Ein Favoritenwechsel scheint alternativlos

Viele internationale Aktienindizes konnten im Verlauf des Jahres 2023 nicht nur die Verluste des Jahres 2022 ausgleichen, sondern sich zu neuen Allzeithöchstständen aufschwingen. Getragen wurde diese V-förmige Entwicklung vor allem in den letzten Monaten durch einen Wechsel des Zinsnarrativs bei den Marktteilnehmern. Aus der Zinserwartung „higher for longer“ entwickelte sich angesichts stark rückläufiger Inflation und Hinweisen auf eine sich abschwächende Wirtschaft die Zinssenkungshoffnung „earlier and faster“.

Trotz der jüngsten Kursanstiege erscheinen die Aktienbewertungen im Durchschnitt, wie z. B. das Kurs-Gewinn-Verhältnis, im historischen Kontext nicht besonders anspruchsvoll. Das liegt an der Tatsache, dass die von den Analysten zur Berechnung herangezogenen erwarteten Unternehmensgewinne für die Jahre 2024 und 2025 signifikant steigen. Dies mutet angesichts der geopolitischen wie konjunkturellen Unsicherheiten sportlich an, zumal man bereits die ursprünglich positiven Erwartungen für das Jahr 2023 kassieren musste. Aber jede Unsicherheit wurde vorerst durch die neue Zinssenkungsphantasie überdeckt.

Auch wenn viele Aktienindizes auf Allzeithöchstständen notieren, die durchschnittlichen Bewertungen noch vertretbar anmuten, so eröffnet ein Blick unter die glanzvolle Oberfläche der Indizes ein sehr differenziertes Bild.

Der Konzentrationsgrad im globalen Aktienmarkt hat das Niveau der 60er und 70er Jahre erreicht. Gerade einmal zehn Aktien standen in 2023 für 75 % der gesamten Wertentwicklung des US-Aktienmarktes und damit auch des 1.600 Titel umfassenden MSCI Welt. Von den 20 % Wertsteigerung in 2023 entfallen 15 % auf die Glorreichen Sieben von Alphabet bis Tesla, nur 5 % auf alle anderen Unternehmen zusammen. Die Marktkapitalisierung dieser sieben Werte allein ist höher als der Marktwert des gesamten chinesischen Aktienmarktes – immerhin der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.

Die Ursachen sind vielschichtig und reichen von der besonderen Sensibilität gegenüber Zinsveränderungen, der Wahrnehmung dieser Top-US-Unternehmen als sichere Häfen bis hin zur Euphorie um Künstliche Intelligenz. Allerdings haben die Kursanstiege von durchschnittlich fast 100 % für diese wenigen Titel auch deren Bewertung in Sphären katapultiert, die mit der Realität kaum mehr zu rechtfertigen ist.

Gleichzeitig wird ein Großteil des Marktes immer attraktiver, da viele Anlagegelder einfach an diesen Werten vorbeiziehen. Das Phänomen des Keynesianischen Wettbewerbs begünstigt scheinbar weiterhin die wenigen Titel bis hin zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung.

Aber die Lehre lässt sich nicht dauerhaft außer Kraft setzen. Langfristig bestimmen nicht die Geldströme die Bewertung einer Aktie, sondern umgekehrt – die langfristige Wertentwicklung ist eine Funktion aus Gewinnentwicklung des Unternehmens und dem Multiple, das der Markt zu zahlen bereit ist. Und letzteres ist durchaus Marktphasen und Modeerscheinungen unterworfen. Gerade die Euphorie um die Künstliche Intelligenz scheint derer um die dot.com Werte Ende der 90er zu gleichen, wann wir wo welche Produktivitätsfortschritte sehen und wer die Gewinner oder Verlierer sind ist heute noch gar nicht abzusehen.

Wir setzen bei der Zusammensetzung eines globalen Aktienportfolios voller Überzeugung auf drei Ansätze:

  • Regionale Diversifizierung
  • Fokus auf langfristigen strukturellen Wandel
  • Fokus auf die Faktoren Bewertung, qualitativ hochwertiges Wachstum und niedrige Volatilität

Gerade im vergangenen Jahr 2023 waren diese Ansätze nicht gefragt – im Gegenteil – so konnte der MSCI Welt Minimum Volatility, der die schwankungsärmsten globalen Aktien umfasst, im letzten Jahr nur knapp 4 % zulegen (gegenüber 20 % beim MSCI Welt). Von den großen strukturellen Megathemen Digitalisierung, Sicherheit, Energietransformation, Basisversorgung, Infrastruktur, Gesundheit und Konsumverhalten konnten nur die ersten beiden zulegen, Konsumtitel zeigten sich gemischt, andere Themen waren performanceseitig sogar unter Wasser.

Zwar hat die breitere Kursrallye in den letzten Handelstagen des Jahres wie eine Flut alle Boote gehoben, dennoch ging die Schere zwischen den großkapitalisierten Werten und den kleinen, zwischen den entwickelten Ländern und den Schwellenländern weiter auseinander. Dabei werden unverändert von den Marktteilnehmern attraktiv bewertete Wachstumsthemen und ihre Aktien übersehen und unterschätzt, vor allem in den Schwellenländern aber auch in der zweiten und dritten Reihe bei den kleineren Titeln in der ganzen Welt.

Rein rational sollten wir an den Aktienmärkten vor einem Favoritenwechsel stehen. Unser Strategie Equity Story Leaders steht für die Selektion qualitativ hochwertiger Unternehmen aus nachhaltigen Wachstumsbranchen bei ausgeprägt defensiven Eigenschaften.

Unser Fonds per 31.12.2023

Unser auf durchschnittlich 30 Qualitätstitel konzentrierter Fonds (H-Tranche) hat gegenüber dem dritten Quartal zugelegt. Seit Jahresbeginn beträgt die Wertentwicklung +4,46 % und liegt damit vor dem relevanten MSCI World Minimum Volatility EUR Net (+3,79 %), aber hinter der Morningstar-Vergleichsgruppe (+12,32 %) und dem Weltaktienindex MSCI Welt EUR Net (+19,60 %).

Das Jahresabschlussquartal war durch einen Wechsel des vorherrschenden Zinsnarrativs im Markt geprägt. Die Annahme höherer Zinsen für einen längeren Zeitraum („higher for longer“) wich der Hoffnung auf schnellere Zinssenkungen durch die Notenbanken („earlier and faster“). Auslöser für diese Zinseuphorie waren relativ schnell sinkende Inflationszahlen in Kombination mit einer sich andeutenden Schwäche der Weltwirtschaft. In der Folge erlebten Aktienmärkte eine ausgeprägte Aufwärtsbewegung, die sogar einige Indizes auf neue Allzeithöchststände trieb, wie sie zuletzt Anfang 2022 vor den Zinsanhebungen gesehen wurden. Einige Aktienmärkte konnten damit die zinsbedingt scharfen Kursverluste des Jahres 2022 ausgleichen. Gleichzeitig hat sich aber das konjunkturelle wie Zinsumfeld gegenüber 2022 dramatisch verändert. Ein Blick unter die Oberfläche der Indizes zeigt, dass nur sehr wenige Aktientitel für die positive Wertentwicklung verantwortlich sind. Gemessen am Weltaktienindex MSCI Welt repräsentieren nur zehn der 1.600 Titel im Index etwa 75 % der Jahreswertentwicklung.

Bei den aktuellen Bestandspositionen gehörten zu den Quartalsgewinnern Securitas (Schweden) mit +24 %, GFT Technologies (Deutschland) mit +18 % und Andritz (Österreich) mit +18 %. Zu unseren Quartalsverlierern gehörten Wacker Chemie (Deutschland) mit -16 %, Repsol (Spanien) mit -14 % und Campari (Italien) mit -9 %.

Sehr zufrieden sind wir mit der gegenüber gängigen Indizes kontinuierlich niedrigeren Volatilität (gemessene Wertschwankungen) unseres Fonds – auf Jahressicht nur 9,7 % gegenüber MSCI Welt mit 14,8 %. Damit haben wir unser Investmentziel erfüllt, durch starken Fokus einerseits auf die Ausgewogenheit der Themen und andererseits auf Qualität, wie defensive Eigenschaften der selektierten und allokierten Unternehmen, niedrigere Wertschwankungen zu bieten.

Aktuell sind wir in 35 Unternehmen investiert, die sich ausgewogen über globale Trends von Agrarrevolution bis hin zur innovativen Wasserversorgung verteilen, wobei aktuelle Marktführer gegenüber vermeintlich zukünftigen Gewinnern bevorzugt werden.

Unsere fünf größten Portfoliogewichte zum Quartalsende: Linde (Irland) 3,9 %, Vertex Pharmaceuticals (USA) 3,9 %, Microsoft (USA) 3,7 %, Alphabet (USA) 3,5 % und GFT Technologies (Deutschland) 3,3 %.

 

07. Februar 2024

 

Der Beitrag ist eine Zweitveröffentlichung und wurde bereits im Januar 2024 auf euroswitch.de veröffentlicht.

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Autor

Thomas Böckelmann

Thomas Böckelmann übernahm im Jahr 2015 als Geschäftsführer die Leitung Portfoliomanagement bei Dolphinvest Capital GmbH. Davor führte er bereits 5 Jahre sein eigenes Finanzdienstleistungsunternehmen und agierte mehr als 20 Jahre im internationalen Kapitalmarktgeschäft für führende Finanzhäuser in Frankfurt und London. In 15 Jahren Tätigkeit für die Deutsche Bank ist er u.a. verantwortlich für die Beratung institutioneller Investoren wie Investmentfonds und Versicherungen gewesen. Als Direktor verantwortete er die Organisation und Durchführung zahlreicher internationaler Börseneinführungen und Platzierungen. Bei HSBC Trinkaus & Burkhardt war er als Spezialist für die Produkte Investmentstrategien und Asset Allocation (Vermögensstruktur) zuständig.

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