Das ESMA-Schreiben zur angestrebten AIFMD-Reform

Die Europäische Kommission (die „Kommission“) ist bestrebt, bis Ende des Jahres die Richtlinie 2011/61/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds (die „AIFMD“) zu überprüfen und etwaige Abänderungen vorzuschlagen.

Der durch die AIFMD und die Umsetzungsgesetze geschaffene Rechtsrahmen für alternative Investmentfonds hat sich bewährt, ist jedoch bereits in die Jahre gekommen. Zeit genug also, um auf einen Fundus an Erfahrungen sowohl auf Ebene der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (die „ESMA“) als auch der nationalen Aufsichtsbehörden zurückzugreifen, um erforderliche und sinnvolle Anpassungen der AIFMD vorzunehmen.

Dahingehend hat die ESMA am 18. August 2020 einen Brief an die Kommission geschrieben, in dem bzw. in dessen Anhängen sie die aus ihrer Sicht bei der bevorstehenden Überprüfung der AIFMD zu berücksichtigenden Punkte hervorgehoben hat (das „Schreiben“). Dementsprechend enthält das Schreiben eine Vielzahl an Empfehlungen. Um genau zu sein, werden Empfehlungen für neunzehn Bereiche ausgesprochen, welche sich aus den allgemeinen Erfahrungen, aber auch aus den Kritiken der diversen nationalen Vereinigungen und Aufsichtsbehörden herauskristallisiert haben. Wir bringen Ihnen im Folgenden einige der aus unserer Sicht besonders hervorzuhebenden Empfehlungen nahe und verweisen im Übrigen auf die Homepage der ESMA, auf der Sie das Schreiben im Original nachlesen können.

Harmonisierung

Der Wille zu einem Mehr an Harmonisierung ist einer der Kernpunkte des Schreibens, beispielsweise im Hinblick auf die Angleichung/Annäherung der AIFMD mit dem für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren („OGAW“) geltenden Regelwerk, gemäß der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren, wie abgeändert („Richtlinie 2009“).

Die ESMA merkt an, dass AIFMD-Regelungen oftmals spezifischer als die für OGAW sind, obwohl es hierfür in vielen Fällen keine objektiven Gründe gibt. Sie weist beispielsweise darauf hin, dass gerade für Verwaltungsgesellschaften, die sowohl OGAW als auch alternative Investmentfonds („AIF“) verwalten, diese unterschiedlichen Regelwerke eine zusätzliche administrative und folglich auch finanzielle Belastung darstellen. Auch führt dies zu Unterschieden bei Aufsicht und Regulierung und verkompliziert die Arbeit der Marktteilnehmer und Aufsichtsbehörden, so zum Beispiel bezüglich des Reportings.

Harmonisierung der Aufsicht über grenzüberschreitende Unternehmen

Die derzeitigen an den Markt angepassten Unternehmensgruppen sowie die Vielzahl an Auslagerungsvereinbarungen führen dazu, dass eine Vielzahl an Akteuren, die in unterschiedlichen Staaten ansässig sind, für ein und denselben Investmentfonds tätig sind. Dies bringt naturgemäß gewisse Schwierigkeiten bei der Aufsicht mit sich, da die Zuständigkeiten eindeutig geklärt werden müssen und der Informationsaustausch sichergestellt werden muss. Die ESMA sieht hier einen Klarstellungsbedarf, welcher wohl ebenfalls erfolgen dürfte.

Umfang der zusätzlichen MiFID-Leistungen

Ausweislich des Schreibens sieht die ESMA ferner einen Klarstellungsbedarf in Bezug auf Dienstleistungen, welche durch Verwaltungsgesellschaften erbracht werden, die sowohl OGAW als auch alternative Investmentfonds verwalten. Mangels eindeutiger Regelungen in den AIFMD- und OGAW-Regelwerken stellt sich diesbezüglich die Frage, welche Tätigkeiten genau durch Verwaltungsgesellschaften erbracht werden dürfen. Dies führt derzeit dazu, dass die für Verwaltungsgesellschaften zulässigen Tätigkeiten sich innerhalb der Mitgliedstaaten der EU unterscheiden und es daher zwingend einer Harmonisierung bedarf.

Darüber hinaus besteht nach Auffassung der ESMA ebenfalls ein Klarstellungsbedarf hinsichtlich der durch Verwaltungsgesellschaften unter der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, wie abgeändert („MiFID II“), erbrachter zusätzlicher Dienstleistungen. In einigen Fällen enthalten AIFM- und OGAW-Regelwerke Verweise auf MiFID II, in anderen erforderlichen Fällen jedoch nicht. Auch an dieser Stelle ist eine Harmonisierung, in diesem Fall zwischen den AIFMD- und OGAW-Regelwerken auf der einen Seite und MiFID II auf der anderen Seite, erforderlich, sodass gleiche bzw. vergleichbare Tätigkeiten auch vergleichbaren Regelungen unterworfen werden.

Da mangels Anpassung der AIFMD- und OGAW-Regelwerke an MiFID II die MiFID-Transaktionsmelderegeln nach Artikel 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, wie abgeändert („MiFIR“), nicht für Verwaltungsgesellschaften gelten, wird der diesbezügliche Vorschlag der Kommission mit Spannung erwartet.

Auslagerungs- und Substanzanforderungen

Die ESMA hält es für sinnvoll, in den AIFMD- und OGAW-Regelwerken zusätzliche rechtliche Klarstellungen in Bezug auf Auslagerungs- und Substanzanforderungen vorzunehmen. Dies, da die Verwaltungsgesellschaften die Portfolioverwaltung oft auf Gruppenexterne Dritte – oftmals mit Sitz außerhalb des Großherzogtums – auslagern und sich auf die Kontrolle der Auslagerung beschränken. Auch wird der Austritt des Vereinigten Königreiches angeführt, der nach Ansicht der ESMA der Auslagerung auf Nicht-EU-Unternehmen wohl Auftrieb geben dürfte. Im Kern steht die Aussage, dass die Auslagerungen zwar systemlogisch sind, da sie die Effizienz steigern, aber dass sie eben auch die Geschäfts- und Aufsichtsrisiken erhöhen.

Folglich stellt die ESMA in einigen Fällen die Frage, ob hier die OGAWs und AIFs überhaupt noch von der beaufsichtigten Verwaltungsgesellschaft verwaltet werden können. Daher sind weitere rechtliche Klarstellungen zum maximalen Umfang der Auslagerung angeraten.

Abgeordnetes Personal

Die ESMA hat weiterhin festgestellt, dass sich eine Vielzahl von Verwaltungsgesellschaften externes Personal beschafft. Allerdings ist die Feststellung, dass Expertise eingekauft wird und in der Folge oft von außerhalb des Mitgliedstaates des Sitzes der Verwaltungsgesellschaft erbracht wird, in der Tat zu beanstanden. Es stellt sich daher zu Recht die Frage, ob diese Personalpolitik im Einklang mit den Auslagerungs- und Substanzanforderungen der AIFMD- und OGAW-Regelwerke steht.

Portfolio- und Risk Management – Unterstützende Tätigkeiten

Die in den Anhängen der AIFMD, der Luxemburger Gesetzes vom 12. Juli 2013 über AIFM und des Luxemburger Gesetzes vom 17. Dezember 2010 über Organismen für gemeinsame Anlagen („OGA“) enthaltenen Informationen stellen zum Leidwesen vieler Praktiker weder Legaldefinitionen noch abschließende Listen der Vermögensverwaltungsfunktionen zur Verfügung. Die Erbringung von unterstützenden Tätigkeiten für Verwaltungsgesellschaften durch EU und Nicht-EU Gruppengesellschaften muss daher stets im Lichte einer möglicherweise vorliegenden Auslagerung analysiert werden.

Semi-professionelle Anleger

Da, wie bereits oben angesprochen, oftmals unterschiedliche Auslegungen durch die nationalen Aufsichtsbehörden erfolgen, führt dies zwangsläufig zu Problemen. Beispielsweise können in einigen Mitgliedstaaten AIFs an sogenannte semi-professionelle Anleger vertrieben werden, in anderen nicht. In Deutschland sind semi-professionelle Anleger in § 1 des Kapitalanlagegesetzbuches definiert. Semi-professionelle Anleger sind demnach nach deutschem Recht solche, die sich unter anderem verpflichten, mindestens 200.000 Euro zu investieren, und in einem vom Vertrag über die Investitionsverpflichtung getrennten Dokument angeben, sich der Risiken im Zusammenhang mit der beabsichtigten Verpflichtung oder Investition bewusst zu sein. Weiterhin gilt jeder Anleger, der sich verpflichtet, mindestens 10 Millionen Euro in ein Investmentvermögen zu investieren, als ein solcher. Mitunter stellt sich sodann die Frage der Reichweite des Europäischen Passes zum Vertrieb dieser Investmentfonds. Die Definition der semi-professionellen Anleger existiert, als solche, nicht unter dem Luxemburger Recht.

Die ESMA ist der Ansicht, dass unter der AIFMD eine Klarstellung des Begriffs des professionellen Anlegers erfolgen sollte und dass unter der AIFMD auch neue Anlegerkategorien, so wie die der semi-professionellen Anleger, eingeführt werden könnten. Diese neuen Anlegerkategorien sollten sodann allerdings mit entsprechenden Anlegerschutzvorschriften flankiert werden. Auch ist die ESMA der Ansicht, dass der Europäische Pass nur zum Vertrieb an professionelle Anleger genutzt werden sollte. Der Vorschlag der Kommission darf an dieser Stelle mit Spannung erwartet werden, da hier tatsächlich ein die Vermarktung beeinflussender Einschnitt möglich ist.

Verschulden

Artikel 19 (10) AIFMD bestimmt: „Ungeachtet des Unterabsatzes 1 und unabhängig von anderslautenden vertraglichen Regelungen haftet der externe Bewerter gegenüber dem AIFM für jegliche Verluste des AIFM, die sich auf fahrlässige oder vorsätzliche Nichterfüllung der Aufgaben durch den externen Bewerter zurückführen lassen.“ Die ESMA weist darauf hin, dass die Haftung für Fahrlässigkeit innerhalb der EU unterschiedlich bemessen wird. In einigen Rechtsordnungen, so zum Beispiel unter deutschem Recht, umfasst der Begriff Fahrlässigkeit sowohl die einfache als auch die grobe Fahrlässigkeit. In anderen Rechtsordnungen wird mit Fahrlässigkeit jedoch lediglich die grobe Fahrlässigkeit bezeichnet. Unserer Ansicht nach besteht daher seit langem ein Klarstellungsbedarf auf Gesetzesebene, da der Verschuldungsgrad in vielen Fällen streiterheblich ist, d.h. es ist – neben den anderen Tatbestandsmerkmalen – der zu berücksichtigende Verschuldungsgrad, der entscheidend für die Begründetheit eines Schadensersatzanspruchs ist.

Die ESMA sieht ebenfalls einen Regelungsbedarf auf Gesetzesebene. Sie ist der Ansicht, dass es in vorliegendem Fall ausreichend ist, wenn der Begriff Fahrlässigkeit die grobe Fahrlässigkeit umfasst.

Verkaufsersuche – Reverse solicitation

Die ESMA vertritt die Ansicht, dass es bzgl. der Definition des Verkaufsersuchs mehr Klarheit bedarf. Die ESMA räumt zwar ein, dass die AIFMD wohl nicht das geeignetste Regelwerk darstellt, um diesbezüglich für Klarheit zu sorgen, möchte aber betonen, wie wichtig eine einheitliche Definition für den Anlegerschutz ist. Denn auch diesbezüglich erfolgt in den Mitgliedstaaten eine unterschiedliche Interpretation des Begriffs und es bestehen divergierende Praktiken.

Das Schreiben der ESMA stellt eine interessante Lektüre dar. Vielfach werden Positionen der ESMA aus der Vergangenheit aufgegriffen und Schwierigkeiten beschrieben, mit denen nicht nur die Aufsichtsbehörden, sondern auch unsere Mandantschaft im Rahmen des Set-ups, der Organisation und im Tagesgeschäft konfrontiert waren und nach wie vor sind.

Wir, Wildgen S.A., sehen die durch die ESMA gegebenen Vorschläge, die sie aufgrund der langjährigen Erfahrungen mit der AIFMD und der ihr zugetragenen Rückmeldungen der Aufsichtsbehörden und des Marktes in dem Schreiben prägnant zusammengefasst hat, als einen Beweis für das Funktionieren des aufsichtsrechtlichen Systems. Natürlich hätte die eine oder andere Anpassung bereits erfolgen können. Auch ist die Materie, nicht nur aufgrund der Berührungspunkte und Überschneidungen mit anderen Regelungen, Stichwort MiFID, sehr komplex, weshalb das große Ganze im Fokus stehen muss. Daher sehen wir dem Vorschlag der Kommission mit Spannung entgegen.

Zu sämtlichen Rechtsfragen der Fondsindustrie stehen wir, die Investmentfonds Praxisgruppe, Ihnen gerne zur Verfügung. Für eine deutschsprachige Beratung wenden Sie sich bitte an den German Desk unter Leitung von RAin Mevlüde-Aysun TOKBAG, Partner.

 

20. Oktober 2020

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Autor

Mevlüde-Aysun Tokbag

Mevlüde-Aysun Tokbag ist Partnerin & Rechtsanwältin bei Wildgen S.A. und hat mehr als 10 Jahre Erfahrung im Fonds- sowie Finanzmarktrecht, überwiegend im grenzüberschreitenden Deutsch-Luxemburgischen Rechtsverkehr. Seit 2015 leitet Frau Tokbag auch den kanzleiintern neu gegründeten German Desk und betreut mit ihrem Team, bestehend aus mehreren Rechtsanwälten, vorwiegend deutsche Unternehmen, Versicherungsgesellschaften sowie Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute in ihren luxemburgischen Projekten.

Autor

Fabian Frankus

Fabian Frankus ist Associate & Rechtsanwalt bei Wildgen S.A. Als Mitglied des kanzleiinternen German Desk berät er insbesondere deutschsprachige Mandanten bei ihren luxemburgischen Projekten im Bereich Investmentfonds und im Gesellschaftsrecht.

Autor

Garry Reuland

Garry Reuland, Associate (Avocat / LL.M.), hat sich auf Investmentfonds-, Banken- und Finanzrecht spezialisiert, verfügt darüber hinaus ebenfalls über fundierte Kenntnisse und Erfahrung im Bereich des Luxemburger Gesellschaftsrechts. Er ist Mitglied in den Praxisgruppen Investmentfonds sowie Banking & Finance und betreut maßgeblich institutionelle und semi-professionelle Mandanten bei komplexen Fragestellungen in den vorgenannten Bereichen.

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