Grenzüberschreitender Vertrieb von Investmentfonds: Neue EU-Direktive und -Verordnung

Neue Vorgaben im Vertrieb Alternativer Fonds – Private Placement stärker unter Druck

Die neue Richtlinie (EU) 2019/1160 und die Verordnung (EU) 2019/1156 wurden am 12. Juli 2019 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und sind ab 2. August 2021 anzuwenden.

Die beiden Legislativakte sind Teil des Aktionsplans für eine Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission. Durch diese Richtlinie und die Verordnung werden bestimmte Vorschriften der UCITS- und AIFM-Richtlinien mit dem Ziel geändert, regulatorische Hindernisse für den grenzüberschreitenden Vertrieb von Investmentfonds in der EU abzubauen. Gleichzeitig sollen ein einheitlicher Anlegerschutz und gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleistet werden. Während die neue Direktive und Verordnung auch Änderungen/Neuerungen an die Aufsichtsbehörden adressieren, möchten wir hier kurz die wichtigsten Änderungen für UCITS und AIFMs aufzeigen:

1. Harmonisierte Definition des Begriffs „Pre-Marketing“

Mit der neuen Richtlinie werden die Bedingungen des Pre-Marketing von AIFs festgelegt, welche derzeit unterschiedlich oder gar nicht in den Mitgliedstaaten existieren. Ab August 2021 darf ein EU-AIFM potenziellen professionellen Anlegern eine Anlagestrategie oder ein Anlagekonzept eines AIF, der noch nicht gegründet ist oder für den noch keine Vertriebsanzeige erfolgt ist, vorstellen, um deren Interesse an dem AIF ‚zu testen‘. Es darf sich hierbei nicht um eine konkrete Zeichnungsaufforderung handeln. Daher sollen keine Zeichnungsformulare oder ähnliche Dokumente dem Anleger vorgelegt werden, die ihm eine Investitionsentscheidung ermöglichen.

Zum Verfahren des Pre-Marketing ist zu berücksichtigen, dass der AIFM innerhalb von zwei Wochen, nachdem er das Pre-Marketing begonnen hat, den zuständigen Behörden mitteilen muss, in welchen Mitgliedstaaten die Aktivität stattfindet, in welchen Zeiträumen und ggf. eine Liste seiner AIF übermitteln. Um den Vorwurf der möglichen Umgehung der AIFMD-Anforderungen entgegenzuwirken, sollten AIFMs ihre Pre-Marketing-Aktivitäten angemessen und ausreichend dokumentieren.

Auswirkung: Der AIFM muss sicherstellen, dass der Anleger Anteile des AIF ausschließlich im Rahmen des vorgeschriebenen Vertriebsanzeigeverfahrens erwirbt. Hinzu kommt, dass jegliche Zeichnung innerhalb von 18 Monaten nach Beginn des Pre-Marketing eine Vertriebsanzeige bei der entsprechenden Aufsichtsbehörde auslöst – ‚Reverse Solicitation‘ ist für diese Produkte nach Pre-Marketing nicht möglich.

2. Einstellung des Vertriebs von Anteilen

Die neue Richtlinie schafft insofern einheitliche Voraussetzungen für die Einstellung des Vertriebs von UCITS und AIFs, dass nun auch die Interessen der Anleger ausgewogen berücksichtigt werden.

UCITS und AIFMs müssen für alle Anleger ein individuelles Angebot veröffentlichen und ihnen unterbreiten, das mindestens 30 Werktage lang gültig ist, und ihnen mitteilen, dass sie den Vertrieb einstellen werden. Trotz erfolgreicher Einstellung des Vertriebs müssen UCITS und AIFMs gegenüber ihren „passiven“ Anlegern weiterhin Informationspflichten erfüllen.

Wichtig ist hier zu erwähnen, dass ein AIFM ab Einstellung des Vertriebes in dem jeweiligen Mitgliedstaat für den gleichen AIF oder für einen anderen AIF mit vergleichbarer Anlagestrategie oder Anlagekonzept für die Dauer von 36 Monaten kein Pre-Marketing betreiben darf.

3. Einrichtungen für Kleinanleger

UCITS und AIFMs von Kleinanleger-AIFs müssen in jedem Mitgliedstaat, in dem sie ihr Produkt vertreiben, über Einrichtungen verfügen, um Zeichnungs-, Zahlungs-, Rückkauf- oder Rücknahmeanträge zu bearbeiten. Hierfür darf jedoch keine lokale physische Präsenz oder die Benennung eines Dritten mehr verlangt werden.

4. Anforderungen an Marketing-Anzeigen (Werbung)

UCITS und AIFMs müssen sicherstellen, dass die an Anleger gerichteten Marketing-Anzeigen als solche (a) identifizierbar, (b) die Risiken und Chancen einer Investition „vergleichbar deutlich“ dargestellt und (c) „fair, eindeutig und nicht irreführend“ sind. Aufsichtsbehörden dürfen die Einreichung von Marketing-Anzeigen zwecks Überprüfung von UCITS und AIFMs, die an Kleinanleger vertreiben, verlangen.

Fazit

Die neue Richtlinie und die Verordnung werden den grenzüberschreitenden Vertrieb von Investmentfonds weiter fördern und derzeit bestehende Beschränkungen/Hindernisse zumindest zum Teil aufheben. Ebenso wird ein einheitlicherer Anlegerschutz gewährleistet. UCITS und AIFMs haben nun die Möglichkeit, ihre Vertriebstätigkeiten und Prozesse zu überprüfen und ggf. neu zu definieren. Aber insbesondere AIFMs müssen nun im Hinblick auf die Einführung des Pre-Marketings ggf. ihre operationellen Prozesse überarbeiten, Verträge mit Vertriebsstellen erneuern und die Selektion ihrer Zielmärkte neu überdenken.

 

01. Februar 2021

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Autor

Ebru Yalcin

Ebru Yalcin (LL.M. Wirtschafts- und Steuerrecht) ist Direktor in der Global Fund Distribution (GFD) Abteilung bei PwC Luxembourg. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit den länderspezifischen gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen rund um den grenzüberschreitenden Vertrieb von Investmentfonds. Dabei unterstützt sie zahlreiche Asset Manager, Verwaltungsgesellschaften und AIFMs mit der Erstellung und Einreichung von Vertriebsanzeigen in und außerhalb der EU, der Kommunikation mit den Aufsichtsbehörden und der Ausarbeitung von Länderprofilen. Gleichzeitig leitet Frau Yalcin das Due Diligence-Team, das für die Durchführung der entsprechenden Prüfungen von Vertriebsstellen zuständig ist. Sie ist auch Mitglied der PwC German Business Group in Luxemburg.

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