Digitale Abwicklung von Fondsanteilen

Der deutsche Gesetzgeber ermöglicht durch progressive Regulatorik die Anwendung von Blockchain-Technologie auch auf prozessualer Ebene. Hierdurch bekommen in Deutschland ansässige Finanzinstitute die Möglichkeit sich dem Markt digitaler Assets mit einem bestehenden Anwendungsfall und einem klaren Business-Case zu nähern. Die heterogene IT-Infrastruktur und die komplexen Prozesse bei der Abwicklung von Fondsanteilen werden schon bald Vergangenheit sein. Beginnend in Deutschland, wird in den nächsten Jahren auf dem europäischen Markt eine digitale Transformation der kompletten Wertschöpfungskette innerhalb der Fondsindustrie stattfinden.

In den vergangenen Jahren schwankte das Interesse an Digital Assets und Blockchain bzw. Distributed-Ledger-Technologie (DLT) oftmals gleichermaßen wie die Preisentwicklung des Bitcoin. Dies ist insbesondere dem Umstand geschuldet, dass der Fokus mehrheitlich auf der Assetklasse „Kryptowerte“ wie z.B. Bitcoin lag und zum Teil immer noch liegt. Dieser einseitige Fokus hat im Ergebnis zahlreiche Geschäftsideen und FinTechs hervorgebracht, deren Ziel einzig darin besteht, Anlegern den Zugang zu Kryptowerten einfach und sicher zu ermöglichen, was zu einer gewissen Parallelwelt geführt hat. Mehr und mehr ist aber nun zu erkennen, dass auch etablierte Finanzinstitute Angebote in diesem Umfeld etablieren und versuchen ihren Kunden ein integratives Angebot zu machen für klassische Assets ebenso wie für Digital Assets und Kryptowerte. Aber auch hier liegt der Fokus meistens auf der Erweiterung des Angebots von Assetklassen.

Blockchain bzw. DLT kann jedoch deutlich mehr als nur neue Investment Produkte liefern. Die zugrundeliegende Technologie hat das Potenzial die Finanzindustrie nachhaltig zu verändern und in jedem Fall effizienter zu machen. Vielerorten ist dabei schon von der neuen „DeFi-Welt“ (DeFi = Decentralized Finance) die Rede. Hier werden durch auf DLT basierenden Protokollen und Applikationen sog. Decentralized Apps (dApps) Finanzgeschäfte möglich, ohne dass Intermediäre oder Vermittler notwendig sind und die nicht durch eine zentrale Autorität kontrolliert oder gesteuert sind. Ob sich diese Bewegung nachhaltig durchsetzen wird, bleibt unter Berücksichtigung der fehlenden Regulierung abzuwarten.

Wo immer Anleger ihr Geld investieren, wird es Regulierung und Kontrolle geben. Rein technologisch ist auch heute schon eine reine DeFi-Welt möglich, allerdings wird es noch einige Evolutionsstufen brauchen, um Anleger und Aufsichtsbehörden mehrheitlich zu überzeugen.

Regulatorische Legitimation von DLT

Deutlich mehr Sinn machen in diesem Zusammenhang in einer ersten Evolutionsstufe DLT-Anwendungsfälle, um etablierte Assetklassen und deren zum Teil immer noch hoch ineffiziente Abwicklung deutlich zu verschlanken, einzelne Intermediäre in den zugrunde liegenden Prozessen zu disruptieren und damit für den Anleger deutliche Kostenvorteile zu erzielen. Gleichzeitig wird das Konfidenz-Niveau für DLT erhöht, was weiteren Anwendungsfällen im Bereich digitaler Assets deutlichen Rückenwind verleihen wird.

In diesem Kontext hat der deutsche Gesetzgeber die Trends der Zeit durchaus erkannt und setzt mit seiner progressiven Regulatorik ein klares Zeichen, dass an DLT kein Weg mehr vorbeiführt. Hervorzuheben ist hier zum einen das Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG). Dieses ermöglicht die Emission digitaler Wertpapiere (Inhaberschuldverschreibungen und Fondsanteile), wodurch die früher rechtlich zwingend notwendige urkundliche Verbriefung abgeschafft wird. Darüber hinaus eröffnet das Gesetz zukünftig die Möglichkeit der dezentralen Führung eines Registers (sog. Kryptowertpapierregister) auf DLT-Basis. Der Referentenentwurf zur Verordnung über Kryptofondsanteile (KryptoFAV) ermöglicht darüber hinaus erstmals die Führung eines Fondsanteilscheinregisters außerhalb einer Wertpapiersammelbank (CSD) und gibt Verwahrern (Custodians) die Möglichkeit, die Funktion der registerführenden Stelle selbst wahrzunehmen.

Aktuelle Situation – Investmentfonds unter Druck

Der Markt nicht börsengehandelter Investmentfonds bündelt derzeit über 50 Billionen EUR[1] und wächst jährlich konstant mit etwa 10%. Gleichzeitig ist aber der Vertrieb und die Abwicklung von Fonds ein mühsamer, komplexer und kostspieliger Prozess. Viele Intermediäre sind in den Prozess involviert, teilweise (noch) regulatorisch bedingt, schaffen aber gleichzeitig keinen Mehrwert für den Anleger, wohl aber Kosten. Auch wenn die Abwicklung funktional vergleichbar ist, haben sich in der EU zwei verschiedene Markt-Modelle herausgebildet. Abbildung 1 zeigt den sogenannten CSD-Markt (z.B. Deutschland) und den Transfer-Agent-Markt (z.B. Luxemburg).

Abbildung 1: Unterschiedliche Markt-Modelle innerhalb der EU-Fondsindustrie

Unabhängig von dem Marktmodell ist die Abwicklung von Investmentfonds aktuell geprägt von z.T. veralteten Infrastrukturen, fehleranfälligen Prozessen und dem Mangel an Standards. Dies führt zu erheblichen Abstimmaufwänden und nicht mehr zeitgemäßen Settlement-Zeiten (>t+2) und im Ergebnis zu enormen Kosten. Unterschiedliche Kommunikationsstandards zwischen den Beteiligten führen zu Medienbrüchen und damit zu ressourcenintensiven Prozessen durch manuelle Eingriffe. Letzteres erhöht in der Folge das Fehlerrisiko. Fehlinterpretationen von transaktionsrelevanten Daten durch manuell eingegebene Informationen sind ein wesentlicher Schmerzpunkt für die Branche. Die Kosten von Fonds liegen derzeit in Abhängigkeit vom Fondstyp zwischen 22 Basispunkten (reine Geldmarktfonds) bis 59 Basispunkte (gemischte Fonds).[2]

Wagt man den Blick nach vorne kann die Fondsindustrie sicher auch in den nächsten Jahren mit weiteren starken Nettomittel-Zuflüssen rechnen. Allerdings werden die Anforderungen der Anleger an digitalisierte Zugänge zu Fonds und der damit einhergehende der Kostendruck weiter wachsen.

Anbieter für DLT-basierte Abwicklung von Fondsanteilen

Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen wird offensichtlich, dass die Fondsbranche dringend Veränderungen benötigt. Die Branche steht zweifellos vor der alternativlosen Entscheidung, neue Technologien wie DLT umfassend zum Einsatz bringen, um deren Potenzial in allen Bereichen des Fondsvertriebs und der Abwicklung sukzessive auszuschöpfen und die damit einhergehenden Kostenvorteile zu realisieren.

Im Gegensatz oder vielmehr als Vorreiter zu einer reinen „DeFi-Welt“ kann die DLT hier bestehende Prozesse in einer bekannten Assetklasse (Investmentfonds) nachhaltig optimieren. Auch hier haben sich bereits einzelne Plattformen (z.B. FundsDLT, fundsonchain und IZNES) gebildet, die diesen Ansatz aus unterschiedlichen Perspektiven heraus verfolgen.

Die Plattform „fundsonchain“ fokussiert beispielsweise auf eine Automatisierung der gesamten Fondsabwicklung und ermöglicht dabei eine „Ende-zu-Ende-Verarbeitung“ von tokenisierten Fondsanteilen. Sie ermöglicht damit zum einen bereits emittierte Investmentfonds zu tokenisieren und damit die gesamte Abwicklung zu digitalisieren und schafft zum anderen die Basis für die Neu-Emission von Investmentfonds in voll digitaler Form und erfüllt die Anforderungen der aktuellen regulatorischen Rahmen des eWpG und der in Deutschland für Q1-2022 erwarteten KryptoFAV.

 

Abbildung 2: Beispiel für eine DLT-basierte Abwicklung von Investmentfonds

Abbildung 2 illustriert dabei die Vorteile einer solchen Plattform:
Es betritt kein neuer Marktteilnehmer mit eigener Lizenz die Bühne der Fondsbranche, sondern eine Technologieplattform hilft den Marktteilnehmern schnell und effizient ihr nationales und internationales Fondsgeschäft nachhaltig zu digitalisieren. Gleichzeitig wird die Anzahl der Intermediäre deutlich reduziert und die Effizienz in der Abwicklung der Stückeseite maximiert. In Ermangelung von digitalem Zentralbankgeld wird die Geldseite dabei zunächst auf etablierten Wegen abgewickelt, was die Akzeptanz einer solchen Plattform in der aktuellen Evolutionsstufe für die Marktteilnehmer deutlich erhöht. Im Ergebnis sind mit einer solchen Plattform Kostenersparnisse von >50% kein Wunschdenken, sondern belegbare Realität.

 

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10. Februar 2022

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[1] Siehe https://www.statista.com/topics/5670/investment-funds/
[2] Siehe https://www.ici.org/system/files/attachments/pdf/per27-03.pdf.

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Autor

Volker Braunberger

Volker Braunberger ist Geschäftsführer bei INTAS.tech und Senior Partner bei Plutoneo Consulting. Seine umfassende Fach- & IT Erfahrung fußt auf über 20 Jahren Management Beratung im Bereich Financial Services mit Schwerpunkt auf den Bereichen Investment Management und Capital Markets. Sie können ihn via Mail oder LinkedIn kontaktieren.

Autor

Benjamin Schaub

Benjamin Schaub ist Senior Consultant bei INTAS.tech. Seine Interessen umfassen die Entwicklung und Integration von Blockchain-Anwendungsfällen in der Finanzindustrie sowie die Kryptoverwahrung. Sie können ihn via Mail oder LinkedIn kontaktieren.

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