In der Finanzbranche wird die Suche nach einem geeigneten Unternehmensnachfolger zu einem signifikanten Problem. Finanzielle Hürden, politische Unsicherheiten und ein schwindendes Interesse an der Selbstständigkeit sind besonders prägnant in diesem Sektor. Die daraus resultierende Konsequenz ist alarmierend und trifft Finanzberater hart: Während die Anzahl der Unternehmer, die Nachfolger suchen, stetig zunimmt, hat sich die Zahl der interessierten Nachfolger seit 2009 halbiert. Dies führt dazu, dass zunehmend mehr Betriebe schließen müssen, weil sie keinen geeigneten Nachfolger finden.
Noch nie war die Nachfrage so hoch
Seit der ersten Erhebung der IHK-Statistik zur Unternehmensnachfolge im Jahr 2007 haben immer mehr Senior-Unternehmer die Industrie- und Handelskammern für Beratungen zur Geschäftsweitergabe aufgesucht. Im letzten Jahr erreichte die Beratungsnachfrage mit einem Anstieg von 22 Prozent zum Vorjahr einen neuen Höhepunkt von insgesamt 8.276 Beratungen. Diese Entwicklung unterstreicht, wie präsent und drängend das Thema Unternehmensnachfolge, insbesondere im Mittelstand, geworden ist. Im Jahr 2023 überstieg die Zahl der zum Verkauf angebotenen Unternehmen die Nachfrage um das Dreifache. Zudem berichtet Procontra im Kontext des AfW-Vermittlerbarometers, dass in den nächsten 15 Jahren jeder dritte Vermittler plant, seine Tätigkeiten aufzugeben.
Weitere Einblicke bietet der DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2024.
Finanzierungsprobleme, vor allem auch bei Finanzdienstleistern
Bei der Unternehmensnachfolge stellen Finanzierungsprobleme weiterhin ein großes Hindernis dar. Laut dem DIHK-Report berichten vier von zehn Interessenten über Schwierigkeiten bei der Finanzierung, zumal die Bedingungen seit 2019 spürbar härter geworden sind. Besonders für Finanzanlagenvermittler scheint es doppelt schwer. Einerseits sind öffentliche Bürgschaften in diesem Bereich entweder nicht zu erwarten oder sogar untersagt. Andererseits fällt es potenziellen Interessenten oft schwer, ihre Kapitaldienstfähigkeit nachzuweisen, da Banken den Rückgang der Kundenzahl berücksichtigen, nicht alle Vermittlungsprovisionen vollständig anrechnen und pauschale Kosten ansetzen. Letztere würden im Rahmen einer Übernahme, insbesondere bei einer Konsolidierung, eigentlich wegfallen, wie beispielsweise das Gehalt des Geschäftsführers. Daher überrascht das Ergebnis der PWC-Studie „Private Equity-Gesellschaften und Familienunternehmen: Ziemlich beste Freunde?“ kaum, in der etwa 90 % der Befragten angaben, grundsätzlich offen für Private-Equity-Investoren zu sein. In der Fachpresse finden sich bereits regelmäßig Schlagzeilen über Übernahmen im Bereich der Vermögensverwaltung
Kaufpreis oft emotional getrieben und zu hoch
Etablierte Finanzberatungsunternehmen wurden oft über Jahrzehnte aufgebaut und stellen für viele ein wahres Lebenswerk dar: Viel Herzblut und unzählige unbezahlte Stunden wurden in diese Betriebe investiert, und es sind dauerhafte Erinnerungen und tiefe Freundschaften entstanden. Daher fällt es 29 Prozent der Unternehmensinhaber schwer, sich emotional von ihrem Unternehmen zu trennen. Folglich gestaltet sich die Preisfindung verständlicherweise herausfordernd. Laut der IHK fordern rund 40 Prozent der beratenen Inhaber einen überhöhten Kaufpreis. Der Bericht von Fonds Professionell, der auf Daten aus dem aktuellen AfW-Vermittlerbarometer zu Ruhestand und Bestandsverkauf zurückgreift, zeigt, dass der durchschnittliche Wert der Bestände bei 390.000 Euro liegt, während 38,7 Prozent der Vermittler schätzen, dass sie höchstens 100.000 Euro bei einem Verkauf erzielen würden.
Auswirkungen auch im institutionellen Fondsgeschäft
Im Zuge des wachsenden Drucks auf das klassische Fondsbusiness und der Konkurrenz durch Private-Equity-Firmen sehen sich viele Fondshäuser gezwungen, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken. Sie verlagern ihren Schwerpunkt zunehmend vom betreuungsintensiven Geschäft mit freien Beratern hin zu institutionellen Investoren. Diese Neuausrichtung resultiert aus strengen Dokumentationspflichten, die das Geschäft mit Einzelanlegern stark gebremst haben. Parallel dazu führen Fusionen ausländischer Fondsmarken zu einem verstärkten Fokus auf größere und stabilere Kapitalquellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Solche Entwicklungen unterstreichen die Notwendigkeit für umfassende Nachfolgepläne, die anpassungsfähig genug sind, um auf dynamische Marktveränderungen zu reagieren.
Gut geplant ist halb gewonnen!
Eine proaktive Auseinandersetzung mit der Nachfolgeplanung zahlt sich aus, vor allem weil für viele Selbstständige das eigene Finanzunternehmen nicht nur die Hauptstütze, sondern gar die einzige Altersvorsorge darstellt. Laut einem Experten, der vom Nachrichten-Portal Versicherungsbote interviewt wurde, gilt dies für 75 Prozent der Unternehmer. Der frühe Start und die sorgfältige Vorbereitung können enorm dabei helfen, unerwartete Schwierigkeiten zu vermeiden und sicherzustellen, dass das Unternehmen in den richtigen Händen weitergeführt wird. Unterstützung bieten hier neben Maklerorganisationen auch die IHK und auf Nachfolgeplanung spezialisierte Anbieter. Deren Hilfestellung reicht von der reinen Beratung über Vertrags- und Bewertungsunterlagen bis hin zum Matchmaking mit potenziellen Interessenten.
11. Dezember 2024
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René Delrieux
René Delrieux ist seit mehr als zwanzig Jahren im Finanzsektor aktiv und Gründer der DTFH Deutsches Fondshaus GmbH, die sich auf Nachfolgelösungen für Finanzanlagenvermittler spezialisiert. Seine Expertise sammelte er unter anderem bei der Netfonds AG, dem IFNP Institut für Finanz- und Nachfolgeplanung, der comdirect bank, der Commerzbank sowie der Börse Stuttgart. In seiner Freizeit genießt er es, den Tag mit einem guten italienischen Essen ausklingen zu lassen, gelegentlich begleitet von einem Glas Rosé oder Shiraz.