„Im Durchschnitt reden wir momentan von Renditen um die 3,5%“

Seit 24 Jahren hat sich Dirk Sammüller Aktien in Sondersituationen verschrieben. Gemeinsam mit der Greiff capital management AG hat er 2005 den Aktienfonds GREIFF „special situations“ Fund gestartet, um das besondere Potential, das Aktien in Sondersituationen bieten, erfolgreich zu managen.

Mittlerweile ist der Fonds das Flaggschiff der Greiff AG und gemeinsam mit dem Asset Management-Partner TBF Global Asset Management GmbH sowie einem Volumen von über 700 Mio. EUR im Anlageuniversum „special situations“ der größte Fondsplayer in Deutschland. FondsTrends sprach mit Dirk Sammüller, Senior-Portfoliomanager des GREIFF „special situations“ Fund, über Anlagepotentiale bei M&A-Prozessen, Eigenheiten des Übernahmerechts sowie einen Ausblick für den M&A-Markt in 2019.

FondsTrends: Herr Sammüller, bitte stellen Sie unseren Lesern doch kurz das Konzept des GREIFF „special situations“ Fund etwas näher vor.

Dirk Sammüller: Aktien von Unternehmen, die sich in Sondersituationen befinden, bieten gerade im deutschsprachigen Raum überdurchschnittliche Gewinnchancen. Hierzu gehören Firmen mit Übernahmefantasie, von Squeeze-Outs betroffene Aktien sowie Unternehmen mit Potential für Strukturmaßnahmen oder mit bislang nicht bilanzierten stillen Reserven. Der Fonds strebt mit dieser Spezialausrichtung eine von der Entwicklung der Börsen unabhängige Rendite bei gleichzeitig niedrigerem Risiko an.

Im Portfoliomanagement sind neben mir mit Thomas Einzmann und Daniel Dreher zwei weitere Portfoliomanager für die Publikumsfonds als auch die Teilbausteine zuständig, je nachdem, ob und wie diese Strategien in anderen Mandaten berücksichtigt werden. Auch bei Spezialfonds haben wir mittlerweile Kunden, die diese Strategien zu schätzen gelernt haben und bei uns investiert sind.

FondsTrends: Der erwähnte GREIFF „special situations“ Fund hat erst kürzlich den UCITS Hedge Award 2019 gewonnen – herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Erfolg! Der Fonds konzentriert sich auf Spezialsituationen bei der Übernahme von Unternehmen, dabei machen Sie sich Eigenheiten des deutschen und österreichischen Rechtssystems zunutze. Wie bieten Sie Anlegern einen vernünftigen und stabilen Ertrag bei so niedrigem Risiko?

Dirk Sammüller: Deutschland hat aus Kleinanlegersicht für solche Special Situations das interessanteste Risikoprofil. Der GREIFF „special situations“ Fund hat in der Regel einen Anteil von rund 75-80% in deutschen Werten. Der österreichische Markt beinhaltet ebenfalls gute Nachbesserungschancen und ist daher ähnlich interessant. Der Kapitalmarkt in Wien ist allerdings von Natur aus relativ klein, sodass man dort weniger „passende“ Titel findet. Der „special situations“ Fund ist daher ein sehr deutschlandlastiges Produkt mit Add-Ons aus dem Ausland, z.B. Frankreich, Benelux, Skandinavien oder auch mal Italien und Spanien. Diese Länder sind von der Preisfindung für einen Squeeze-Out ähnlich gelagert wie Deutschland. Man muss daher situationsbedingt nach Investmentmöglichkeiten schauen, da reden wir historisch in Summe von Gewichtungen in einer Spanne von 5-15%.

Grundlage für unseren stabilen Ertrag bei niedrig bleibendem Risiko bildet das deutsche Wertpapierübernahme- und das deutsche Aktiengesetz. Hier ist in den entsprechenden Paragraphen geregelt, dass bei den meisten Varianten der Übernahme Mindestpreise gezahlt werden müssen. Das kann ein Übernahmeangebot sein (z.B. eine klassische Übernahmeofferte oder ein Pflichtangebot) oder aber eine weiterführende Strukturmaßnahme, bspw. der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag oder eben der Squeeze-Out. Anleger haben damit nach unten eine Linie im Sand: Ihre Fallhöhe ist also auf einen bestimmten Preis begrenzt. Nach oben ist allerdings die Möglichkeit gegeben, mehr Geld zu verdienen oder aber auch teilweise richtig ordentliche Aktienrenditen zu verdienen. Wird vom Käufer eine weitere Strukturmaßnahme eingeleitet, z.B. der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, muss den Restaktionären nochmals ein Übernahmeangebot gemacht und wenigstens ein Mindestpreis gezahlt werden. Die zu erbringende Kompensationsleistung, ursprünglich als Garantiedividende bezeichnet, ist dabei durchaus attraktiv und hängt von verschiedenen Komponenten wie dem Marktzins oder den Refinanzierungskosten des Käufers ab. Im Durchschnitt reden wir hier momentan von Renditen um die 3,5%. Wenn man das jetzt in Relation zum aktuell vorherrschenden Zinsniveau setzt, ist das natürlich keine schlechte Sache. Im Prinzip sind das die beiden Ausgangsstadien, in die wir sehr gerne investieren.

Im März 2019 gewann der GREIFF "special situations" den UCITS Award des Hedge Fund Journal in der Kategorie "Event Driven Funds"

FondsTrends: Spruchverfahren im Anschluss an Squeeze-Outs stellen einen wesentlichen Kern des GREIFF „special situations“ Fund dar. Wie kann das Portfolio von nicht bilanzierten stillen Reserven profitieren?

Dirk Sammüller: Das Spruchverfahren ist eine deutsche Besonderheit und betrifft sowohl den Squeeze-Out als auch den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, den sie anfechten bzw. im Preis überprüfen lassen können. Beim Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag haben sie die Aktien meistens noch im Portfolio. Befindet ein Richter nun, dass der Abfindungspreis zu niedrig ist, dann ist das meistens mit einem Performancesprung der Aktie an der Börse verknüpft. Solange dieses Spruchverfahren läuft, habe ich jederzeit die Möglichkeit, meine Aktie, die ich im Bestand habe, zum originären Abfindungspreis zu verkaufen.

Der andere Fall zum Nachbesserungsrecht besteht aus dem Squeeze-Out, d.h. ich werde zwangsabgefunden und bekomme die Aktien aus dem Portfolio genommen. Dann gehen wir oft vor Gericht und fechten den Squeeze-Out-Preis als zu niedrig bzw. nicht gerechtfertigt an. Sie können also im Prinzip mit einer Aktie zwei Spruchverfahren haben. Die Aktien haben sie schon gar nicht mehr im Bestand und da wir keinen Wertansatz machen, kann man in diesen Fällen eigentlich nur gewinnen, da der Abfindungspreis nicht nach unten angepasst werden kann.

Nehmen wir das Beispiel von MAN und VW: hier ist im letzten Jahr von 80 EUR auf 90 EUR nachgebessert worden. Ich hatte also einen Mehrertrag von 10 EUR, gleichzeitig wurde aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag noch eine um 66% gestiegene Garantiedividende für mehrere Jahre nachgezahlt. Das hat dann für den Fonds ohne weiteres Hinzutun einen Zusatzertrag von 25 Basispunkten eingespielt. Das Interessante hier: dieser Mehrertrag von 10 EUR wird Ihnen für die komplette Wegstrecke, also vom Tag der Entscheidungsfeststellung bis zu dem Tag, an dem der Abfindungspreis ursprünglich festgelegt worden war, mit 5% verzinst. Wir sind daher nicht traurig, wenn es mal einen Tag länger dauert, da wir es gut verzinst bekommen. Zusätzlich kann man sagen, dass es in 70-80% dieser Spruchverfahren tatsächlich noch eine Nachbesserung gibt. Das ist also eine weitere Performancequelle, die wir normalerweise mit einem klassischen Aktieninvestment nicht haben. Seit zwei bis drei Jahren hat sich dieser Trend vor Gericht wieder etwas verstärkt, was aus Sicht der Kleinaktionäre natürlich sehr positiv ist.

FondsTrends: Der GREIFF „special situations“ Fund orientiert sich ausdrücklich nicht an einem Marktindex. Noch im September prognostizierte der Telegraph für 2018 ein Rekordjahr, kurz darauf sahen sich vor allem europäische Aktien angesichts eines Bärenmarktes massiv unter Druck. Betrachten Sie die Indexabbildung generell als zu risikoreich?

Dirk Sammüller: Als ein Haus, das sich dem klassischen Stock Picking verschrieben hat, grenzen wir uns ohnehin klar von passiven Investoren ab, die Benchmarks als Orientierungsgröße verwenden. Speziell in Bezug auf die Special Situations bieten sich Indizes meines Erachtens auch gar nicht an, da wir in Einzelfälle investieren und diese Einzelfälle bestimmte Charaktermerkmale aufweisen müssen. Klar kann das auch mal ein MDAX- oder DAX-Wert sein, die Regel ist das aber eher nicht. Das liegt bei Übernahmen in der Natur der Sache, dass die Großen eher die Kleine(re)n kaufen. Eine Situation wie damals bei Bayer und Schering, als es eine Hochzeit unter DAX-Werten gab, kommt da nur selten vor.

FondsTrends: Herr Sammüller, angesichts steigender Wettbewerbsintensität und damit verbundenem Konsolidierungsdruck die Gretchenfrage: In welche Richtung steuert der M&A-Markt in 2019?

Dirk Sammüller: Nach wie vor kann man sagen, dass die Grundvoraussetzungen für M&A gut sind. Es gibt Unternehmen mit viel Cash, von den Aktionären geht Wachstumsdruck auf die Vorstände aus. In vielen Branchen können sie allerdings gar nicht mehr organisch wachsen, sodass Sie im Prinzip hinzukaufen müssen. Ein gewisses „Grundrauschen“ wird auch 2019 auf jeden Fall im Markt vorhanden sein. Ob es ein sehr gutes Jahr wird, hängt natürlich auch davon ab, wie ruhig es an den Aktienmärkten zugeht. Gemessen am Gesamtbild ist mir die Stimmung, die gerade an den Märkten zugeht, etwas zu euphorisch. Es finden aber auch im laufenden Jahr schon einige Übernahmen statt, z.B. größere Aktivitäten im Goldminenbereich oder in den Segmenten Biotech und Pharma. Die Zahl der Übernahmen ist dabei für uns gar nicht so entscheidend, vielmehr müssen wir die für uns passenden Übernahmen finden. Das sind dann oftmals die Situationen, die sich erst durch den Zweit- oder Drittrundeneffekt ergeben, und da sieht es meines Erachtens sehr gut aus. Wir haben immer eine gewisse Zeitverzögerung bei unseren Fällen: zunächst finden die Übernahmen statt, dann, vielleicht ein Jahr später erst, gehen sie einen Schritt weiter. Wird Firma XY im ersten Übernahmeversuch zu 75% übernommen, kommt gegebenenfalls ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag oder bei 95% der Squeeze-Out zum Tragen, und das sind für uns dann die wirklich spannenden Situationen. Insofern bin ich zuversichtlich, dass in den nächsten Monaten einige neue Fälle hinzukommen, die genau in unser Beuteschema passen.

FondsTrends: Der Alltag als Portfoliomanager dürfte sich nicht selten hektisch gestalten. Wie finden Sie dennoch Zeit für Ausgleich?

Dirk Sammüller: Glauben Sie mir, bei drei Kindern kommt man am Wochenende zwangsweise auf ganz andere Ideen. Meine Kinder sind im Alter von drei bis 17 Jahren, somit reicht das Spektrum meiner Tätigkeitsfelder vom Bespielen bis zum Chauffeur, auch zu ganz unterschiedlichen Tageszeiten. Wenn es die Zeit erlaubt, bin ich auch gerne mal auf dem Rudergerät zuhause, aber die Hauptaktivitäten sind natürlich mit der Familie. Gerne unternehmen wir zusammen Fahrradausflüge, gehen Spazieren oder fahren in den Urlaub – ein Doppel im Tennis ist bei dieser Alterskonstellation leider eher schwierig.

FondsTrends: Herr Sammüller, wir danken Ihnen für das interessante Interview und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg!

21. März 2019

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Thema

Special Situations: Der Squeeze-Out

Erzielt ein Hauptaktionär durch Zwangsbeschluss den Ausschluss von Minderheitsaktionären aus einer Aktiengesellschaft, spricht man von einem Squeeze-Out.

Autor

Dirk Sammüller

Dirk Sammüller ist gebürtiger Baden-Badener und Vater von drei Kindern. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft in Karlsruhe begann er seine Karriere in der Finanzbranche als Aktien-, Renten- und Devisenhändler und betreute zunächst bei der Volksbank Baden-Baden Rastatt eG, später bei Dr. Wiek, Mitternacht & Co. in Ettlingen vermögende Privatkunden. Die Betreuung institutioneller Kunden setzte er bei Feri Institutional Advisors Dachfondsmandate fort und baute bei der BBBank eG in Karlsruhe die Wertpapierabteilung auf. Mit der Greiff capital management AG startete er als Fondsmanager 2005 den GREIFF „special situations“. 2012 wurde das Asset Management des Fonds von der Greiff AG an die TBF Asset Management GmbH ausgelagert. Dort verantwortet Dirk Sammüller als Senior-Portfoliomanager neben dem GREIFF „special situations“ weitere Fondsmandate.

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