Die Impact-Bewegung ist in vollem Schwung. Laut der jüngsten Marktanalyse der Bundesinitiative Impact Investing (BIII) hat sich die einst „visionäre Idee einer kleinen Gruppe von Innovatoren“ mittlerweile zu einem „ausdifferenzierten Milliardenmarkt mit großem Wachstumspotential und hoher Dynamik“ gemausert. Doch wie steigt man am besten auf diesen bewegenden Impact-Zug auf? Und wie kann man sicher sein, dass wo Impact drauf steht auch Impact drin ist? In Teil 2 dieser Serie zum Impact Investing haben Dr. Markus Freiburg und Christina Moehrle (FASE) einige Anregungen für Sie, wie man auf den richtigen Geschmack kommt und alten Wein in neuen Schläuchen vermeidet.
Juni 2021
Wer sich als Investor auf die Impact-Reise begeben möchte, sollte sich zu Beginn einige wichtige Fragen stellen und möglichst ehrliche Antworten darauf finden. Zum Beispiel: Welche Impact-Themen sind mir persönlich wichtig oder bereits Teil meiner übergeordneten Anlagestrategie? Wieviel Impact-„Promille“ dürfen es für mich sein und was bin ich bereit, dafür an Risiko, Rendite und Zeit bis zur Kapitalrückzahlung zu akzeptieren? Was bringe ich an Investment-Expertise mit und wie aktiv möchte ich mich an meinen Investitionszielen beteiligen? Will ich eher ein Impact-Thema unterstützen, das sich direkt vor meiner Haustür manifestiert, oder solche, die im Globalen Süden auf eine Lösung drängen? Und: Sollen es einzelne Direktinvestments oder doch lieber eine diversifizierte Fondslösung sein?
Wie auch immer Ihr persönliches Ziel aussehen mag, es ist wichtig, sich zuvor klar zu machen, wo genau die Impact-Reise hingehen soll und ob man auch das richtige Gepäck dabei hat. Ein wertvoller Impuls, der für echte Innovationen in den großen Themen wie Armut, Klimawandel, Gesundheitswesen, Biodiversität und Ernährung immer wichtiger wird, ist zudem die Frage nach dem eigenen Mehrwert als Investor: Unterstützt man Innovationen, die sich sowieso leicht am klassischen Kapitalmarkt finanzieren können, oder aber solche, für die das eigene Kapital einen großen Unterschied macht? Diese sogenannte „Investor Additionality“ ist ein weiterer wichtiger Wegweiser hin zu der eigenen, effektiven Impact-Strategie.
Der spezielle Charme diversifizierter Fonds
Als versierter Anleger haben Sie vermutlich schon oft in börsennotierte oder aber auch in Private Equity und Venture Capital Fonds investiert. Das hat vis-a-vis einzelnen Direktinvestitionen den Vorteil einer breiteren Diversifikation und damit auch den eines geringeren Risikoprofils. Als Investor ist man dabei eher passiv und darf sich auf ein professionelles Fondsmanagement verlassen. Aber wussten Sie, was einen Impact Fonds wesentlich unterscheidet? Wie es der Name bereits verrät, ist es das Ziel einer beabsichtigten positiven, messbaren sozialen und/oder ökologischen Wirkung, das den eigentlichen Sinn dieser Fonds ausmacht. Da Impact aber momentan sehr angesagt und „sexy“ ist, lohnt es sich, ein kritischeres Auge auf das Objekt der Begierde zu werfen. Woher weiß man, dass wo Impact drauf steht auch Impact drin ist?
Wie lässt sich verifizieren, dass nicht alter Wein in neuen Schläuchen kredenzt wird? Hier einige Anhaltspunkte für Ihre ganz persönliche Wirkungs-Probe aufs Exempel:
(1) Stakeholder-Daten:
Beim Impact Investing spielen die Begünstigten/Zielgruppen der sozialen und ökologischen Lösungen eine entscheidende Rolle. Schließlich geht es bei den innovativen Lösungen, in die investiert wird, primär um die Verbesserung ihrer Lebensumstände. Eine wesentliche Frage ist also, ob der Impact Fonds und seine Portfoliounternehmen regelmäßig Daten von diesen Stakeholdern einholen (zumindest jährlich), um zu überprüfen, was sich konkret verändert hat. Ist das nicht der Fall, nimmt man es mit dem Impact offensichtlich nicht allzu ernst. Wie eine aussagefähige Wirkungsmessung dabei aussieht, ist von Impact Fonds zu Impact Fonds verschieden. Mittlerweile gibt es viele verschiedene „Impact Management Frameworks“, die auf einen weltweiten Konsens für alle Akteure und Investoren hinwirken. Wer sich gerne im Thema schlauer machen möchte, dem sei beispielsweise das “Impact Management Project (IMP)“ ans Herz gelegt. Mittlerweile haben sich dem mehr als 2.000 Impact Investoren und Organisationen in aller Welt dem IMP angeschlossen.
(2) Outcomes vor Outputs:
Zugegeben, gesellschaftliche Wirkung kann schwer messbar sein und entfaltet sich oft erst über längere Zeiträume hinweg. Denken Sie an komplexe, systemische Themen wie Verringerung der Armut oder aber gesellschaftlichen Bewusstseinswandel in Sachen Geschlechtergleichstellung. Doch wer ein wahrer Impact-Fan ist, schaut dennoch in diesem Punkt genauer hin. Ein guter Einstieg ins Thema findet sich beispielsweise bei Phineo: Die berühmte „Wirkungstreppe“ visualisiert, wie und ab welcher Stufe eigentlich erst Impact entsteht und verrät dabei auch gleich noch einen weiteren Anhaltspunkt für Impact-Washing: Bleiben die Fondsberichte bei schönen Anekdoten sowie Angaben zu reinen Aktivitäten oder „Outputs“ stehen, sollte das ein erstes Warnzeichen sein. Erst ab den sogenannten „Outcomes“ geht es ernsthaft mit sozialer und/oder ökologischer Wirkung los. Ein Beispiel: Wird nur gemessen, wie viele Solarlampen ein Sozialunternehmen an Familien in entlegenen Dörfern ohne Stromanschluss in der dritten Welt bereitgestellt hat (->Outputs)? Oder misst man auch, ob und wie lange die Kinder in diesen Familien die zusätzlichen Licht-Stunden fürs Lernen genutzt und so ihre Schulbildung und Lebenschancen verbessert haben (->Outcomes)? Entsprechende Bemühungen, solche Outcomes messbar zu machen bzw. zu approximieren, sind deshalb Pflicht, nicht Kür. Aber dies nur als kleines Impact-Einmaleins. Zeit für zwei anschauliche Beispiele:
Die waschechte Wirkung von Sozialunternehmen
In 2020 haben FASE und avesco den „European Social Innovation and Impact Fund (ESIIF)“ ins Leben gerufen. Der ESIIF ist ESIIF ein Co-Investmentfonds mit einem Zielvolumen von 20 Mio Euro, der zusammen mit erfahrenen Direktinvestoren in innovative Impact Start-ups investiert. Der ESIIF ist dabei der erste Intermediär in Europa, der Sozialunternehmen geduldiges Wachstumskapital zur Verfügung stellt und von einer Teilabsicherung des Portfolio durch eine Bürgschaft der EU profitiert. Mittlerweile hat er die ersten Investments ins Portfolio gepackt, was den frischgebackenen Portfoliounternehmen mehr finanzielle Schubkraft für ihre Impact-Skalierung verschafft. Eines der ersten ESIIF-Investments ist Ignitia: Das schwedische Sozialunternehmen hat ein innovatives und außergewöhnlich genaues Vorhersage-Tool namens Iska entwickelt, das Kleinbauern in den notorisch Wetter-volatilen Tropen dabei hilft, optimale Entscheidungen über Aussaat, Düngung und Ernte zu treffen. Dadurch können sie vor allem höhere Ernteerträge und eine bessere Lebensqualität und Klima-Resilienz für sich und ihre Familien erzielen. „Vor über einem Jahr habe ich kurz nach Aussaat und Düngung wegen der schweren Regenfälle mein ganzes Kapital verloren. Seit ich Iska benutze ist meine Ernte stark gestiegen, weil wir immer genau wissen, was wir beim richtigen Wetter unternehmen müssen – das hat mir wirklich sehr geholfen“. Das ist nur eine von vielen Kundenstimmen unter den mittlerweile 1,3 Millionen afrikanischen Kleinbauern, die das einfache und kostengünstige Tool für sich entdeckt haben. Eine unabhängige Evaluierung der Ergebnisse durch den Wirkungsmessungs-Experten 60 Decibels hat ergeben, dass knapp 90% der Nutzer in bessere Ernten und durchschnittlich 48% höhere Erträge einfahren konnten, was wiederum ca. 52% ihres gesamten Haushaltseinkommens entsprach. Knapp 90% aller Kunden von Ignitia lebt mit weniger als umgerechnet 3,20 USD am Tag.
Ein ganz anderer Ansatz zur Mission „genug zu essen für alle“ findet sich bei SIRPLUS. Das Berliner Sozialunternehmen hat sich das Thema Wertschätzung für Lebensmittel ganz groß auf seine Fahnen geschrieben. Weltweit werden jährlich ca. ein Drittel aller produzierten Lebensmittel weggeworfen. Alleine in Deutschland landen so pro Jahr 12-18 Millionen Tonnen einwandfreie, genießbare Lebensmittel in der Mülltonne statt auf dem Teller. Gründer Raphael Fellmer und sein Team sehen sich als Lebensmittelretter, die gemeinsam mit vielen Kunden und Partnern überschüssige Ware in den Kreislauf zurückführen. “Wir wollen das Lebensmittelretten in die Mitte der Gesellschaft bringen und allen Menschen ganz einfach durch unseren Onlineshop die Möglichkeit zu geben, von Zuhause aus Teil der Lösung zu werden“, erläutert Raphael die große Vision. Dadurch werden sehr viel CO2 eingespart, ein neues Bewusstsein gegenüber Lebensmitteln geschaffen und wichtige Ressourcen auf unserem Planeten geschont. Im SIRPLUS Online-Shop und den eigenen „Rettermärkten“ sind so bis heute fast 3.000 Tonnen an Lebensmitteln gerettet und das Äquivalent von 13,5 Mio. kg CO2 eingespart worden.
Darüber hinaus konnte SIRPLUS bis dato 9 Flüchtlinge beschäftigen und integrieren, 140 Arbeitsplätze schaffen, 15 Millionen Menschen durch massive Medienberichterstattung erreichen und 72.000 Schulmahlzeiten für Kinder in Burundi spenden. Doch das ist erst der Anfang. Durch das aktuelle Investment der Direktinvestoren und dem ESIIF lässt sich noch deutlich mehr an Impact erreichen. „Für Impact-Startups wie uns ist der ESIIF eine wichtige Komponente, wenn es um die Skalierung innovativer Lösungen und um ein funktionierendes Ökosystem für soziale Finanzierungen geht“, erläutert Raphael die Wirkung des ESIIF aus Unternehmer-Perspektive.
Wer Wein predigt, sollte lieber kein Wasser liefern. Das finale Closing des ESIIF ist Ende Oktober 2021.
24.06.2021
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Dr. Markus Freiburg
Dr. Markus Freiburg ist Gründer und Geschäftsführer von FASE und verbindet seine umfassende Strategie- und Finanzierungsexpertise mit der Leidenschaft für Sozialunternehmen. Er ist anerkannter Experte für Social Finance und nimmt durch seine Mitgliedschaft in der Expert Group on Social Entrepreneurship (GECES) der EU-Kommission und im German National Advisory Board der G7 Social Impact Investing Taskforce aktiv an der Gestaltung des Ökosystems teil. Er wurde 2017 zu dem „40 under 40 European Young Leaders“ Jahrgang berufen.
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Dr. Markus Freiburg
Christina Moehrle
Christina Moehrle hat nach mehr als 20 Jahren Erfahrung in Venture Capital, strukturierter Finanzierung und Investor Relations ihre Begeisterung für Social Entrepreneurship und Impact Investing zur Berufung gemacht. Seit 2011 steuert sie ihr Wissen als freiberufliche Kommunikationsexpertin gezielt zum Thema Impact Finance bei und entwickelt darüber hinaus Lernprogramme für Sozialunternehmen, Impact Investoren sowie öffentliche und philanthropische Impact-Kapitalgeber.