Die Europäische Offenlegungsverordnung – Level 2: Neue Anforderungen an Art. 8 und Art. 9 Fonds ab dem 1. Januar 2023

Fast 3 Jahre nach der Verabschiedung der Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor – sog. Offenlegungsverordnung (EU) 2019/2088, tritt nun ab 1. Januar 2023 auch die dazugehörige Delegierte Verordnung zur EU-Offenlegungsverordnung in Kraft.

1. Hintergrund und rechtliche Grundlagen

Die EU-Offenlegungsverordnung (EU) 2019/2088 (im Folgenden SFDR[1] abgekürzt), wurde als Teil des EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums verabschiedet und führte mit ihrem Inkrafttreten am 10. März 2021 sowohl auf Unternehmensebene als auch auf Produktebene verschiedene Offenlegungspflichten ein.

Die Klassifizierung der Offenlegungsverordnung kennt drei Kategorien: Sie unterscheidet zwischen Produkten, die Artikel 6, Artikel 8 und Artikel 9 unterliegen. Während Artikel 6 Produkte traditionelle Anlagestrategien ohne die Berücksichtigung/Bewerbung von Nachhaltigkeitskriterien verfolgen, bewerben Artikel 8 Produkte unter anderem ökologische und/oder soziale Merkmale, Artikel 9 Produkte streben hingegen nachhaltige Investitionen an.

Grundsätzlich ist die EU Offenlegungsverordnung – wie jede andere Verordnung auf Ebene der Europäischen Union auch – unmittelbar und direkt in jedem Mitgliedsstaat anwendbar. Von der Regelungstiefe her erfordert sie jedoch eine konkrete Ausgestaltung der rechtlichen Vorgaben, ein sogenanntes „Level 2“. Bei der Verordnung selbst spricht man von „Level 1“. Üblicherweise treten Level 1 und Level 2 gleichzeitig oder in einem engen zeitlichen Zusammenhang hintereinander in Kraft.

Die Delegierte Verordnung zur EU-Offenlegungsverordnung ((EU) 2022/1288) wurde aber erst am 6. April 2022 verabschiedet – also über ein Jahr nach dem Inkrafttreten der EU-Offenlegungsverordnung selbst.

Die wichtigsten Daten in Bezug auf Level 1 und Level 2 der EU-Offenlegungsverordnung hier auf einen Blick zusammengefasst.

Abbildung 1 zeigt den entsprechenden Auszug aus Anhang II für die vorvertraglichen Informationen eines Artikel 8 SFDR Fonds:

2. Hauptteil: Was ändert sich nun zum 1. Januar 2023?

Die Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288 enthält neben den Konkretisierungen der Offenlegungspflichten aus der SFDR Verordnung zwingend zu verwendende Mustervorlagen für die sog. vorvertraglichen Informationen und für die sog. periodischen Informationen, weiterhin finden sich dort Vorgaben hinsichtlich der Veröffentlichung von Informationen in Bezug auf Nachhaltigkeit. Die Verordnung besteht insgesamt aus 6 Kapiteln, sowie 5 Anhängen und hat in der deutschen Übersetzung immerhin einen Umfang von 72 Seiten.

Kapitel II beschäftigt sich mit den Offenlegungspflichten auf Unternehmensebene und konkretisiert die entsprechenden Vorgaben aus der Offenlegungsverordnung bezüglich Transparenz bei nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (sog. PAI[2] – Statement). Diese Berichterstattung bezieht sich auf die Gesellschaft, z.B. die Kapitalverwaltungsgesellschaft des Fonds, nicht aber auf das Produkt Fonds selbst. Deswegen wird hier auf diese Regelungen nicht weiter eingegangen.

Kapitel III, IV und V betreffen dagegen die Offenlegungspflichten auf Produktebene. Kapitel III betrifft die vorvertraglichen Informationen (im englischen „precontractual information“), Kapitel IV die Offenlegung im Internet und Kapitel V die regelmäßigen Berichte (im englischen „periodic reporting“).

Die Delegierte Verordnung hat folgende Anhänge:

Anhang I Vorlage – Erklärung zu den wichtigsten nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen
Anhang II Vorvertragliche Informationen zu den in Artikel 8 Absätze 1, 2 und 2a der Verordnung (EU) 2019/2088 und Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2020/852 genannten Finanzprodukten
Anhang III Vorvertragliche Informationen zu den in Artikel 9 Absätze 1 bis 4a der Verordnung (EU) 2019/2088 und Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2020/852 genannten Finanzprodukten
Anhang IV Regelmäßige Informationen zu den in Artikel 8 Absätze 1, 2 und 2a der Verordnung (EU) 2019/2088 und Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2020/852 genannten Finanzprodukten
Anhang V Regelmäßige Informationen zu den in Artikel 9 Absätze 1 bis 4a der Verordnung (EU) 2019/2088 und Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2020/852 genannten Finanzprodukten

 

Vorvertragliche Informationen (Anhang II & III der Delegierten Verordnung (EU) 2022/1288)

Per Stand heute gibt es im Vergleich zwischen Artikel 8 und Artikel 9 SFDR Fonds anzahlmäßig und auch vom Fondsvolumen her deutlich mehr Artikel 8 SFDR Fonds, weswegen sich die Ausführungen im Folgenden auf die konkreten neuen Vorgaben für Investmentfonds, die sich Artikel 8 der SFDR unterworfen haben, konzentrieren.

Der mit der delegierten Verordnung geschaffene Anhang II ist ab 1. Januar 2023 zwingender Bestandteil des Prospekts bei jedem Artikel 8 SFDR Fonds. Die dort zu findenden vorvertraglichen Offenlegungspflichten konkretisieren die Vorgaben der EU- Offenlegungsverordnung selbst und geben dem Anleger zusätzlich Auskunft über die Taxonomiekonformität. Hinsichtlich der Taxonomie werden detaillierte Berechnungsmethoden vorgegeben, welche Produkte genau als taxonomiekonform betrachtet werden und wie sich der Anteil an taxonomiekonformen Investments berechnet. Das schließt sogar eine grafische Darstellung mit % für Investitionen einschließlich Staatsanleihen und ohne Staatsanleihen ein. Die Auskünfte zur Taxonomie sind grundsätzlich verpflichtend, selbst wenn das Produkt nicht auf Taxonomie abzielt, muss diese Aussage an verschiedenen Stellen in den vorvertraglichen Informationen explizit getroffen werden, die grafischen Darstellungen dürfen nicht entfallen, sondern müssen in diesen Fällen die 0 % an konformen Investitionen zeigen.

Besonders wichtig für den Vertrieb des Fonds sind zudem die Neuerungen im Kontext von „Nachhaltigkeitspräferenzen“ potentieller Anleger. Diese wurden durch die in 2022 in Kraft getretenen Delegierten Rechtsakte zu MiFID[3] II ((EU) 2021/1253) und IDD[4] ((EU) 2021/1257) eingeführt und erfordern die Offenlegung des Anteils nachhaltiger Investitionen in den vorvertraglichen Informationen. Durch diesen Ausweis können potentielle Anleger vor Kauf eines Fondsanteils leicht und eindeutig feststellen, inwiefern (und zu welchem Prozentsatz) die Investitionen des Fonds ökologisch oder sozial nachhaltig gemäß Artikel 2 Absatz 17 SFDR beziehungsweise ökologisch nachhaltig unter der EU-Taxonomie Verordnung (EU) 2020/852 sein werden.

Abbildung 2 zeigt, wie nach dem Anhang II bei Artikel 8 SFDR Fonds mit der dementsprechenden Offenlegung nachteiliger Nachhaltigkeitsfaktoren umzugehen ist:

Der in der Offenlegungsverordnung eingeführte Grundsatz des „Do not significant harm“ (DNSH) wird ab Januar 2023 ebenfalls explizit in den vorvertraglichen Informationen zu finden sein. Der potentielle Anleger muss an dieser Stelle informiert werden, inwiefern sichergestellt ist, dass die mit dem Finanzprodukt getätigten nachhaltigen Investitionen keinem der ökologischen oder sozialen Anlageziele erheblich schaden

Ein weiterer wichtiger Absatz in Anhang II beinhaltet die Abfrage und die Ausführungen zu der Berücksichtigung sog. nachteiliger Nachhaltigkeitskriterien (PAI).

Abbildung 3 zeigt diesen Zusammenhang an dem Beispiel PAI: Das Versprechen in den vorvertraglichen Informationen (vgl. Abbildung 1) wird in den periodischen Informationen unter dem gleichen Symbol wiederholt. Portfoliomanager und KVG müssen dann ausführen, wie genau die Berücksichtigung der PAI erfolgte.

Übersicht zu der Vermögensallokation, die für das Finanzprodukt geplant ist.

Die Mustervorlage endet mit den oben bereits erwähnten Grafiken zur Taxonomiekonformität, dem Ausweis des Mindestanteils an nachhaltigen Investitionen, die EU Taxonomie konform sind und dem Hinweis, ob der Fonds sich am einem (nachhaltigen) Referenzindex ausrichtet.

Periodische Berichterstattung (Anhang IV & V der Delegierten Verordnung (EU) 2022/1288)

Anhang IV und V geben den rechtlichen Rahmen für die sog. periodische Berichterstattung vor. Dort wird dazu Stellung genommen, ob und inwiefern die gesetzten vorvertraglichen Ziele erreicht worden sind. In jeden ab dem 1. Januar 2023 veröffentlichten Rechenschaftsbericht eines Artikel 8 oder 9 SFDR Fonds wird sich also Anhang IV bzw. Anhang V wiederfinden.

Der Aufbau der Anhänge IV und V folgt komplett dem Aufbau der Muster der Anhänge II und III: Jeder Absatz/ Unterpunkt der vorvertraglichen Informationen findet sich unter der gleichen Unterschrift in der periodischen Berichterstattung wieder, so dass der Anleger leicht vergleichen kann, ob das vorvertragliche Versprechen und die spätere Realität auch miteinander übereinstimmen.

Abbildung 4 zeigt einen Ausschnitt des Verordnungstextes im Original. Er stellt die in Abschnitt 1 beschriebenen Inhaltsanforderungen an sich Artikel 8 unterwerfenden Produkte dar:

Website-Informationen (Kapitel IV der Delegierten Verordnung (EU) 2022/1288)

Die Offenlegungspflichten für Produkte in Bezug auf das Internet finden sich in Kapitel IV der Delegierten Verordnung. Finanzmarktteilnehmer müssen ab dem 1. Januar 2023 für jedes Finanzprodukt, das unter Artikel 8 SFDR oder Artikel 9 SFDR fällt, in einem gesonderten Abschnitt Produktinformationen zur Nachhaltigkeit veröffentlichen. Dieser Abschnitt ist in dem Bereich der Webseite anzusiedeln, auf dem sich auch die anderen Informationen über das Produkt befinden. Die Überschrift „Nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungen“ muss dazu verwendet werden.

Der EU Gesetzgeber legt in Kapitel IV der Delegierten Verordnung genauestens die Inhalte und Reihenfolge der Darstellung in dem zusätzlichen Websiteabschnittes fest.

Die korrespondierenden Anforderungen für sich Artikel 9 unterwerfenden Produkte sind in Abschnitt 2 des Kapitel IV, mit der jeweiligen Inhaltsauflistung unter Artikel 37 der Delegierten Verordnung, vorzufinden.

3. Zusammenfassung und Ausblick

Delegierte Verordnung (EU) 2022/2018 erhält sehr viele neue Vorgaben für Produkte nach Artikel 8 und 9 SFDR. Das betrifft – wie dargestellt – insbesondere die vorvertraglichen und auch die periodischen Informationen, sowie die Darstellung auf der Internetseite. Bis Ende des Jahres verbleibt nur noch ein relativ kurzer Zeitraum, um alle regulatorischen Anforderungen zu erfüllen.

Obwohl die Delegierte Verordnung erst ab 1. Januar 2023, d.h. in weniger als 3 Monaten erstmals anwendbar sein wird, hat die EU Kommission jetzt schon die europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs), d.h. EBA, ESMA, EIOPA, im Rahmen von 2 Mandaten mit einer Überarbeitung beauftragt. Inhaltlicher Auftrag der Kommission ist hier einerseits eine Überarbeitung der Indikatoren für die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen (PAI) und der produktbezogenen Offenlegungspflichten andererseits. Die Kommission hat den Aufsichtsbehörden für ihre Rückmeldung eine Frist bis April 2023 gesetzt. Es bleibt also spannend.

 

 

29. November 2022

 

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[1] SFDR – Sustainable Finance Disclosure Regulation

[2] PAI – Principal Adverse Impact

[3] MiFID – Markets in Financial Instruments Directive

[4] IDD – Insurance Distribution Directive

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Autor

Fenja Olk-Puder

Fenja Olk-Puder ist Rechtsanwältin (Deutschland), Steuerberaterin (Deutschland). Sie verfügt über eine Berufserfahrung von mehr als 15 Jahren. Zunächst war sie 3 Jahre als Associate bei einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei in Frankfurt am Main in den Bereichen Merger & Acquisition und Litigation (Verfahrensführung und Nichtzulassungsbeschwerden beim Bundesfinanzhof) tätig. Seit 2005 hat Frau Olk-Puder in Luxemburg bei einer internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gearbeitet. Sie war dort in den letzten vier Jahren alleine verantwortlich für die gesamte steuerliche Beratung im Bereich Investmentfonds, einschließlich der steuerlichen Betreuung von betrieblichen und privaten Anlegern. Seit Januar 2018 ist Frau Olk-Puder Head of Tax & Regulatory bei Hauck & Aufhäuser Fund Services S.A.. Frau Olk-Puder ist spezialisiert auf die Beratung von Investmentvermögen, vermögenden Privatkunden und den gesamten Komplex der nationalen und internationalen Besteuerung von Kapitaleinkünften.

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