Glokalisierung – Global investieren mit lokaler Expertise in Deutschland

Für den Anlageerfolg ist es heute unerlässlich, alle Renditequellen zu nutzen. Das führt unweigerlich zu einer breiten Diversifikation, die alle Regionen der Welt umfasst. Mit dem passenden, stringenten Anlagekonzept können das auch Asset Manager umsetzen, die nicht über eine flächendeckende internationale Präsenz verfügen – ganz nach dem Vorbild des deutschen Mittelstands, mit lokaler Expertise die Einbindung in den Weltmarkt zu finden.

Während der Dow Jones oder der S&P 500 nach der Trump-Wahl auf neue All-Time-Highs gestiegen sind, dümpelt der Dax vor sich hin. Als Kursindex, der wie international üblich die Dividenden nicht mit einrechnet, hat der deutsche Standardwerteindex in den vergangenen zehn Jahren gerade einmal rund 30 Prozent zugelegt. Der Dow Jones hat in diesem Zeitraum rund 70 Prozent an Wert gewonnen, der S&P 500 ähnlich stark. Dieser einfache Vergleich verdeutlicht, dass eine regionale Beschränkung bei der Aktienanlage spürbar Rendite kosten kann.

Diversifikation ist gewissermaßen der einzige „free lunch“, den es an den Finanzmärkten gibt. Durch einen globalen, breit gestreuten Investmentansatz lassen sich die international verschiedenen Wachstumstrends und die damit verbundenen Chancen nutzen und gleichzeitig Risiken, die aus einem zunehmenden Protektionismus resultieren, zumindest vermindern.

In der vernetzten Welt von heute ist es auch Asset Managern mit einer überschaubaren Größe möglich, einen globalen Investmentansatz zu verfolgen. Das gelingt insbesondere dann, wenn dieser auf quantitativen Fakten aufbaut, die überall auf der Welt zugänglich sind.

Einzig und allein entscheidend ist die systematische Aufarbeitung der Daten und die Umsetzung dieser, gepaart mit einer langjährigen Erfahrung des Fondsmanagements.

Smart Beta oder Factor Investing

Die folgenden sechs Faktoren versprechen langfristig eine bessere Wertentwicklung als der Gesamtmarkt. Ein solcher quantitativer Investmentansatz wird als Smart Beta oder als Factor Investing bezeichnet.

  1. Bewertung: Aktien mit niedrigem Kurs-Buch-, Kurs-Gewinn- und Kurs-Umsatz-Verhältnis. Attraktiv bewertete Wertpapiere liefern häufig eine überdurchschnittliche Wertentwicklung.
  2. Momentum: Titel mit einer starken Wertentwicklung auf Sicht von drei, sechs und zwölf Monaten. Durch das Herdenverhalten der Anleger weist eine gute Kursentwicklung aus der Vergangenheit auch auf eine positive Performance in der Zukunft hin.
  3. Volatilität: Werte, deren Kurse nur wenig schwanken. Denn risikoärmere Aktien generieren in der Regel eine höhere risikoadjustierte Rendite.
  4. Dividende: Wertpapiere mit einer hohen und wachsenden Dividende bei einer angemessenen Ausschüttungsquote liefern einen stetigen Einkommensstrom. Daher sind sie überdurchschnittlich viel gefragt.
  5. Wachstum: Unternehmen mit einem überdurchschnittlichen Gewinnwachstum verzeichnen regelmäßig eine bessere Wertentwicklung als der breite Markt.
  6. Qualität: Firmen mit einer hohen Eigenkapitalrendite und einer stabilen Gewinnentwicklung verfügen über Wettbewerbsvorteile, die sich in höheren Renditen auszahlen.

Ein Praxisbeispiel:

Das Anlageuniversum des H & A Aktien Global besteht aus den 1.650 Aktien des MSCI World, der die größten Aktiengesellschaften der Welt umfasst. Durch statistische Modelle wird jeder Wert einem Faktor zugeordnet. Die jeweils 15 Prozent besten Titel in den einzelnen Faktoren werden einer umfassenden qualitativen Analyse nach dem Fünf-Kräfte-Modell von Michael E. Porter unterzogen. Dabei werden die Gefahr durch bestehende und potenzielle Wettbewerber, die Verhandlungsmacht von Zulieferern und Kunden sowie die Bedrohung durch Ersatzprodukte bewertet. Eine Swot-Analyse, die die jeweiligen Stärken und Schwächen sowie die Chancen und Risiken der einzelnen Aktien gegenüberstellen, rundet das Bild ab.

Das Ergebnis ist ein konzentriertes Portfolio aus 50 gleichgewichteten Werten, das aber breit über Regionen und Branchen gestreut ist. Gleichzeitig wird das Portfolio hinsichtlich der maximal erreichbaren Diversifikation aufgestellt. Außerdem misst sich das Portfolio an keiner Benchmark. Die Kombination der verschiedenen Faktoren kommt sowohl der (höheren) Rendite als auch der (niedrigeren) Volatilität zugute. Dasselbe gilt für die maximale Diversifikation.

So ist es möglich, regelgebunden ein weltweit breit gestreutes Aktienportfolio aufzubauen, getreu dem Motto der sogenannten Glokalisierung, wie wir sie aus der Industrie kennen: die Herstellung lokaler systemischer Wettbewerbsfähigkeit einerseits und die Einbindung in den Weltmarkt andererseits.

Globaler Ansatz bei Anleihen noch wichtiger

Eine weltweite Diversifizierung ist im Rentenbereich vielleicht sogar noch entscheidender für den Anlageerfolg als bei Aktien. Auch hier ein Beispiel zur Verdeutlichung: Amerikanische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit werfen mittlerweile wieder eine Rendite von 2,5 Prozent ab. Deutsche Bundesanleihen mit derselben Laufzeit rentieren dagegen gerade einmal mit 0,4 Prozent (Stand: 9.3.2017).

Ein Blick in das vergangene Jahr zeigt noch deutlicher, wie groß die Renditeunterschiede bei Anleihen sind, woraus sich erhebliche Chancen, jedoch auch signifikante Risiken ergeben. 2016 schnitten amerikanische High Yield Bonds mit einem Gesamtertrag von 17 Prozent mit Abstand am besten ab. Europäische High Yields lieferten nur einen gut halb so hohen Ertrag. Beide Angaben beziehen sich auf lokale Währungen. Berücksichtigt man noch die vier-prozentige Aufwertung des Dollars gegenüber dem Euro im vergangenen Jahr, wird der Abstand noch größer. Diese erheblichen Renditeunterschiede weisen klar darauf hin, dass sich im Rentenbereich nur mit einer breiten regionalen Streuung sämtliche Ertragschancen nutzen lassen.

Generell sind die Rentenmärkte mittlerweile durch erhebliche Risiken gekennzeichnet. Die Leitzinsen und Renditen sind nach wie vor rekordtief, es bestehen erhebliche Zinsänderungsrisiken und die Staatshaushalte sind hoch verschuldet. In diesem Umfeld suchen Investoren nach stabilen Zinserträgen und wollen Kursverluste sowie Kreditrisiken möglichst vermeiden. Gefragt ist also so etwas wie das Ei des Columbus für die Rentenmärkte. Es dürfte klar sein, dass es für diese komplexe Aufgabe keine einfache Lösung gibt. Durch verschiedene Ansätze kann versucht werden, die Anforderungen der Anleger zu erfüllen.

Alle Rendite- und Währungschancen nutzen

Dies kann mit einem global diversifizierten Investmentansatz erreicht werden, um alle Rendite-und Währungschancen auszuschöpfen. Gleichzeitig werden Unternehmensanleihen höher gewichtet, da diese langfristig betrachtet einen Mehrertrag generieren. Außerdem werden eine aktive Durationssteuerung und eine aktive Abweichung von kapitalisierungsgewichteten Rentenindizes verfolgt, um eine höhere Gewichtung von verschuldungsarmen Emittenten zu ermöglichen.

Ziel der Strategie ist es, möglichst hohe Zins- und Währungserträge sowie Kursgewinne zu vereinnahmen. Die Zusatzerträge sollen vor allem durch die Nutzung von weltweiten Ineffizienzen oder Überreaktionen generiert werden. Dabei kann es sich zum Beispiel um antizipierte geldpolitische Entscheidungen oder überraschende Ratingabstufungen handeln.

Ein Praxisbeispiel:

Beim H & A Rente Global werden als Beispiel einer globalen Aufstellung amerikanische Staatsanleihen stark gewichtet, präferiert wird jedoch der High Yield Bereich in Europa. Dadurch wird eine sogenannte Kredithantel aus AAA-Anleihen und High-Yield-Anleihen gebaut, welche im globalen Kontext ein überdurchschnittliches Chance/Risiko-Verhältnis verspricht.

Auch dieser Investmentansatz basiert auf der Analyse quantitativer Daten wie Renditekurven, Risikoaufschlägen oder Währungsverschiebungen. So lässt sich auch im Rentenbereich mit einem kompakten Fondsmanagement ein weltweit breit gestreutes Portfolio aufbauen und managen. Hierbei ist weniger die Größe des Teams für den Anlageerfolg entscheidend, sondern vielmehr die richtige Auswahl und Interpretation der entscheidenden quantitativen Faktoren.

Es lässt sich somit in einer globalisierten Welt mit dem richtigen Setup ein weltweit gestreutes Aktien- beziehungsweise Anleiheportfolio von einem Standort aus effizient steuern  – glokal gewissermaßen.

22. Mai 2017

Der Beitrag erschien am 20. Mai in der Börsenzeitung.

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Autor

Reinhard Pfingsten

Reinhard Pfingsten

Reinhard Pfingsten ist seit 2012 Chief Investment Officer bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers. Vom Standort Frankfurt aus verantwortet er die Vermögensverwaltung des Privat- und Unternehmerkundengeschäfts sowie das Asset Management für Institutionelle Kunden und Publikumsfonds. Zuvor leitete er bei Sal. Oppenheim das Portfoliomanagement im Bereich Private Banking und war bei der Commerzbank und bei der Deka-Bank in leitenden Stellungen tätig. Seine Karriere startete er bei der Allianz.

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