Schwieriges Jahr 2022 für die Finanzmärkte

Anleihen und Aktien waren in 2022 gleichermaßen gebeutelt. Was erwartet die Anleger im nächsten Jahr und gibt es Lichtblicke?

Wir gehen davon aus, dass wir noch einige schwierige Zeiten am Aktienmarkt vor uns haben. Die Inflation ist immer noch nicht unter Kontrolle, auch wenn es erste Tendenzen gibt, dass der Peak erreicht sein könnte. Die Zentralbanken werden aber in ihrer Geldpolitik nicht nachlassen, bevor sie nicht wieder den Zielkorridor erreicht haben. Gleichzeitig ist ihnen bewusst, dass sie die Volkswirtschaften durch die kurzfristigen und starken Zinserhöhungen ziemlich aufgerüttelt haben. Auf der einen Seite möchten sie eine Verschnaufpause einlegen, um die Entwicklungen in ihren jeweiligen Volkswirtschaften zu bewerten, auf der anderen Seite müssen sie das Vertrauen der Märkte und Wirtschaftsakteure erhalten und aktiv bleiben. Letzten Endes ist der Erhalt dieses Vertrauens für die Zentralbanken wichtiger als das zusätzliche Risiko, die Volkswirtschaften in eine Rezession zu führen.

Anleihen-Comeback vor der Tür

Wir sind davon überzeugt, dass festverzinsliche Wertpapiere in den nächsten sechs bis zwölf Monaten ein Comeback erleben werden, da die Märkte in diesem Zeitraum wahrscheinlich endlich mehr Gewissheit über den Höhepunkt des Zinserhöhungszyklus der Zentralbanken erlangen werden. Wir haben bereits einige Versuche der Märkte gesehen, diese Höhepunkte im Jahr 2022 zu identifizieren, bisher jedoch ohne großen Erfolg. So sollten die Aussichten für festverzinsliche Wertpapiere auf Sicht von 12 bis 14 Monaten recht gut sein, wobei das Problem natürlich darin besteht, den Zeitpunkt des Umschwungs zu bestimmen.

Stark steigende Zinsen und eine beträchtliche Ausweitung der Kreditspreads ist eine Kombination, die wir schon lange nicht mehr gesehen haben. Die Zentralbanken erhöhten mehrmals die Zinssätze und verschärften die monetären Bedingungen, um die Inflation zu kontrollieren. Gleichzeitig erhöhen sie damit das Risiko eines wirtschaftlichen Abschwungs, was zu höheren Risikoprämien führt. In einer solchen Welt sind Duration und Kreditrisiko positiv korreliert, und wenn die Zinsen steigen, weiten sich die Kreditspreads aus.

Tech- und Erneuerbare Energie-Titel im Fokus

An den Aktienmärkten herrscht nach wie vor Unruhe, deshalb ist eine defensive Positionierung aktuell eine vernünftige Strategie. Bislang war der Abschwung am Aktienmarkt in erster Linie auf eine Komprimierung von verschiedenen Multiplikatoren zurückzuführen, da die Inflation zum einen höher als erwartet war und die Zentralbanken die Zinsen aggressiv angehoben haben. Wir glauben, dass die nächste Abwärtsbewegung durch niedrigere Gewinnschätzungen aufgrund schwächerer Umsatzerlöse und Margenkompressionen ausgelöst wird.

Wenn der Markt dann die Talsohle erreicht hat, sollten prozyklische Sektoren gut abschneiden. Hier haben wir Small- und Mid-Cap-Unternehmen im Blick, nachdem sie in den letzten 12 Monaten eine Rekordunterperformance aufwiesen. Darüber hinaus sollten auch zyklische Konsumgüter profitieren, da die Inflation zurückgeht. Auch dieser Sektor hat im letzten Jahr sehr schlecht abgeschnitten. Das Gleiche gilt für Wachstumswerte, bei denen ein erheblicher Teil der erwarteten Gewinne in der Zukunft liegt und die aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegenüber höheren Zinssätzen stark unter Druck geraten sind. Innerhalb der Wachstumswerte würden wir den Technologie- und Erneuerbare Energie-Sektor hervorheben, der immer noch von einem starken strukturellen Rückenwind profitiert.

ESG-Diskussion bleibt

Auf regulatorischer Seite hat sich 2022 mit der Offenlegungsverordnung und Mifid II einiges getan. Das größte Problem, vor dem die Branche steht, sind nach wie vor die Daten, die es nicht ausreichend von den Unternehmen gibt, die lückenhaft sind oder die sich zum Teil widersprechen. Auch die Vergleichbarkeit ist nicht gegeben. Die Klassifizierung in Artikel 6, 8 und 9 war ein erster Versuch, aber die Diskussion bleibt, ob Unternehmen mit einem schlechten CO2-Fußabdruck – aber überprüfbarem Transformationsplan hin zu Erneuerbarer Energie – aus den nachhaltigen Portfolios ausgeschlossen werden sollten. Uns erwartet auch hier ein spannendes Jahr 2023.

 

 

4. Januar 2023

 

 

 

 

 

 

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Autor

Mike Judith

Mike Judith arbeitet im Asset Management der größten norwegischen Bank DNB und leitet den internationalen Vertrieb. Bevor er 2010 zu DNB Asset Management kam, betreute er institutionelle Investoren bei der amerikanischen Privatbank Brown Brothers Harriman. Seit 2007 doziert er für die Frankfurt School of Finance & Management.

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