COVID-19 und Luxemburg: Ein kleiner Einblick, Teil 1

Das Coronavirus hat – und das müssen nunmehr auch die anfänglichen Zweifler eingestehen – die ganze Welt fest im Griff. Luxemburg mit seinen knapp 600.000 Einwohnern und täglich über 200.000 Pendlern wurde erwartungsgemäß nicht verschont. Die Anzahl der Infektionen steigt bis dato täglich.

Die derzeitige Situation ist eine außerordentliche Zeit, die es so noch nicht gab. Einige sagen: „Ein Wink, sich vielleicht auf das Wichtigste zu konzentrieren und den Schwerpunkt des Lebens zurückzufinden …

Wildgen S.A. steht ihren Kunden selbstverständlich auch in dieser Situation mit Rat und Tat zur Seite und wird im Folgenden einen kleinen zusammenfassenden Einblick in die rechtlichen Bereiche geben, welche durch den Coronavirus betroffen sind. Diese beschränken sich auf einen allgemein rechtlichen Überblick und decken keine Sachfragen als solche ab.

Prinzip der Freizügigkeit

Durch die Schließung einiger innereuropäischer Grenzen wurde eines der europäischen Grundrechte aufgehoben und ein Zustand hergestellt, den viele Menschen nie kennengelernt haben – bis dato. Luxemburg ist hiervon besonders betroffen; kaum ein anderes Land in Europa ist so abhängig von seinen Pendlern, die in beträchtlichem Umfang zur hiesigen Wirtschaftsleistung beitragen. Es darf nicht vergessen werden und wir erlauben uns an dieser Stelle hieran zu erinnern, dass es in vielen Fällen hoch qualifizierte Arbeitskräfte sind, die im Rechtsdienstleistungs-, dem Banken- und/oder Versicherungssektor, aber auch im Bereich der medizinischen Versorgung, arbeiten und unmittelbar von den Grenzschließungen betroffen sind.

Aufgrund dieser besonderen Abhängigkeit hatte die luxemburgische Regierung sehr früh schon, am 15. März, ein Formular zur Verfügung gestellt, welches durch den Arbeitgeber auszufüllen und durch diesen und den Arbeitnehmer zu unterschreiben war, mit welchem es fortan Pendlern ermöglicht wurde, die Grenze, wo geschlossen, berechtigterweise zu überqueren. Dieses Formular ist nach wie vor gültig. Allerdings hat die Bundespolizei im Anschluss eine Bescheinigung spezifisch für Berufspendler erstellt, deren Verwendung wir anraten – sofern Sie denn tatsächlich nach Luxemburg müssen.

Ferner: Seit dem 18. März nun befindet sich Luxemburg im Ausnahmezustand (zunächst für zehn Tage), die Verlängerung auf die maximal mögliche Dauer von drei Monaten erfolgte aber am 22. März 2020. Unter Legilux.lu können Sie von der konsolidierten Fassung der Großherzoglichen Verordnung vom 18. März 2020 über die Einführung einer Reihe an Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus Kenntnis nehmen. Zwei dieser Maßnahmen sind die sog. Ausgangssperre sowie die Schließung kommerzieller Geschäfte wie z.B. Frisöre, Restaurants und Cafés etc.

Auch in Deutschland wurden weitreichende, die Grundrechte einschränkende, Maßnahmen verabschiedet. Am 22. März 2020 trafen die Bundeskanzlerin und die Regierungscheffinnen und Regierungschefs der Länder aufgrund des Coronavirus für eine Dauer von zunächst zwei Wochen die auf der Homepage der Bundesregierung aufgelisteten Maßnahmen. Im Gegensatz zu Luxemburg wurde in Deutschland nur eine sog. Kontaktsperre angeordnet, effektiv seit dem 23. März 2020.

Arbeitsrecht

  • Kurzarbeit

Die luxemburgische Regierung hat am 18. März 2020 ein beschleunigtes Verfahren für besonders betroffene Unternehmen zur Anmeldung der Kurzarbeit eingeführt. Antragsberechtigt für das beschleunigte Verfahren sind Unternehmen, die besonders stark unter den neuen Maßnahmen leiden.

Die luxemburgische Arbeitsagentur (Agence pour le développement de l emploi, ADEM) hält auf Ihrer Homepage weitere Informationen online bereit. Die Rückerstattung ist auf 80% des normalen Gehalts und bis zu einem Höchstbetrag von 250% des sozialen Mindestlohns für nicht qualifizierte Mitarbeiter (d.h. 2.141,99 EUR x 2,5) begrenzt und wird bei Anspruchsberechtigung rückwirkend gewährt.

  • Urlaub aus familiären Gründen

Weiterhin: Für die in Luxemburg Beschäftigten (einschließlich der Grenzgänger) besteht die Möglichkeit des Urlaubs aus familiären Gründen aufgrund des Coronavirus. Antragsberechtigt sind Eltern, die sich um die Betreuung ihrer eigenen, unter 13-jährigen Kinder kümmern müssen, sofern keine andere Betreuungsmöglichkeit besteht. Eine andere Betreuungsmöglichkeit dürfte in vielen Fällen nicht bestehen, da die Schulen sowohl in Luxemburg als auch in Deutschland mindestens bis zum 19. April geschlossen sein werden und Großeltern zur Risikogruppe gehören.

Der Antrag wird mittels eines Formulars, welches an den Arbeitgeber und die Nationale Gesundheitskasse (Caisse nationale de santé, CNS ) zu richten ist, gestellt und kann unter Guichet.public.lu heruntergeladen werden.

Wichtig zu wissen ist zum Beispiel, dass Elternteile sich abwechseln oder die Termine auf dem Antrag offen gelassen werden können (aufgrund der verlängerten Schulschließungen), dass das Antragsformular gegenüber dem Arbeitgeber und der CNS als ärztliches Attest gilt und dass der Antrag nicht vom Arbeitgeber abgelehnt werden darf.

Regulatorische Bereiche

  • CSSF – Das Wesentliche

Die Luxemburgische Aufsichtsbehörde für den Finanzsektor (Commission de Surveillance du Secteur Financie, CSSF) hat relativ früh, bereits per Mitteilung vom 02. März 2020, klargestellt, dass Unternehmen die zum Schutz ihrer Mitarbeiter notwendigen Sicherheitsmaßnahmen einleiten müssen. Hierzu zählt, sofern notwendig, die Aktivierung ihrer Geschäftsfortführungspläne (BCP). Auch ist Home Office unter entsprechenden IT-Sicherheitsbedingungen ohne Genehmigung durch die CSSF möglich. In den fortlaufend aktualisierten Coronavirus-FAQ stellt die CSSF ferner klar, was unter den Minimum IT-Sicherheitsbedingungen im Rahmen von Home Office zu verstehen ist.

Dann, am 17. März 2020, mit der Anerkennung des Coronavirus als Pandemie durch die WHO und der fast zeitgleichen Ausrufung des Ausnahmezustandes in Luxemburg, hat die CSSF mitgeteilt, dass sie trotz der Umstände nach wie vor operativ tätig, für den Publikumsverkehr jedoch geschlossen ist. Die Kommunikation mit der CSSF hat für sämtliche bei ihr registrierten Unternehmen mittels des eDesks zu erfolgen. Für alle anderen besteht die Möglichkeit zur Kommunikation via E-Mail oder auf postalischem Wege. Auch steht die CSSF für Telefon- und Videokonferenzen zur Verfügung. Des Weiteren teilte die CSSF mit, dass die ausgehenden Schriftstücke keine handschriftliche Unterschrift vorweisen werden und aufgrund der zunehmenden Betrugsfälle überprüft werden sollten, z.B. ob E-Mails von der cssf.lu-Domain stammen. Die Originalversion dieser Mitteilung steht Ihnen unter CSSF.lu zur Verfügung.

Zeitgleich am 17. März 2020 veröffentlichte die CSSF ebenfalls ein Rundschreiben, in dem sie mitteilt, dass die Frist für die Einreichung der Antworten im Rahmen der AML/CFT-Umfrage um vier Wochen verlängert wurde. Das Fristende ist nunmehr der 10. April (statt dem 15. März).

Die CSSF hat dann ferner am 20. März 2020 infolge einer Vielzahl an Anfragen ihre FAQs zum „Swing Pricing von Investmentfonds“ aktualisiert. In Kurz: die CSSF erlaubt die zeitweilige Erhöhung des Swing-Faktors hinter der im Prospekt erlaubten Grenzen, sofern dies im Interesse der Investoren ist; die Dokumente müssen erst zu gegebener Zeit angepasst werden; die CSSF wie auch die Investoren müssen in begründeter Form informiert werden.

Zuletzt dann am 22. März 2020 hat die CSSF eine weitere Kommunikation herausgegeben, in der sie jedes registrierte Unternehmen zwingend auffordert, ihren organisatorischen Aufbau umgehend dem Aufruf der Regierung – STAY AT HOME – durch Maximierung des Home Office anzupassen.

  • EU – Das Wesentliche

Bereits am 11. März 2020 hat auch die ESMA ihre Empfehlungen an die Finanzmarktteilnehmer im Rahmen des Coronavirus veröffentlicht. In Kurz: die jeweiligen BCP sollen soweit wie möglich in Einklang mit den gesetzlichen Verpflichtungen gebracht werden; relevante Informationen nach der Marktmissbrauchsverordnung sollen bedacht und das Risikomanagement von Seiten der Vermögensverwalter nicht vernachlässigt werden.

Am 12. März 2020 hat dann die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) eine Erklärung zu Maßnahmen zur Milderung der Auswirkungen des Coronavirus’ auf den EU-Bankensektor veröffentlicht, wonach die zuständigen Behörden im Rahmen des Möglichen und der bestehenden Vorschriften von dem ihnen eingeräumten Ermessen maximalen Gebrauch machen.

Die ESMA hat weiterhin am 19. März 2020 verlängerte Berichtsfristen unter SFTR und MiFIR bekannt gegeben sowie am 20. März 2020 Klarstellungen im Zusammenhang mit der Anwendung der MiFID II-Anforderungen an die Aufzeichnung von Telefongesprächen veröffentlicht. Letztere stehen Ihnen unter ESMA.Europa.eu zur Verfügung. Hier wird angeraten, die Aufzeichnung von Telefongesprächen aufgrund des verbreiteten Home Offices auch auf Mobilgeräte auszuweiten, oder auf andere Mittel einer Aufzeichnung zurückzugreifen.

  • Handelsrecht

Von besonderer Bedeutung ist hier die Großherzogliche Verordnung vom 20. März 2020 über die Einführung von Maßnahmen betreffend die Abhaltung von Sitzungen in Gesellschaften und anderen juristischen Personen. In dieser wird unter anderem bestimmt, dass die Gesellschaften, ungeachtet ihrer Satzungsbestimmungen, Haupt- bzw. Gesellschafterversammlungen ohne physische Zusammenkunft abhalten können und ihren Gesellschaftern bzw. Aktionären vorschreiben können, mittels eines durch die Gesellschaft benannten Vertreters, einer Videokonferenz oder einem ähnlichen Kommunikationsmittel oder auch per Briefwahl (auch auf elektronischem Wege) an der Versammlung teilzunehmen. Auch können, ungeachtet der Satzungsbestimmungen, sämtliche Organe der Gesellschaften ohne physische Zusammenkunft Versammlungen abhalten (Videokonferenz oder ähnliche Kommunikationsmittel oder Umlaufbeschlüsse).

Das Luxembourg Business Register (LBR), dessen Kundendienste in Luxemburg-Stadt und Diekirch bis zum 31. März 2020 vorerst geschlossen haben und nur noch online funktionieren, hat ferner mitgeteilt, dass aufgrund der derzeitigen Umstände den Unternehmen vier zusätzliche Monate für die Hinterlegung ihrer Jahresabschlüsse für 2019 eingeräumt werden.

  • Steuerrecht im deutschen Umfeld – Die 19-Tage-Regelung

Nach der derzeit geltenden Gesetzeslage ist es deutschen Berufspendlern gestattet, 19 Tage im Jahr im Home Office zu arbeiten, ohne dass sich hierdurch etwas an ihrer luxemburgischen Steuerpflicht ändert. Auf Grund der Coronakrise werden in den nächsten Wochen viele der Pendler diese 19 Tage zweifelsfrei überschreiten, so dass eine zusätzliche Versteuerung in Deutschland droht. Luxemburg hat sich bereits mit Frankreich und Belgien verständigt, so dass eine Verständigung mit Deutschland wohl in Kürze getroffen werden dürfte. Es ist davon auszugehen, dass die im Home Office geleistete Arbeit der deutschen Pendler während der Coronakrise unberücksichtigt bleibt. Jedoch, per heute, gibt es noch kein deutsches Zugeständnis in diesem Sinne. 

Aufgrund des dynamischen Charakters des Coronavirus‘ als Infektionskrankheit können wir ferner nicht garantieren, dass die vorliegenden Informationen immer auf dem neuesten Stand sind. Gerne aber werden wir versuchen, Sie fortlaufend über etwaige Aktualisierungen und/oder Neuerungen auf dem Laufenden zu halten. Für weitere Informationen stehen wir, der German Desk von Wildgen S.A., geleitet von Rechtsanwältin Mevlüde Aysun Tokbag (mtokbag@wildgen.lu), Ihnen gerne zur Verfügung.

Unter „COVID-19 Toolkit“ steht Ihnen auch unser neues Toolkit zur Verfügung. Wir haben eine eigens E-Mail-Helpline eingerichtet, um Ihnen alle Ihre Fragen zu beantworten. Sie erreichen uns über covid19@wildgen.lu.

 

27. März 2020

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Autor

Mevlüde-Aysun Tokbag

Mevlüde-Aysun Tokbag ist Partnerin & Rechtsanwältin bei Wildgen S.A. und hat mehr als 10 Jahre Erfahrung im Fonds- sowie Finanzmarktrecht, überwiegend im grenzüberschreitenden Deutsch-Luxemburgischen Rechtsverkehr. Seit 2015 leitet Frau Tokbag auch den kanzleiintern neu gegründeten German Desk und betreut mit ihrem Team, bestehend aus mehreren Rechtsanwälten, vorwiegend deutsche Unternehmen, Versicherungsgesellschaften sowie Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute in ihren luxemburgischen Projekten.

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