Ist die Universalbank noch zu retten?

Universal- oder Vollbanken sind die Dickschiffe der Finanzwirtschaft: Groß, mitunter teuer und schwerfällig. Regulierung und Kostendruck haben sie in schwierige Fahrwasser gebracht. Viele kleinere Schiffe versuchen, ihnen mit einem reduzierten Angebot das Geschäft streitig zu machen. Dabei können diese kleinen Schiffe den Universalbanken sogar nutzen – wenn sie frühzeitig den Kurs ändern.

Die Finanzindustrie steht weltweit unter Druck: Steigende Kosten, sinkende Margen, neue Wettbewerber, eine zunehmende Regulierung und steigende Ansprüche des Verbrauchers stellen das herkömmliche Konzept der Universalbank immer mehr in Frage. Vor allem langsame Entscheidungsfindungsprozesse, ressourcenintensive Regulierung und Compliance erweisen sich zunehmend als Sand im Getriebe. Hinzu kommt, dass Banken und junge Technologieunternehmen lange Zeit in ihren eigenen Fahrwassern unterwegs waren. Viele übersahen dabei jedoch das Offensichtliche: Banken verfügen noch immer über eine starke Markenmacht und Kundenbindung. Gerade in Deutschland vertrauen die Kunden traditionsreichen Banken immer noch mehr als Fintech-Unternehmen, die erst seit wenigen Jahren existieren. Auf der anderen Seite ist es Fintechs möglich, Lösungen auf der grünen Wiese zu entwerfen – ohne den ganzen Überbau und Legacy-Systeme. Fintechs als agile Beiboote zu nutzen, liegt auf der Hand, wenn in allen Himmelsrichtungen schier übermächtige Flaggschiffe in Sichtweite sind. Immer mehr Banken suchen deshalb aktiv nach Partnerschaften mit Fintechs und implementieren die von ihnen entwickelten digitalen Prozesse in ihre eigene Produktpalette. Die Verbindung zwischen Bank und Fintech erfolgt mittels API-Schnittstellen.

Die Idee einer Universalbank muss dabei nicht zu Grabe getragen werden, im Gegenteil: Mithilfe integrierter Fintech-Lösungen kann die Grundidee eines Antwortgebers auf jede Finanzfrage weiterverfolgt werden: Kredit- und Einlagengeschäft, Investment Banking Anlageberatung, Immobiliengeschäft, Finanzdienstleistungen wie Zahlungsverkehr, Sparbriefe, Akkreditive oder auch Devisen- und Aktienhandel – all das wird auch in Zukunft unter dem Dach einer starken Marke möglich sein. Und das, obwohl es sich dabei um höchst unterschiedliche Geschäftsbereiche mit sehr verschiedenartigen regulatorischen, rechtlichen und technologischen Anforderungen handelt. Voraussetzung für eine erfolgreiche Wettbewerbsstrategie wird jedoch sein, in all diesen Bereichen der Beste zu sein. Und das wird auch die größte Bank nicht alleine schaffen. Sie muss einige Geschäftsfelder an externe Lösungsanbieter ausgliedern, so dass diese den besten Prozess mit der höchsten Effizienz liefern können. Selbst längst als unproduktiv geltende Geschäftsbereiche können auf diese Weise zumindest kostenneutral betrieben werden – und stärken so das Gesamterscheinungsbild der Bank nach außen.

Was in der Finanzindustrie noch Zukunftsmusik ist, ist in anderen Bereichen wie beispielsweise der Automobilindustrie längst Alltag. Allein der Motor der Mercedes C-Klasse besteht aus Einzelteilen von 20 Zulieferern, deren Werke über ganz Europa verteilt sind. Erstaunlich, dass eine derart dezentral ausgerichtete Produktion ausgerechnet bei einem physischen Produkt hervorragend funktioniert, das vom Funktionieren von Just-in-Time-Lieferung, Montageleistungen und nicht zuletzt vom Transport über lange Wege abhängt. Bei Finanzprodukten hingegen, die eigentlich nur aus Zahlen und Daten bestehen, ist eine solche optimierte Wertschöpfungskette längst überfällig.

Besonders großes Potential besitzt dabei das Kreditgeschäft, da die Mehrheit der deutschen Geldhäuser die größten Erträge aus dem Einlagen-Kreditgeschäft schöpft. Die Idee der Fintechs ist es, den gesamten Wertschöpfungsprozess zu zergliedern und jeden einzelnen Bestandteil auf seine Profitabilität hin zu untersuchen. Banken können einzelne Prozessbausteine, Prozessgruppen oder auch den vollständigen Kreditprozess ausgliedern und die digitale Kundenakte automatisiert über Schnittstellen wieder in ihre Bestandsysteme zurückführen. Der Verbraucher merkt am Ende noch nicht einmal, dass sein Kreditprozess dezentral bearbeitet worden ist. Die digitalen Schnittstellen können beispielsweise für die Neukundengewinnung eingesetzt werden oder auch Kreditanfragen ausgliedern, die für die Bank selbst technisch oder wirtschaftlich nicht darstellbar sind.

Die so funktionierende Zusammenarbeit zwischen Banken und Fintechs kann nur durch ein offenes Ökosystem entstehen, was z. B. durch PSD2 (Payment Service Directive) bereits eine erste rechtliche Grundlage erhalten hat. Da der Datenaustausch hauptsächlich über Schnittstellen (API) läuft, sprechen viele nur kurz vom API-Banking. Für Banken ist solch ein offenes Ökosystem in vielerlei Hinsicht ein Fortschritt: Sie behalten den Status einer Universalbank und können gleichzeitig die innovativsten Produkte zu niedrigsten Kosten anbieten. Der Bankkunde profitiert damit ganz automatisch.

15. Januar 2018

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Autor

Robin Buschmann

Robin Buschmann, CFA ist Gründer und CEO von Giromatch und verantwortlich für die Bereiche Recht, Finanzen und Marketing. Er verfügt über acht Jahre Erfahrung in den Bereichen Portfoliomanagement, Vertrieb und Produktentwicklung.

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