sind.“ Dieses sog. Proportionalitätsprinzip soll gewährleisten, dass den Verwaltungsgesellschaften, gemessen an ihren Möglichkeiten, eine verhältnismäßige Umsetzung der Vergütungsvorgaben gestattet wird. Die Einhaltung der Vergütungsgrundsätze muss von diesen in Relation zu ihrer Größe, ihrer internen Organisation sowie der Art, dem Umfang und der Komplexität ihrer Geschäfte/Tätigkeit umgesetzt werden. Das Proportionalitätsprinzip kann grundsätzlich auf Gesellschaftsebene oder auf Mitarbeiterebene angewendet werden.
Die konkrete Reichweite dieser relativen Anpassungsmöglichkeit sorgte bereits im Rahmen der AIFMD für Diskussionen und führt bei der kohärenten Umsetzung der UCITS V-Richtlinie zu weiteren Interpretationsschwierigkeiten. Denn während die ESMA zur Implementierung der Vergütungsregelungen unter AIFMD noch den Standpunkt vertrat, dass die Anwendung der Proportionalität zu einer vollständigen Nichtanwendung einzelner Grundsätze führen konnte (d.h. Auszahlung der variablen Vergütung in Form von Instrumenten, Sperrfrist, Zurückstellung, ex-post Berücksichtigung des Risikos bei der variablen Vergütung und die Einrichtung eines Vergütungsausschusses), hat sie in den Leitlinien für solide Vergütungspolitiken unter der UCITS-Richtlinien von einer solchen Interpretation Abstand genommen. In Anlehnung an die Auffassung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde im Rahmen von CRD IV erklärt die ESMA in einem Schreiben an die EU-Kommission, das EU-Parlament und den Rat der EU, dass der Proportionalitätsgrundsatz basierend auf dem gegenwärtigen Wortlaut der Richtlinie nicht dahingehend interpretiert werden könne, dass eine Nichtanwendung bestimmter Vergütungsgrundsätze möglich wäre und bittet um rechtliche Klarstellung.
Zwar steht eine wegweisende Klarstellung seitens des europäischen Gesetzgebers noch aus, dennoch hat die ESMA in ihrem Schreiben klar signalisiert, dass eine vollständige Umsetzung der Vergütungsgrundsätze nicht für jede Verwaltungsgesellschaft zweckführend erscheint und daher eine Nichtanwendung der oben genannten Vergütungsgrundsätze unter bestimmten Umständen möglich sein sollte.
Fazit
Zur richtlinienkonformen Implementierung der Vergütungsgrundsätze müssen Verwaltungs-gesellschaften nicht nur ihre Vergütungspolitiken anpassen und die betroffenen Mitarbeiter identifizieren, sondern darüber hinaus auch evaluieren, in welchem Ausmaß sie vom Proportionalitätsgrundsatz (d.h. auf Gesellschafts- oder Mitarbeiterebene) Gebrauch machen können.
Inwieweit eine vollständige Nichtanwendung einzelner Vorgaben zur Auszahlung der variablen Vergütung zukünftig noch möglich sein wird, bleibt abzuwarten. Mangels konkreter Empfehlungen der ESMA bzw. der nationalen Aufsichtsbehörden wird bis zur Klärung seitens des europäischen Gesetzgebers von den Verwaltungsgesellschaften eine nachvollziehbare und angemessene Vorgehensweise erwartet.
29. November 2016
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Olivier Carré
Olivier Carré ist Partner und Leiter der regulatorischen Beratung bei PwC Luxemburg. Er hat eine breite Erfahrung in der Finanzdienstleistungsbranche und vor allem in der Private Banking und Investmentfonds-Industrie. Herr Carré ist, mit seinen Kernschwerpunkten auf regulatorischen und Compliance Themen, MiFID II Leader und BREXIT-Experte. Zum Themengebiet BREXIT arbeitet er und sein Team eng mit dem PwC Netzwerk in Großbritannien zusammen, um internationalen Finanzdienstleistern bei allen Eventualitäten der BREXIT-Verhandlung zu unterstützen. Darüber hinaus hat er Kunden bei der Analyse und Umsetzung von regulatorischen Anforderungen wie AIFMD, FATCA, UCITS IV und EMIR geholfen.
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Olivier Carré
Melek Sahinoglu
Melek Sahinoglu ist Senior Manager in der Abteilung Aufsichtsrechtliche Beratung bei PwC Luxemburg. In den letzten neun Jahren hat Frau Sahinoglu insbesondere Projekte im Zusammenhang mit der Auflage von Investmentfonds (UCITS und AIFs) sowie der Implementierung neuer regulatorischer Vorgaben für Asset Manager (unter anderem UCITS IV, AIFMD, UCITS V, PRIIPs) betreut.