Zeit für Kunden & Portfoliomanagement und nicht überbordende Bürokratie
Wann hört dieser Dokumentationswahn endlich auf? Unabhängige Vermögensverwalter brauchen endlich wieder Zeit für ihre Kunden sowie das Portfoliomanagement und nicht für diesen europäisch übergestülpten, überbordenden Bürokratismus! Viele Gesetze, Vorgaben und Antwortschreiben der Aufsicht sind „Dank“ der unzähligen Verweise auf irgendwelche europäischen Richtlinien etc. selbst für Fachleute nicht mehr vernünftig lesbar, geschweige denn aufgrund der oben zitierten offenen Fragen rechtssicher umsetzbar.
Anleger & Vermögensverwalter sind erwachsen & mündig
Es gilt, die Grundsätze Proportionalität und Subsidiarität zu leben. Sowohl die Anleger als auch die Vermögensverwalter sind erwachsene und mündige Bürger! Mandant und Dienstleister sollten zum Beispiel gemeinsam selbst entscheiden dürfen, ob ein Gespräch protokolliert oder aufgezeichnet wird und es dem Kunden überlassen, welche Daten er wann preisgeben möchte. Sofern nachvollziehbare Mindeststandards eingehalten werden, sollte der Unternehmer selbst entscheiden dürfen, wann und wie er zum Beispiel die Geschäftsführung erweitert, ob er sein Eigenkapital verändert, wann und aus welchem Anlass er Mitarbeiterkredite zur Mitarbeiterbindung einsetzt und nicht jedes Mal die Aufsicht um Zustimmung bitten müssen.
Der erwachsene und mündige Unternehmer wurde verständlicherweise im Rahmen seiner Gründung einer Vermögensverwaltung schon umfassend geprüft. Dies gilt sowohl für seine fachliche Eignung als auch seine persönliche Zuverlässigkeit und das notwendige Eigenkapital. Im Weiteren liegt eine ebenfalls eingängige, fortlaufende Überwachung alleine schon durch die Monatsausweise an die Aufsicht und insbesondere die Jahresabschlussprüfung sowie die regelmäßigen Prüfungen der Einhaltung der Meldepflichten und Verhaltensregeln gemäß Wertpapierhandelsgesetz vor.
Dokumentationspflichten überfordern schon heute Dienstleister & Kunden
Ein Privatanleger, welcher heute eine Vermögensverwaltung in Anspruch nehmen möchte, muss in der Regel eine zweistellige Anzahl an Formularen lesen, verstehen und unterzeichnen – und ständig kommen weitere Vorschriften hinzu. Unabhängig von den Formularen für den Anleger sprechen wir auf Seiten des Vermögensverwalters beispielsweise von Organisationshandbüchern, die mehrere Hundert Gliederungsunterpunkte enthalten und viele Ordner umfassen, einer Vielzahl zu erstellender Berichte rund um Compliance, Interne Revision, Geldwäsche, Beschwerdemanagement und Datenschutz. Zudem gilt es, das Mitarbeiter- sowie Beschwerderegister zu führen, Vergütungsgrundsätze und -verfahren zu dokumentieren sowie offen zu legen, Monatsausweise zu erstellen, das Zuwendungs- sowie das Zuwendungsverwendungsverzeichnis zu pflegen. Nicht zu vergessen die gegebenenfalls zu erstellenden Beratungsprotokolle sowie die auszuhändigenden Produktinformationsblätter (PIB) bzw. Key Information Document (KID) bzw. Packaged Retail and Insurance-Based Investment Products (PRIIPs) sowie die Durchführung und Dokumentation der Geeignetheits- bzw. Angemessenheitsprüfung.
Jetzt kommt MiFID II noch zusätzlich
Dies ist die Welt unter MiFID I – nun kommt MiFID II zusätzlich mit beispielsweise schriftlichem Sachkundenachweis inkl. jährlich zu dokumentierender Überprüfung für die Mitarbeitenden, Gesprächsaufzeichnung im Zusammenhang mit der Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenorders, Produkt Governance für jedes einzelne Finanzmarktinstrument, Zielmarktbestimmung und Produktfreigabeverfahren. Außerdem noch detailliertere Kostenaufstellungen, schriftliche Dokumentation für jede Transaktion und jeden Mandanten, so dass alle im Berichtszeitraum getätigten Geschäfte im Einklang mit den vereinbarten Anlagerichtlinien stehen etc.
Strukturen im Einklang mit der Unternehmensgröße
Die BaFin sieht bereits Banken mit einer Bilanzsumme von 1,5 Mrd. als sehr klein an und Herr Raimund Röseler, BaFin-Exekutivdirektor, äußert zudem im BaFin-Journal April 2017, dass diese Grenze aus Sicht der BaFin zu gering ist. Der typische deutsche unabhängige Vermögensverwalter ist aber im Durschnitt nochmals um den Faktor 1.000 (!) kleiner, also nur ein Tausendstel von „sehr klein“, sprich eigentlich nicht mehr wahrnehmbar – oder in der Sprache der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) ein „Nano“. Dank dieser Unternehmensgröße – oder besser gesagt Unternehmenskleinheit – kennt der überprüfte und fortlaufend überwachte Unternehmer doch ohnehin seine Mitarbeitenden, seine wesentlichen Mandanten sowie das gesamte Unternehmen bestens. 80% der Mitglieder des Verbandes unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e. V. (VuV) beschäftigen rund 5 bis 20 Mitarbeitende.
Dies sollte dann bitte auch tatsächlich bei den geforderten Strukturen und Dokumentationspflichten berücksichtigt werden! Dank eines Compliance-Beauftragten und jährlicher Prüfung durch den Wirtschaftsprüfer sollte beispielsweise auf die zusätzliche Interne Revisionsstelle verzichtet werden können. Gleiches gilt für den geforderten IT-Beauftragten. Auch die gesamten Auflagen für das Organisationshandbuch gehören signifikant ausgedünnt. Ähnliches gilt für die Dokumentation rund um das Beschwerde- sowie Risikomanagement. Auch könnte bei diesen kleinen Unternehmenseinheiten auf die Meldungen an das Mitarbeiter- und Beschwerderegister sowie die Veröffentlichung der Vergütungsgrundsätze verzichtet werden. Die gewünschten Informationen kann der Wirtschaftsprüfer problemlos jährlich mit ausweisen und testieren.
Es gilt, die in den jüngsten Interviews gezeigte Handreichung der BaFin zu mehr Berücksichtigung der Proportionalität auch in der Praxis einzufordern und nur Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte zu beauftragen, welche auch den Mut haben, die Themen Proportionalität und Subsidiarität klar zu vertreten.
Privatanleger erhalten kaum noch individuelle Betreuung
Die Eintrittshürden für eine individuelle Betreuung liegen mittlerweile so hoch, dass Privatanleger zunehmend aus dem Kreise der Zielkunden herausfallen. Nur etwa 2% der Bevölkerung kommen noch in den Genuss einer unabhängigen und zielorientierten Beratung und Vermögensverwaltung. Die Anzahl der Honoraranlageberater ist mit knapp 20 und die der Finanzportfolioverwalter mit rund 500 auf das historisch niedrigste Niveau gefallen. Parallel hierzu schießt die Zahl der nur der Institutsaufsicht unterliegenden vertraglich gebundenen Vermittler mit nunmehr über 30.000 weiter in die Höhe – da diese verständlicherweise diesem Bürokratie-Wahnsinn soweit möglich ausweichen. Das neue Regelwerk MiFID II wird den Rückgang der Anlageberatung und der Anzahl der unabhängigen Vermögensverwalter weiter verschärfen sowie die Mindestanlagesummen für die individuelle Betreuung und deren Kosten weiter nach oben setzen. Das kann nicht im Sinne des Anlegers und somit eigentlich auch nicht das Ziel der Politik und Aufsicht sein!
So darf es nicht weitergehen
Im Sinne der Anleger, der Aufsicht und der Finanzdienstleister sollte einerseits die ökonomische (Schul-)Bildung der Anleger verbessert werden und andererseits müssen praktikable, wirtschaftlich vertretbare Lösungen und Standards definiert werden, damit der Bürokratie-Wahnsinn ein Ende hat!
18. Oktober 2017
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Andreas Grünewald
Andreas Grünewald, Jahrgang 1968, Gründer und Vorstand der Münchner Vermögensverwaltung FIVV AG, befasste sich schon während seines Studiums zum Diplom-Kaufmann schwerpunktmäßig mit den Themen Kapitalmarktforschung und Finanzierung. Bereits als Student initiierte er mit 21 Jahren den Münchner Investment Club (MIC) und entwickelte diesen zu einer der größten und erfolgreichsten Anlegergemeinschaften in Deutschland. Im Anschluss an seine Tätigkeit als Wertpapieranalyst bei einer namhaften Privatbank gründete er im Jahre 1999 die FIVV AG. Die unabhängige Vermögensverwaltung betreut Privat- und Unternehmerkunden, institutionelle Anleger und Stiftungen in ganz Deutschland. Darüber hinaus gehört Andreas Grünewald seit 2005 dem Vorstand des Verbandes unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e. V. (VuV) an, dessen Vorsitzender er seit April 2014 ist. Er ist regelmäßig zu Gast bei Diskussionsforen und Universitäten sowie ein gefragter Interviewpartner in den Medien.