Spezifische Anforderungen von Kundenseite, die fondsbezogene Regulierung und der Zugang zu Vertriebspartnern sind die größten Herausforderungen für ausländische Fondsgesellschaften auf dem deutschen Markt – oder waren es zumindest bis zum Beginn des Coronavirus-Lockdowns. Die höchste persönliche Schwierigkeit für Mitarbeiter und Dienstleister von Investmentgesellschaften war bis dato der Umstand, dass Deutschland sehr dezentralisiert ist und viele unterschiedliche Finanzzentren hat.
Das sind die Kernergebnisse der Umfrage „Welche Hürden müssen ausländische Fondshäuser auf dem deutschen Markt überwinden?“, welche die spezialisierte Kommunikationsberatung Gerle Financial Communications (GFC) initiiert hat. An der Online-Umfrage beteiligten sich zwischen Januar und März dieses Jahres Vertreter von 18 Unternehmen, die bei ausländischen Fondshäusern arbeiten oder für diese Dienstleistungen erbringen, vor allem im Vertrieb.
Die teilnehmenden Investmentfirmen stammen aus Europa (neun Unternehmen), Nord- und Südamerika (acht) sowie Asien (eine Firma) und repräsentieren ein gesamtes weltweit verwaltetes Vermögen von rund 4,3 Billionen Euro (Stand Dezember 2019).
Deutsche Kunden haben besondere Erwartungen und Anforderungen
In der Befragung nannte mehr als ein Viertel (26 Prozent) der Teilnehmer die besonderen Anforderungen deutscher Fondskunden – etwa in Bezug auf das Reporting für gesonderte Anteilklassen, individuelle Zielgruppen und obligatorische Kennzahlen – als die größte Herausforderung, gefolgt von der fondsspezifischen Regulierung und dem Zugang zu den richtigen Vertriebspartnern mit jeweils 22 Prozent. „Informationsmaterial in deutscher Sprache“ landete auf dem dritten Rang (17 Prozent).
„Ob Deutschlands Dezentralität mit seinen verschiedenen Finanzzentren nach Covid-19 noch eine Hürde für ausländische Asset Manager sein wird, bleibt abzuwarten.“
Hagen Gerle, Geschäftsführer Gerle Financial CommunicationsKnapp die Hälfte der Befragten (47 Prozent) bezeichnete Deutschlands dezentrale Struktur mit seinen verschiedenen Finanzzentren als die höchste persönliche Hürde, die sie zu nehmen hatten, als sie nach Deutschland kamen. „Das ist allerdings eine Hürde, die angesichts von Social Distancing, stark eingeschränktem Reiseverkehr und dem wachsenden Zuspruch für Online-Seminare und Video-Konferenzen künftig niedriger ausfallen könnte“, sagt GFC-Geschäftsführer Hagen Gerle.
Qualifiziertes Personal einzustellen (16 Prozent), die deutsche Sprache (13 Prozent) und das deutsche Steuerwesen (neun Prozent) folgten mit weitem Abstand. Einen passenden Job für den Lebenspartner (eine Nennung) oder Zugang zu guten Schulen für die Kinder zu finden (keine Nennung) stellten offensichtlich keine Schwierigkeiten dar.
ESG und Regulierung machen mehr Arbeit als im Heimatmarkt
Im Vergleich zu ihren Heimatmärkten sind vor allem die Regulierung sowie das Sichten und Auswählen von nachhaltigen und sozial verantwortlichen Investments (ESG/SRI) für ausländische Fondsgesellschaften in Deutschland aufwändiger. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer (56 Prozent) haben danach mit den Themen „Regulierung“ sowie „ESG/SRI“ in Deutschland mehr Arbeit als in ihren jeweiligen Heimatländern. „Digitalisierung“ (88 Prozent) sowie „New Work“ (65 Prozent), also neue flexible Arbeitskonzepte, bereiten hierzulande hingegen weniger oder genauso viel Arbeit wie in den Ursprungsländern der Asset Manager.
„Als wir die Umfrage starteten, war natürlich nicht abzusehen, welche tiefgreifenden Folgen Covid-19 haben würde. Und die Frage nach den ,größten Herausforderungen für ausländische Asset Manager auf dem deutschen Markt‘ zu beantworten, schien uns im Verlauf der Krise nicht mehr angemessen“, kommentiert Gerle. „Zumal sich diese Herausforderungen ganz stark, speziell für kleinere Gesellschaften, auf den reinen Fortbestand reduzieren.“
Zwar repräsentiere eine Anzahl von 18 Antworten nur einen kleinen Teil der ausländischen Asset Manager und ihren Blick auf die deutsche Fondsbranche. „Da die Teilnehmer unserer Befragung aber eine gute Bandbreite abdecken – von globalen Top-Ten-Häusern bis hin zu spezialisierten Investmentboutiquen aus aller Welt – geben sie einen interessanten Einblick in die Schwierigkeiten, welche ausländische Asset Manager bei ihrem Start in Deutschland haben – nach wie vor einem der am stärksten gefragten Märkte weltweit“, sagt Kommunikationsberater Gerle. Es werde sicher aufschlussreich werden, die Frage nach den höchsten Hürden in einem Jahr erneut zu stellen und dann den Einfluss von Covid-19 auf das Geschäft in Deutschland festzuhalten.
05. Juni 2020
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Hagen Gerle
Hagen Gerle ist Spezialist für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen aus der Finanzbranche. Der gelernte Tageszeitungsredakteur und ehemalige Kommunikationsmanager von Fidelity Investments berät seit 1994 vorrangig ausländische Fondsgesellschaften, die seit kurzem im deutschen Markt tätig sind oder ihren Markteintritt dort noch planen.
2002 gründete er sein eigenes Beratungsunternehmen in Frankfurt/Main. Gerle Financial Communications bietet Kunden strategische Beratung, Medienarbeit, Investment writing und die Erstellung von Unternehmenspublikationen. 2011 siedelte Hagen Gerle mit Familie und Geschäft in den Südwesten Englands um, von wo er Finanzunternehmen in verschiedenen Ländern betreut.