„I wanna make my money matter“

Warum Eigenständigkeit und Individualität für Anleger immer wichtiger werden und was das für Asset Manager bedeutet

Das Thema Nachhaltigkeit rückt immer mehr in den Fokus vieler Anleger und damit auch der Wunsch in Produkte zu investieren, die diesem Wertebild entsprechen. Das in Luxemburg ansässige Unternehmen invesTRe steht für den Kontakt zu einer neuen Generation von (Klein-)Anlegern und möchte durch die Entwicklung ihrer App den Kauf und Verkauf digitaler, nachhaltiger Investmentfonds gleich bei der ersten Anwendung zu einer positiven Erfahrung werden lassen. Mit dem Schwerpunkt auf Fonds, die die sogenannten OGAW-Richtlinien erfüllen, hat invesTRe sich zum Ziel gesetzt, allen Anlegern eine einfache Möglichkeit zu bieten, ihr Geld entsprechend ihrer ethischen Vorstellungen zu investieren. Wie anspruchsvoll die Anforderungen an den Fondsmarkt sind und welche Motivation hinter der Entwicklung der On-Chain-Plattform für Investmentfonds liegt, erklärt Georges Bock, Gründer und CEO von invesTRe exklusiv auf FONDSTRENDS.LU. 

 

FONDSTRENDS.LU: Herr Bock, bitte erläutern Sie unseren Lesern etwas genauer:
Was ist die Motivation hinter Investre?

Georges Bock: Wir setzen mit unserer Idee im Grunde genommen daran an, dass 2018
etwa allein 9,4 Trillionen Euro in Europa auf den Konten privater Haushalte lagen und von der Inflation aufgefressen wurden. Aktuell noch mehr denn je.

In der EU halten Anleger im Schnitt 34 % ihres Finanzvermögens auf Sicht- oder Sparkonten. In den USA beispielsweise sind es 17 %, also grob gesehen die Hälfte. In anderen europäischen Ländern wie z.B. in den Niederlanden sind ähnliche Zahlen zu vermerken. Da stellt sich die Frage, warum das so ist. Für uns spielen drei Faktoren eine wesentliche Rolle:
Für viele ist das Thema Investieren generell zu kompliziert und zu komplex sowie zu teuer. Und was ganz relevant ist: Das Vertrauen ist nicht oder wenig vorhanden.

Auf der anderen Seite spürt man aber auch, dass sich die Welt im Wandel befindet. Grundlegende Fragen dieser Zeit wie „Haben wir den Planeten nicht womöglich zu stark strapaziert“ und das Thema Nachhaltigkeit spielen eine wichtige Rolle. Zudem werden Stimmen laut, die sagen, der Kapitalismus sei überlebt. Ich bin der Überzeugung, dass dies nicht der Fall ist und dass der Kapitalismus allein auch kein Problem darstellt, sondern Teil der Lösung sein sollte, wie wir in Zukunft mit unserer Umwelt und unseren Finanzen agieren. Man muss den Leuten die Möglichkeit geben, ihre Finanzen anders zu bewerten oder einzuschätzen als bisher – mehr nach dem Motto „I wanna make my money matter– ich entscheide wofür mein Geld genutzt wird.“

Die Zeiten sind meiner Meinung nach vorbei, in denen wir zur Bank gehen, dort unser Geld ablegen und uns nicht weiter damit beschäftigten. Der Punkt, dass es keine Zinsen mehr gibt, hat dies verstärkt, aber ein sehr großer Teil der Anleger möchte mittlerweile sehr viel mehr selbst entscheiden. Mit unserer Plattform möchten wir den Menschen genau diese Möglichkeit bieten. Die Anleger sollen verstehen, was sie tun, Vertrauen haben in das was sie machen und natürlich selbst entscheiden, was sie tun wollen.

FONDSTRENDS.LU: Für wen ist die App also konzipiert?

Georges Bock: Die Plattform ist hauptsächlich für zwei Players entwickelt: die Asset Manager und die Retailkunden. Warum die Asset Manager? Zurzeit vertreiben diese ihre Fondsprodukte auf klassischem Finanzwege, dahingehend macht sich aber schon länger eine Veränderung bemerkbar, die diesen klassischen Finanzweg verdrängt. Da sind beispielsweise Neo-Broker, die immer mehr aufkommen. Alle aktivgemanagten Fonds sind dort noch nicht vertreten. Im Bereich Aktiv-Management haben Asset Manager aktuell Schwierigkeiten, die neu entstandenen, aber auch bestehenden Zielgruppen, auf digitalem Wege zu erreichen. Hier soll unsere Plattform ansetzen und als Bindeglied zwischen den Retailkunden, die selbstständig und nachhaltig investieren möchten, und den Asset Managern fungieren.

Unser Konzept funktioniert nach dem Grundsatz „Disinterdemination by Design“ und ermöglicht eine direkte Verbindung zwischen Asset Managern und Investoren, sowie die Ausführung von Transkationen zwischen Investoren.

Hinsichtlich der Zielgruppe (25 – 55 Jahre) lässt sich erkennen, dass diese immer jünger wird, bzw. ab 25 Jahren anfängt und generell immer mehr junge Anleger Erfahrungen beim Investieren sammeln. Des Weiteren soll die Plattform zur Referenz für Investoren werden, die an nachhaltigen Anlagen interessiert sind. Nutzen kann die Plattform also jeder, der – und das ist mit am wichtigsten – Vertrauen aufbauen kann und das ist eben von Generation zu Generation sehr verschieden. Wir möchten mit der App zudem bestimmte Vorurteile gegenüber Financial Services – die oft mit Attributen wie „langweilig“ und „zäh“ verbunden werden – aufräumen und Investieren generell einfacher und angenehmer gestalten.

FONDSTRENDS.LU: Wenn wir uns die aktuelle Marktsituation ansehen, scheinen Apps in diesem Bereich nur so aus dem Boden zu sprießen. Wie grenzt sich ihre App daher von anderen Apps ab und wie genau ist sie konzipiert?

Georges Bock: Unsere Plattform richtet sich an Anleger, die langfristig investieren möchten und sich zudem am regelmäßigen Austausch zu nachhaltigen Themen beteiligen möchten – das wollen wir mit dem Konzept des „Edutainment“ erreichen. Entertainment und Education werden miteinander verknüpft. Die Plattform ist demnach konzipiert in eine Social-Media-Plattform – ein sogenanntes LinkedIn für Investoren. Bei Bedarf haben Anleger auf ihrer Reise die Möglichkeit mit ihrer Peer Group zu kommunizieren, sich auszutauschen und natürlich auch von dieser zu lernen.

Zweiter Teil ist die eigentliche Plattform, bzw. der Marktplatz, an dem die Transaktionen stattfinden. In einer ersten Phase werden die Transaktionen zum Nettoinventarwert abgeschlossen. Hier wird konsequent auf die Blockchain-Technologie gesetzt. Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Apps werden die Nachhaltigkeit-Filterfunktionen darstellen. Dort können Anleger sehen, was angeboten wird, kaufen und natürlich auch verkaufen. Der Rückkauf wird ebenso auf dieser Plattform abgewickelt. In der zweiten Phase werden wir einen aktiven Marktplatz, ein Neo-Stockexchange eröffnen. Jeder Anleger wird sofort Zugang zum Marktplatz haben, bzw. ist Teil davon. Der Grundgedanke ist, dass wir uns nur auf die wirklich notwendigen Schritte konzentrieren und den Anlegern die optimalen Schritte bereitlegen. Es wird an diesem Marktplatz keine „intermediaries“ mehr geben und er wird den Privatanlegern vorbehalten sein. User der App handeln untereinander, der Marktplatz garantiert die Sicherheit der Abläufe.

Zudem wird unser Marktplatz nicht nur wochentags bis abends spät geöffnet sein, sondern in einer späteren Phase den Anlegern auch die Möglichkeit bieten, am Wochenende zu kaufen oder zu verkaufen. Da spielt das Thema Blockchain eine wesentliche Rolle.

FONDSTRENDS.LU: Können Sie uns mehr zum Blockchain der App erklären? Welche Vorteile gehen damit noch einher?

Georges Bock: Blockchain ist für uns aufgrund der Problematik des Double-Spending so interessant. Das Konzept Delivery vs. Payment wird durch die Blockchain neu definiert. Aktuell wird es so gehandhabt, dass alles zentralisiert und in große Transaktionsblöcke zusammengepackt wird. Zwischen den einzelnen Transaktionen sind weitere Akteure notwendig, die diese Transaktionen überwachen und prüfen. Blockchain ermöglicht im Grunde genommen durch seine Technologie und den Einsatz von Algorithmen, dass der Austausch sicher durch den Einsatz von Computern dezentral stattfinden kann – ohne, dass weitere Instanzen zentral Transaktionen prüfen müssen. Die kosteneffiziente Möglichkeit des Micro-Settlements ist die Kernidee der sogenannten DeFi-Plattformen. Nach Abschluss der Transaktion wird diese codiert und auf zahlreichen Computern eingeschrieben, sodass die vollständige Transaktion zahlreich belegt und vor allem gesichert ist.

Blockchain kann mit Hilfe des Smart Contracting seine volle Wirkung entfalten. Sie können heute ein Wertpapier in Programmiersprache juristisch verbindlich in ein Geschäft einbinden. Aktuell besteht dahingehend das Problem, dass noch kein digitaler Euro vorhanden ist. Man arbeitet an einer sogenannten „Central Bank Digital Currency“ – könnte aber meiner Meinung nach auch den bereits vorhandenen Euro in digitalen Codes juristisch verbindlich anbieten. Warum nicht den Banken die Möglichkeit geben, Geld, das auf den Konten liegt, zu digitalisieren? Das ist ein schwieriges Thema.

De facto ist die Blockchain-Technologie für die User aber unrelevant. Sie sind einzig und allein am Resultat interessiert: kostengünstig und einfach Investieren, wenn sie Zeit dazu haben und nicht nur zur normalen Geschäftszeit.

FONDSTRENDS.LU: Natürlich ist das Thema ESG relevant, folgt auf ihrer Plattform aber einem etwas anderen Ansatz als vielleicht vermutet. Was möchten Sie den potentiellen Nutzern ihrer App dazu mitgeben?

Georges Bock: Wie schon weiter oben angesprochen, ist das Bedürfnis der Nutzer, selbst zu entscheiden, wohin sie investieren und was ihr Geld bewirkt, enorm angestiegen. Gerade in Bezug auf das Thema ESG. Besonders erfolgreich werden daher meiner Meinung nach Plattformen werden, die Anleger selbst entscheiden lassen was für sie der Schwerpunkt in puncto Nachhaltigkeit ist und was nicht.

Wir gehen auf der Plattform so vor, dass wir den Anlegern nicht über die Attribute ESG die Fonds wählen lassen, sondern themenübergreifend. In der App können Anleger einerseits Fonds nach den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen, wie beispielsweise „Bezahlbare saubere Energie“ oder „Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion“ auswählen. Des Weiteren können Kunden auch die Suche verfeinern mit Ausschlusskriterien wie zum Beispiel dem Ausschluss von „Nuklear“ oder „Palmöl“-Investments in dem Fondsportfolio. In unseren Marktstudien wurde dieser Ansatz extrem geschätzt. Anleger haben die Möglichkeit nach unterschiedlichen Themen zu filtern – transparent vermittelt und nach eigenen Werten entscheidend.

FONDSTRENDS.LU: Mit der Offenlegungsverordnung letzten Jahres müssen nun auch sämtliche Informationen über nachhaltige Anlageprodukte bereitgestellt werden. Gibt es dahingehend Berührungspunkte mit ihrer Plattform?

Georges Bock: Die formellen Anforderungen der Offenlegungsverordnung berühren unsere Plattform nicht direkt, da wir in keiner Beraterfunktion agieren und Anleger auf unserer Plattform die Investmententscheidungen selbst treffen. Die Verantwortung des Beraters fällt bei uns weg – da sich Anleger eben nicht beraten lassen, sondern alle Informationen von uns bereitgestellt bekommen und sich selbst entscheiden.

Dennoch bleibt der Anspruch unseren Kunden die bestmöglichen Informationen zu geben, um ihnen ihre Anlageentscheidung nach transparenten und verlässlichen Nachhaltigkeitskriterien zu ermöglichen. Wir arbeiten dahingehend aktuell mit einem spezialisierten Serviceprovider zusammen, der das Spektrum an Fonds analysiert und aufbereitet. Dahingehend wollen wir in Zukunft auch mit weiteren Providern zusammenarbeiten und das Reporting beispielsweise rückwärts angehen und aufbereiten, wie viel CO2 pro Investition eingespart wurden.

FONDSTRENDS.LU: Die Zielgruppe, die Sie mit ihrer Plattform ansprechen möchten, spricht für eine neue Generation von Anlegern, die eigenständig agiert und individuellere Ansprüche stellt, als das noch vor einigen Jahren der Fall war. Welche Chancen und Risiken sehen Sie dahingehend zukünftig für Asset Manager?

Georges Bock: Asset Manager, gerade im aktiven Management, haben die Möglichkeit, wenn sie diese Entwicklung erkennen und die neue Zielgruppe auf dem Schirm haben – das aktive Asset Management neu zu erfinden. Index-ETFs liefern werteorientierten Investoren keine greifbaren und nachverfolgbaren Sachverhalte. Mit dem Listen auf unserer fokussierten Plattform bieten wir Asset Managern einen Weg diese Möglichkeiten wahrzunehmen.

FONDSTRENDS.LU: Georges Bock, wir danken Ihnen für das spannende Interview und wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft.

 

 

06. April 2022

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Autor

Georges Bock

Georges Bock ist Gründer und CEO der Investmentplattform InvesTRe. Zuvor war er mehr als 27 Jahre bei KPMG und dort von 2012 bis 2016 als Managing Partner tätig, wo er sich bereits stark mit den Themen Nachhaltigkeit und der Blockchain-Technologie auseinandersetzte. Zudem ist Bock seit 2018 Mitglied der Geschäftsleitung von Governance.com SA und agiert seit 2020 als Figur im Verwaltungsrat des Technologie- und Regulatorik-Providers Investify SA.

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