Sorgenkind Europa

2024 war weltweit ein gutes Jahr für die Aktien börsennotierter Asset-Management-Unternehmen. Das Dolphinvest Global Asset Managers Barometer lag auf Augenhöhe mit dem breiten Aktienmarkt (MSCI World, in Euro, per 31. Dezember), schlug branchenübergreifend Neben- und Value-Werte, lag aber hinter Growth- und Finanzwerten.

Vergleichsweise schlecht verlief es allerdings für Asset Manager in Europa. Ihre mittlere Marktkapitalisierung war 2024 rückläufig, während sie in Amerika kräftig anstieg.

Quelle: Dolphinvest

Dieser deutliche Unterschied in der Bewertung überrascht angesichts eines erstaunlichen Wettbewerbsvorteils: Der Personalaufwand von Asset Managern in Europa liegt gemessen an ihren Gesamteinnahmen deutlich unter dem in Amerika, aber auch dem im asiatisch-pazifischen Raum.

Quelle: Dolphinvest

Gestiegene Einnahmen in Europa

Mindestens genauso überrascht die Tatsache, dass – anders als ihre amerikanischen, asiatischen und australischen Wettbewerber – europäische Manager ihre Gesamteinnahmen gegenüber dem Vorjahr erheblich steigern konnten. In EMEA betrug der Zuwachs der aggregierten Gesamteinnahmen aller Manager 32,7 % gegenüber 9,7 % in Amerika und 2,2 % in APAC.

Diesen beiden Vorteilen steht ein struktureller Nachteil Europas, vor allem der Europäischen Union, entgegen. Trotz der wirtschaftlichen Macht der EU hinkt ihre Kapitalmarktgröße Amerika deutlich hinterher. Dies ist im Wesentlichen dem Fehlen sowohl einer EU-weiten Kapitalmarktunion als auch einer in der EU weithin akzeptierten Aktienrente zuzuschreiben.

Mit Ausnahme Skandinaviens und der Niederlande ist die Aktienrente in der EU – im Rahmen der obligatorischen staatlichen Rente oder als freiwillige, aber attraktiv inzentivierte Zusatzrente – unterentwickelt.

Hemmschuh Deutschland

Dies trifft insbesondere auf das nach Population und BIP größte Land der EU, Deutschland, zu. Angesichts seiner Größe und wirtschaftlichen Bedeutung ist Deutschland der EU-weit größte Hemmschuh für die Entwicklung banken(crash)unabhängiger Unternehmensfinanzierung.

Das kann nicht bloß als Versagen der früheren CDU- bzw. SPD-geführten Regierungen verstanden werden, sondern gründet tief in einem gesellschaftlichen Konsens. Denn Deutschlands erste komplett kapitalmarktbasierte Zusatzrente ohne Garantien, die sogenannte Nahles-Rente (2018), scheiterte in der Praxis am geschlossenen Widerstand von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Eine gleichermaßen unsichere Zukunft dürfte die unlängst in der Ampelregierung mühselig errungene Kompromisslösung, das „Altersvorsorgedepot“, vor sich haben, zumal sie nur von der kleinsten Ampelpartei, der FDP, vorangetrieben worden war und das dazu gehörende Gesetz noch nicht verabschiedet worden ist. Aus der medialen Öffentlichkeit sind bislang noch keine Begeisterungsstürme zu vernehmen.

Quelle: Dolphinvest

Fehlende Wachstumsphantasie in Europa

Zwei weitere Faktoren trugen 2024 zur relativ schlechten Performance europäischer Asset-Manager-Aktien bei. Erstens konnte angesichts der fundamentalen und strukturellen Probleme eines noch nicht vereinten europäischen Kapitalmarktes eine nachhaltige, ambitionierte Wachstumsphantasie für die regionale Asset-Management-Branche nur schwer aufkommen. Daran vermochte auch die Ankündigung der EU-Kommission, den Begriff „Capital Markets Union“ durch „Savings and Investment Union“ zu ersetzen, nichts zu ändern. Hinzu kam, dass sich im Zuge des Ukrainekrieges und der Regierungskrisen in den beiden wichtigsten EU-Ländern, Frankreich und Deutschland, eine politische Paralyse der gesamten EU offenbarte – mit negativen Folgen für Märkte und politische Entscheidungsprozesse.

Buybacks in Amerika

Zweitens blickten die CEOs amerikanischer Asset-Management-Unternehmen wesentlich optimistischer auf ihre eigene Zukunft als ihre Kollegen in Europa.

Die Hälfte aller Asset Manager in Amerika kauften 2024 eigene Aktien zurück, in der Spitze wurde die Anzahl der Free-Float-Aktien um 47,9 % reduziert. Im asiatisch-pazifischen Raum betrieb ebenfalls die Hälfte aller börsennotierten Asset Manager aktive Kurspflege. Hier betrug jedoch der Maximalwert der Reduktion moderate 16,9 %. In EMEA waren es dagegen weniger als ein Drittel aller Manager, die Aktien zurückkauften, und dies mit vergleichsweise geringem Effekt (-11,6 % der Aktien im Free Float gegenüber 2023).

Diese große Spanne zwischen Amerika und Europa trug 2024 mit zur Underperformance europäischer Asset-Manager-Aktien bei.

Der „ARC ALPHA Global Asset Managers“-Fonds hatte per 31. Dezember 2024 Amerika mit ca. 52 % und Europa mit ca. 38 % gewichtet. Er wird vorläufig an den allokierten Portfoliowerten im neuen Jahr festhalten.

Die Jahres-Renditen der (per Ende 2024) 101 Einzelwerte des Dolphinvest Global Asset Managers Barometer lagen 2024 im globalen Mittel bei 22,8 %. Der „ARC ALPHA Global Asset Managers“-Fonds, der – anders als das Barometer – Restriktionen in der Allokation von Kleinstwerten unterliegt, hielt über das Jahr ca. 35 möglichst gleichgewichtete Positionen und erzielte nach Gebühren eine Rendite von 21,2 %.

 

 

05. Februar 2025

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Autor

Michael Klimek

Michael Klimek, Jahrgang 1960, ist Geschäftsführer der Dolphinvest Capital GmbH und der Dolphinvest Consulting GmbH, beide mit Sitz in Frankfurt am Main. Der studierte Islamwissenschaftler und Amerikanist begann seine mittlerweile mehr als 25 Jahre zählende Karriere in der Finanzbranche bei Fleming Asset Management im Bereich Institutional Sales. Das Deutschland-Geschäft von Invesco baute er ab 1997 als Geschäftsführer auf, war von 2002 an Co-Deutschlandchef von Goldman Sachs Asset Management und leitete ab 2006 drei Jahre lang den Nahost-Vertrieb von cominvest. Die 2009 gegründete Dolphinvest Consulting GmbH ist der Anlagevermittlungsarm der Dolphinvest Capital und bietet darüber hinaus mittelständischen Kunden honorarbasierte Anlageberatung.

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