Ausgangslage
Das Ziel der OGAW-Richtlinie[3] war es, die nationalen Rechts- sowie Verwaltungsvorschriften betreffend OGAW zu koordinieren, um eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen Organismen auf Gemeinschaftsebene zu erreichen und gleichzeitig einen wirksameren und einheitlicheren Schutz der Anteilsinhaber sicherzustellen. In dieser Hinsicht sollten für die in den Mitgliedstaaten niedergelassenen OGAW gemeinsame Mindestregelungen für die Zulassung, Aufsicht, Struktur, Geschäftstätigkeit sowie hinsichtlich der zu veröffentlichenden Informationen festgelegt werden.
Diese Richtlinie wurde seitdem mehrfach abgeändert oder sogar ersetzt, ohne dass die grundsätzliche Zielsetzung aufgegeben wurde. Die letzte Änderung erfolgte durch die OGAW V-Richtlinie[4], deren Hauptziel die Vereinheitlichung der Aufgaben und des Haftungsregimes von OGAW-Verwahrstellen sowie der Vergütungs- und Sanktionsregelungen in der Europäischen Union – auch im Hinblick auf die entsprechenden Regelungen in der AIFM-Richtlinie[5] – war. Die OGAW V-Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 18. März 2016 abgelaufen ist, wurde beispielsweise in Deutschland mit Wirkung zum vorgenannten Tag und in Luxemburg mit Wirkung zum 1. Juni 2016 in nationales Recht umgesetzt.
„Auch wenn der Zeitpunkt und der genaue Inhalt noch nicht absehbar sind, wird sich die Fondsbranche früher oder später auf eine OGAW VI-Richtlinie einstellen müssen. Dies kann insbesondere ein Passporting für Verwahrstellen betreffen.“
Eine mögliche OGAW VI-Richtlinie
Seit der Veröffentlichung der OGAW V-Richtlinie stellt sich die Frage, wann eine OGAW VI-Richtlinie in Kraft treten und welche Regelungen darin aufgenommen werden könnten. Basis der Diskussionen dafür ist ein Konsultationspapier der Europäischen Kommission[6], das kurz nach der Ausarbeitung der OGAW V-Richtlinie veröffentlicht wurde.
Das Konsultationspapier umfasst acht verschiedene Themenbereiche, die durch etwaige neue Regelungen klarer abgesteckt werden und somit dem Anleger mehr Schutz und Sicherheit bieten sollen.
Die Themenbereiche des Konsultationspapiers
Die folgenden acht Themenbereiche wurden durch das Konsultationspapier abgedeckt:
• Vermögensgegenstände und der Gebrauch von Derivaten
Dieser Themenbereich zielt auf die Überprüfung der für OGAW festgelten, zulässigen Vermögenswerte und den Gebrauch von Derivaten. Insbesondere der Umfang der zulässigen Derivate sowie die Verwendung von Derivaten soll im Allgemeinen auf solche beschränkt werden, welche auf multilateraler Ebene gehandelt werden. Anlass hierfür ist die Beobachtung, dass OGAW immer risikoreicher agieren. Außerdem sollen die Praktiken im Rahmen des Portfoliomanagements besser beurteilt werden können.
• Techniken und Instrumente zur effizienten Portfolioverwaltung
OGAW greifen auf bestimmte Techniken zurück, um ein effizientes Portfoliomanagement zu gewährleisten. Diese berücksichtigten unter anderem die Risikominderung, die Kostensenkung und die Generierung von zusätzlichem Kapital oder Erträgen für den OGAW. Jedoch sind in letzter Zeit immer mehr Fragen bezüglich der Transparenz, dem Risiko für Gegenparteien und der Qualität der Sicherheiten in Bezug auf die Techniken der OGAW aufgekommen. Die Kommission wollte anhand des Konsultationspapieres herausfinden, ob ein Bedarf besteht, verschiedene Kriterien, wie zum Beispiel die Liquidität und das Wiederverwenden von erworbenen Sicherheiten, genauer zu definieren.
• OTC-Derivate
Zu untersuchen ist nach dem Konsultationspapier insbesondere die künftige Behandlung von OTC-Derivaten und die Beurteilung der aktuellen Struktur, insbesondere im Hinblick auf operationelle Risiken und Interessenkonflikte sowie die Häufigkeit der Berechnung des Gegenparteirisikos, das aktuell von OGAW nicht täglich zu berechnen ist.
• Regeln für das Liquiditätsmanagement
In der Finanzkrise sind bei einigen OGAW Liquiditätsprobleme aufgetreten, weshalb die Kommission hinterfragen wollte, ob das Liquiditätsmanagement eines OGAW genauer geregelt werden muss. Bislang bestehen nur Regelungen über das vorübergehende Aussetzen der Rücknahme von Anteilen. Dies könnte unter anderem durch die zwingende Einführung sogenannter „side-pockets“ (Abspaltung von illiquiden Anlagen bei gleichzeitiger Aussetzung des Rechts der Anleger auf Rückzahlungen für diesen abgespaltenen Teil) geschehen.
• Passporting für Verwahrstellen
Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine Regelungen für ein Passporting für OGAW-Verwahrstellen. Die Kommission versucht nun anhand des Konsultationspapieres herauszufinden, ob ein solches Passporting auf europäischer Ebene gewünscht oder sogar erforderlich wäre und welche grenzüberschreitenden aufsichtsrechtlichen Auswirkungen dies hätte.
• Geldmarktfonds
Besonderes Augenmerk wurde in dem Konsultationspapier auf die verschiedenen Arten von Geldmarktfonds gelegt. In diesem Zusammenhang kommt die Frage auf, ob eine Differenzierung der verschiedenen Geldmarktfonds erforderlich ist. Außerdem sollen die Bewertung, mögliche Liquiditätsrisiken und Investmentkriterien sowie das Rating von Geldmarktfonds und deren Vermögensgegenstände näher untersucht werden. Ein Thema ist auch die Stabilität eines Geldmarktfonds im Falle einer hohen Anzahl von Rücknahmen.
• Langfristige Anlagen
Im Konsultationspapier legt die Kommission großen Wert darauf, hervorzuheben, dass langfristige Anlagen einen bedeutenden Faktor für die Wachstumsförderung in verschiedenen Kernbereichen, wie etwa dem Energiesektor, darstellen. In diesem Zusammenhang versuchte die Kommission unter anderem herauszufinden, welche Möglichkeiten eines Investments in langfristige Anlagen nicht-professionelle Anleger haben und ob hier eine Änderung der OGAW-Richtlinie die beste Herangehensweise darstellen würde oder eine sogenannte „Stand-Alone-Initiative“ die bessere Variante wäre.
• Neuerungen bezüglich OGAW IV-Richtlinie[7]
Unter dieser Überschrift hinterfragt die Kommission, inwiefern die Regelungen unter der OGAW IV-Richtlinie angepasst werden sollen, insbesondere in Bezug auf selbstverwaltende Investmentgesellschaften, Master-Feeder Strukturen, Fondszusammenschlüsse, Benachrichtigungsverfahren und die Angleichung an die AIFM-Richtlinie.
Aktueller Stand und Fazit
Seit dem Ende der Konsultationsphase sind in Bezug auf eine Ausarbeitung einer OGAW VI-Richtlinie keine wesentlichen Fortschritte mehr zu beobachten. Grund hierfür ist unter anderem, dass die Kommission es sich zuerst zur Aufgabe gemacht hat, die Umsetzung der OGAW V-Richtlinie sicherzustellen. Die Umsetzungsfrist ist nun aber – wie oben erwähnt – bereits abgelaufen und die Umsetzung – soweit ersichtlich – zwar nicht in allen, aber vielen Mitgliedstaaten, wie eben Deutschland und Luxemburg, bereits erfolgt. Daneben wurden punktuell auch durch das Konsultationspapier abgedeckte Bereiche schon an anderer Stelle aufgegriffen, wie etwa durch einen Vorschlag der Kommission für eine neue Verordnung zu Geldmarktfonds. Es ist aber wahrscheinlich, dass die Arbeit an einer OGAW VI-Richtlinie insbesondere in Bezug auf die oben genannten, noch offenen Punkte zeitnah wieder aufgenommen wird. Marktteilnehmer sollten dies genau beobachten. Besonders interessant wäre, wenn ein Passporting für Verwahrstellen geschaffen werden würde.
12. Dezember 2016
[1] Organismus/-en für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren („OGAW“ bzw. „UCITS“ für undertaking(s) for collective investment in transferable securities).
[2] Eine weitere Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren („OGAW VI-Richtlinie“).
[3] Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren („OGAW-Richtlinie“).
[4] Richtlinie 2014/91/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Änderung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Hinblick auf die Aufgaben der Verwahrstelle, die Vergütungspolitik und Sanktionen
[5] Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds („AIFM-Richtlinie“).
[6] Konsultationspapier der Europäischen Kommission vom 26. Juli 2012 betreffend Produktregelungen, Liquiditätsmanagement, Verwahrung, Geldmarktfonds sowie langfristigen Anlagen („Konsultationspapier“).
[7] Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren („OGAW IV-Richtlinie“).
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Mevlüde-Aysun Tokbag
Mevlüde-Aysun Tokbag ist Partnerin & Rechtsanwältin bei Wildgen S.A. und hat mehr als 10 Jahre Erfahrung im Fonds- sowie Finanzmarktrecht, überwiegend im grenzüberschreitenden Deutsch-Luxemburgischen Rechtsverkehr. Seit 2015 leitet Frau Tokbag auch den kanzleiintern neu gegründeten German Desk und betreut mit ihrem Team, bestehend aus mehreren Rechtsanwälten, vorwiegend deutsche Unternehmen, Versicherungsgesellschaften sowie Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute in ihren luxemburgischen Projekten.