Die beste aller Welten oder ein Schönheitswettbewerb?

Internationale Aktienanleger befinden sich unverändert im Höhenrausch, zumindest wenn diese in US-Aktien, besser noch in die Glorreichen Sieben, investiert sind. Der US-Aktienmarkt mit den 500 größten Unternehmen (S&P500) hat in den letzten 12 Monaten fast 38 % zugelegt (Stichtag 30.06.24). Dazu haben allein die großen sieben US-Technologiewerte 33 % beigetragen, alle anderen 493 börsennotierten Unternehmen zusammen nur 5 %. Die Aktienrallye erfolgte rein selektiv und höchstkonzentriert, erst in den letzten Tagen konnte man eine Art Rotation erkennen, einen ersten Favoritenwechsel, wie wir ihn schon seit Monaten erwarten. Aber es bleibt abzuwarten, ob die Rotation der letzten Tage eine nachhaltige Markttiefe erfährt – denn – während man bei den großen Technologiewerten fast jede dunkle Wolke am Konjunkturhimmel mit dem Verweis auf Künstliche Intelligenz neutralisieren vermag, sieht es in den anderen Sektoren oftmals anders aus. Das der Rallye der Technologiewerte zugrundeliegende „Beste aller Welten“-Szenario (endlos steigende Umsätze und Gewinne dank KI) lässt sich abgesehen von der Hoffnung auf allgemein steigende Produktivitätsgewinne kaum übertragen. Hier bedarf es harter Anforderungen an ein wachsendes Wirtschaftsumfeld bei niedrigen Zinsen.

In der Nicht-KI-Welt gelten die harten ökonomischen Gesetze jenseits bereits weit getragener Wunschvorstellungen – geopolitische Spannungen, De-Globalisierungstendenzen, Protektionismus, Zölle und nicht zuletzt auch in der Folge hartnäckige Inflation und weniger optimistische Zinsszenarien. Über allem schwebt das Damoklesschwert überbordender Staatsverschuldung, dies- wie jenseits des Atlantiks, in Form einer offenbar unverändert fortgesetzten EU-Kommissionspolitik sowie immer wahrscheinlicher werdender Trumponomics 2.0.

Der oben angeführte Wertbeitrag der Glorreichen Sieben in Höhe von 87 % an der Gesamtmarktentwicklung ist vor diesem Hintergrund beeindruckend und lässt sich analytisch weiter in seine Bestandteile zerlegen. So ist lediglich ein Drittel mit gestiegenen Gewinnerwartungen der Unternehmen zu erklären (im „Beste aller Welten“-Szenario). Zwei Drittel sind auf eine sogenannte Multiple-Expansion zurückzuführen, d. h. die Anleger sind bereit, für dieselben zukünftigen Gewinne auf einmal viel mehr zu bezahlen. Auch hier könnten makroökonomische Szenarien zugrunde liegen – so rechtfertigen stark fallende Zinsen aufgrund ihrer relativen Wirkung durchaus höhere Multiples, allerdings erscheinen derartige Szenarien im aktuellen Umfeld wenig belastbar.

Es wäre spannend zu erfahren, wie der berühmte Ökonom John Maynard Keynes (1883-1946), der leider nie mit einem Nobelpreis gewürdigt wurde, die aktuellen Kapitalmärkte, das Investorenverhalten und die Wirtschaftspolitik der großen Blöcke beurteilen würde. Bekannt wurde der „Keynesianismus“ in der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre, in dem das Gedankenmodell von John Maynard Keynes den Mehrwert eines starken Staates und vor allem auch staatlicher Investitionen zur Glättung konjunktureller Einbrüche betont. Auch heute werden gerne seine Thesen zitiert, aber meist missbräuchlich benutzt, um kleinteilige staatliche Eingriffe zu rechtfertigen oder bereinigende Marktkräfte zu neutralisieren.

Weniger bekannt sind seine Gedanken und Arbeiten zu Aktienmärkten, insbesondere zur Entwicklung von Spekulationsblasen. Dazu entwickelte er das Gedankenmodell eines Schönheitswettbewerbs, der das rationale Investorenverhalten aushebelt. Wäre die Aktienbörse ein normaler Wettbewerb, so würde ein rationaler Anleger die aus seiner Sicht besten Aktien auswählen, bei denen das Verhältnis aus Preis, erzielbarem Wert und Risiko stimmt. Beim Keynesianischen Schönheitswettbewerb gewinnt aber der Anleger, der nicht die unbedingt besten Aktien kauft, sondern stattdessen auf die Aktien setzt, auf die vermutlich die meisten anderen setzen. Diese Art des Reflektierens begünstigt eine Art Lemminge-Effekt, der alle in dieselben Aktien treibt. Fundamentale Erwägungen und somit auch Bewertungen (Multiples) spielen keine Rolle. In derartigem Agieren erkennt Keynes die Grundlage von Spekulationsblasen, die zunächst zu einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung führen.

Als Vermögensverwalter in Aktien sehen wir uns weder in dem einen noch dem anderen Lager, weder setzen wir allein auf ein sehr optimistisches Szenario, noch laufen wir der Menge hinterher.

Unsere Strategie, Equity Story Leaders, steht für die Selektion qualitativ hochwertiger Unternehmen aus nachhaltigen Wachstumsbranchen bei ausgeprägt defensiven Eigenschaften.

Unser Fonds per 30.06.2024

Unser auf durchschnittlich 30 Qualitätstitel konzentrierter Fonds (H-Tranche) hat seit Jahresbeginn zugelegt, die Wertentwicklung beträgt +5,24 % und liegt damit hinter der Morningstar-Vergleichsgruppe (+8,49 %) und dem Weltaktienindex MSCI Welt EUR Net (+15,18 %). Hauptursache für die schlechtere Wertentwicklung ist neben einem vergleichbaren Untergewicht im teuren US-Technologiesektor vor allem die Bremswirkung der Nebenwerte im Portfolio. So liegt der MSCI Welt Nebenwerte EUR Net seit Jahresbeginn bei nur +3,1 %.

Mit jedem neuen erreichten Allzeithoch in den USA und den großen Technologiewerten, erreichen auch die Bewertungsanomalien im abgelaufenen Quartal neue historische Ausmaße.

So erreichen die Bewertungsspannen zwischen Regionen und Stilen wie USA|Rest der Welt, Growth|Value, Große Aktientitel|Nebenwerte kaum mehr zu rechtfertigende Niveaus. Einerseits sind die Treiber für diese Entwicklung – Zinssenkungs- und KI-Wachstumshoffnungen – intakt, andererseits verdunkeln sich viele makroökonomische Indikatoren.

Die in den ersten Tagen des neuen Quartals auch von uns erwartete Rotation in günstigere Titel und Nebenwerte steht vor einer Bewährungsprobe. Den Schlüssel für die weitere Entwicklung haben die Notenbanken und Politiker, letztere im Hinblick auf De-Globalisierungstendenzen und sich ausweitende Handelskonflikte.

Bei den aktuellen Bestandspositionen gehörten zu den Quartalsgewinnern Eiffage (Frankreich) mit +7,8 %, BB Biotech (Schweiz) mit +7,0 % und Qinetiq (Großbritannien) mit +6,8 %. Zu unseren Quartalsverlierern gehörten Mowi (Norwegen) mit -5,8 %, Constellation Brands (USA) mit -4,6 % und Stryker (USA) mit -3,7 %, jeweils in Euro.

Im abgelaufenen Quartal haben wir uns von den Positionen Barry Callebaut, BayWa, Deutsche Post, Deutsche Telekom, GFT Technologies, Huber + Suhner, Neste Oy sowie Piaggio getrennt, dafür Positionen erworben in BB Biotech, BMW, KSB, Stryker und TotalEnergies.

Aktuell sind wir in 32 Unternehmen investiert, die sich ausgewogen über globale Trends von Agrarrevolution bis hin zur innovativen Wasserversorgung verteilen, wobei aktuelle Marktführer gegenüber vermeintlich zukünftigen Gewinnern bevorzugt werden. Etwa ein Drittel unserer Positionen sind als Nebenwerte zu bezeichnen. Unsere fünf größten Portfoliogewichte zum Quartalsende: Alphabet (USA) 4,8 %, Garmin (Schweiz) 4,4 %, Vertex Pharmaceuticals (USA) 4,1 %, Qinetiq (Großbritannien) 4,0 % und Microsoft (USA) 3,7 %.

 

Der Beitrag ist eine Zweitveröffentlichung und wurde bereits im Juli 2024 auf dolphinvest-capital.eu veröffentlicht.

 

31. Juli 2024

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Autor

Thomas Böckelmann

Thomas Böckelmann übernahm im Jahr 2015 als Geschäftsführer die Leitung Portfoliomanagement bei Dolphinvest Capital GmbH. Davor führte er bereits 5 Jahre sein eigenes Finanzdienstleistungsunternehmen und agierte mehr als 20 Jahre im internationalen Kapitalmarktgeschäft für führende Finanzhäuser in Frankfurt und London. In 15 Jahren Tätigkeit für die Deutsche Bank ist er u.a. verantwortlich für die Beratung institutioneller Investoren wie Investmentfonds und Versicherungen gewesen. Als Direktor verantwortete er die Organisation und Durchführung zahlreicher internationaler Börseneinführungen und Platzierungen. Bei HSBC Trinkaus & Burkhardt war er als Spezialist für die Produkte Investmentstrategien und Asset Allocation (Vermögensstruktur) zuständig.

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