Effiziente Märkte: Kann man Aktienindizes noch schlagen?

Wer in den letzten Jahren versucht hat, breite und marktkapitalisierungsgewichtete Aktienindizes zu schlagen, musste zeitweise vergleichsweise frustrationstolerant sein. Nur wenigen Aktienfonds ist es in den letzten Jahren gelungen, ihre jeweiligen Benchmarks und Investmentuniversen systematisch zu schlagen. Und es kommt fast noch schlimmer: So ließe sich argumentieren, dass man als Investor ja eigentlich nur die erfolgreichen Portfolios und Fonds im Blick haben und kaufen muss. Die Hoffnung wäre die, dass Portfolios, die sich in der Vergangenheit gut geschlagen haben, auch in Zukunft eine überdurchschnittliche Wertentwicklung aufweisen. Aber auch das ist nicht der Fall – zumindest nicht auf systematisch hinreichende Art und Weise. So haben wir vor einiger Zeit ermittelt, wie persistent die Outperformance von Fonds ist. Dabei ging es genau genommen um die Frage, wie gut Fonds in einem Testzeitraum abscheiden, wenn sie zuvor über einen längeren Zeitraum besonders erfolgreich waren und die Benchmark systematisch schlagen konnten. Das Ergebnis war vergleichsweise ernüchternd. In vielen Fällen entwickelten sich die Fonds im Testzeitraum in der Summe nicht besser, als wenn ein Zufallsgenerator die Fonds ausgewählt hätte – obwohl genau diese Fonds ja im Zeitraum zuvor ihre extreme Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt hatten. Hier liegt der Verdacht nahe, dass die Fonds u.U. aufgrund reiner Zufälligkeiten zuvor den Markt geschlagen hatten; alternativ ließe sich argumentieren, dass die Fonds zwar im vorherigen Beobachtungszeitraum eine Selektionsleistung erbracht haben, die über einen Zufall hinausgeht, das übergeordnete Makro-Umfeld aber einen Regime-Wechsel erfahren hat und der vom Fondsmanagement präferierte Investmentstil im neuen Umfeld zumindest temporär nicht mehr honoriert wird.

Auch das wäre am Ende des Tages keine gute Nachricht, denn wenn eine eigentlich vorhandene Selektionsfähigkeit in ihrem Erfolg von übergeordneten Makro-Faktoren dominiert wird, ist der langfristige Erfolg dieser Selektionsstrategie in keiner Weise mehr gegeben, auch wenn sie ihre scheinbare Leistungsfähigkeit für einige Jahre in Folge unter Beweis gestellt hat. Ist das nun der Beweis dafür, dass aktives Asset Management keinen Sinn mehr ergibt, weil Märkte einen extrem hohen und nahezu unerreichbaren Grad an Effizienz vorweisen können? Immer dann, wenn derartig hypothetische Fragestellungen im Kapitalmarktkontext beantwortet werden müssen, gehört es zur Standardvorgehensweise, Simulationen durchzuführen. Denn mit Simulationen lassen sich Entscheidungen von Portfoliomanagern sowie die sich dar-aus ergebenden Ergebnisse unter streng definierten Rahmenbedingungen kontrolliert „nach-bauen“ und exakt prüfen. So wird sichtbar, in welchem Möglichkeitenraum sich Portfoliomanager bewegen.

Wir haben in einer solchen Simulation das Verhalten von 10.000 hypothetischen Portfoliomanagern unter die Lupe genommen. Dazu haben wir für den Zeitraum von 2010 bis 2023 10.000 Portfolios simuliert, die jeweils nur in Aktien investieren durften, die zum jeweiligen Zeitpunkt im STOXX 600 enthalten waren. Die Investitionszeitdauer für jede Aktie betrug wenigstens ein Jahr, konnte aber in seltenen Fällen auch länger sein. Die Art der Portfolioselektion sowie die Portfoliokonstruktion waren komplett von der Marktkapitalisierung der Aktien losgelöst. Dementsprechend hatten Aktien nicht deshalb eine höhere Chance auf eine Berücksichtigung oder hohe Gewichtung, weil sie im Index ein höheres Gewicht aufweisen.

Die Trefferquote wurde in diesem Fall so definiert, dass ein „Treffer“ als solcher gewertet wird, wenn die Aktie in dem Zeitraum, in dem sie gehalten wird, eine bessere Wertentwicklung als die Benchmark aufgewiesen hat. Bei der Analyse der Ergebnisse sind uns zwei Aspekte aufgefallen. Zum einen zeigte sich, dass der Median aller Simulationen nur auf eine Trefferquote von 49% kommt. Das mag zunächst erstaunen; intuitiv würde man eher von 50% ausgehen. Der Grund liegt vermutlich darin, dass etwas mehr als die Hälfte der Aktien im Zeitverlauf schlechter als die Benchmark performte, aber einige Aktien sich dann wiederum extrem viel besser als die Benchmark entwickeln. Aus dieser Perspektive war schon eine Trefferquote von 49% ausreichend, um mit einer gar nicht so niedrigen Wahrscheinlichkeit die Benchmark schlagen zu können. Wer aber eine sehr systematische Outperformance anstrebt, sollte auf Basis unserer Simulationen eine Trefferquote von 51% anstreben, um nach Kosten und Steuern eine gute Chance zu haben, den Markt zu schlagen.

Eine Trefferquote von 51% hört sich zunächst fast lächerlich leicht an. Und in der Tat gibt es auch in der Realität Portfolios, die über den Zeitraum von einem Jahr eine Trefferquote von über 60% aufweisen. Das Problem liegt hier aber in der Kontinuität. Schon über einen Zeitraum von zwei Jahren wird es schwer, eine Trefferquote von 55% zu erreichen, und je länger der Zeitraum gewählt wird, umso deutlicher bewegt man sich in Richtung der 50%. Daher ist es ein durchaus ambitioniertes Unterfangen, langfristig eine Trefferquote von 51% anzustreben. Der überaus größte Teil der simulierten Portfolios weist Trefferquoten von unter 51% aus! Auf der anderen Seite scheint es nicht unmöglich zu sein, dem Markt auch über längere Zeiträume ein Schnippchen zu schlagen, wie unsere Simulation beweist. Zudem ist die Trefferquote nicht das alleinige Kriterium für den Erfolg. Die Simulation zeigt unbestechlich auf, dass selbst mit Trefferquoten von 48% eine ordentliche Outperformance generiert werden konnte. Nicht immer, aber in einigen Fällen schon. Das Geheimnis liegt offensichtlich darin, nicht nur „Treffer“ zu landen, sondern ab und zu „Volltreffer“. Das sind die Werte, die den Index nicht nur etwas, sondern deutlich schlagen. Das schafft man ab und zu allein über den Zufall. Aber im Idealfall verfügt ein Asset Manager zumindest in einigen (oft sogar sehr eng definierten) Bereichen und Sektoren tatsächlich über stark überdurchschnittliche Fähigkeiten in der Selektion. Wenn man auf diese Fähigkeiten setzt und sie mit hoher Überzeugung umsetzt, können Märkte auch nach Steuern und Kosten geschlagen werden. Das klappt nicht jedes Jahr, aber gerade deswegen ist bei solchen Ansätzen ein langfristiger Investmenthorizont unabdingbar, wenn man den Markt schlagen möchte.

 

 

 

15. November 2023

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Das Interview ist eine Zweitveröffentlichung und wurde bereits in der performer-Ausgabe Nr. 34 im Oktober 2023 veröffentlicht.

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Autor

Dr.Christian Jasperneite

Dr. Christian Jasperneite studierte an der Universität Passau VWL und promovierte anschließend an der Universität Passau am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University begann er im Jahr 2000 als Analyst im Makro-Research von M.M. Warburg & CO, bevor er im Family Office der Warburg-Gruppe Chief Investment Officer wurde. Seit Anfang 2009 ist Dr. Jasperneite Chief Investment Officer bei M.M. Warburg & CO und verantwortet dort u.a. Fragen der strategischen und taktischen Allokation sowie der Portfoliokonstruktion und der Produktentwicklung.

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