Das Imperium schlägt zurück

Die Outperformance der US-amerikanischen Aktienmärkte gegenüber dem Rest der Welt beträgt seit der Finanzkrise 2008 satte 277 %, getragen vor allem vom Technologiesektor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Giganten an Marktkapitalisierung, u. a. die sogenannten FAANG-Aktien Meta (ehemals Facebook), Apple, Amazon, Netflix (mittlerweile eher NVIDIA) und Alphabet (ehemals Google).

Die vier wesentlichen Gründe für diese relative Entwicklung waren:

  • das veränderte Anlegerverhalten nach der Finanzkrise, eher auf schnellere, weniger
    kapitalintensivere Branchen zu setzen
  • der Mittelzufluss in nachhaltigkeitsorientierte Titel seit dem Pariser Abkommen 2015, der vor allem nicht-zyklische, nicht-industrielle Unternehmen begünstigte
  • der zwei Dekaden währende Zinssenkungstrend, der die relativen Barwerte vor allem wachstumsstarker Unternehmen und damit deren Attraktivität erhöhte
  • die globale Technologieführerschaft und Marktmacht der genannten Unternehmen

Die Rallye hat die Unternehmen zu absoluten Indexschwergewichten mutieren lassen, kein ETF kommt an diesen Titeln vorbei. Der fragwürdige Trend zum passiven Investieren begünstigt ein stückweit eine selbsterfüllende Prophezeiung, die im Einzelfall zu irrwitzig hohen Bewertungen geführt hat.

Mit dem letzten Jahr schien die Wende eingeläutet – unter den Zinsanstiegen litt besonders der Technologiesektor und damit auch genannte Schwergewichte. Prompt war vom Value-Comeback die Rede, auch Europa machte sich Hoffnung auf einen Bruch der ewig anmutenden Phase der Underperformance. Die Technologieaktienkorrektur in 2022 war heftig und wenig differenziert – dabei gibt es Wachstumsaktien und Wachstumsaktien. Solche, die bislang nie Geld verdient haben und dieses auch nicht auf absehbare Zeit – vielleicht auch niemals – tun werden und solche, die bereits heute hochprofitable Marktführer sind. Beiden gemein sind natürlich die zu jetzt höheren Zinssätzen abzuzinsenden für die Zukunft erwarteten Unternehmensgewinne.

Die vom Kapitalmarkt im Jahr 2022 erfolgte annähernde Gleichbehandlung von heutigen Marktführern und eventuell zukünftigen Gewinnern entbehrte dabei jeder Grundlage – die durchaus vorhandene hohe Qualität der Topwerte im Technologiebereich wurde nicht hinreichend berücksichtigt. Zinssteigerungen und ihre mathematischen Folgen für die Bewertungen wogen scheinbar mehr als qualitative Faktoren wie Bilanzqualität, Transparenz, Margenstabilität und vor allem die Tatsache, als Weltmarktführer bereits erfolgreich strukturelle Wachstumsfelder besetzt zu haben. Die Abwertung bei potenziellen Disruptoren, die die Geeignetheit ihrer Geschäftsmodelle erst noch nachweisen müssen, war hingegen nachvollziehbar.

Im ersten Quartal 2023 erlebten wir erneut eine beeindruckende Rallye des Technologie-Imperiums, vor allem die FAANGs führen viele Wertentwicklungslisten an. Die Ursachen scheinen vielfältig, besonders nennenswert sind:

  • eine technische Korrektur der besonders starken Kurseinbrüche im Vorjahr
  • Zinssenkungshoffnungen für den Jahresverlauf

Vor allem beim Thema Zinssenkungen wird eine Hoffnung eingepreist, die unverändert den Äußerungen der Notenbanken, aber auch den strukturellen Inflationstreibern wie De-Globalisierung, De-Karbonisierung und Demographie widerspricht. Die kommenden Notenbanksitzungen werden besonders spannend und können nochmals Korrekturen in diesem Sektor einleiten. Dann stellt sich die Frage, ob erneut alle Titel im Sektor über einen Kamm geschert werden, oder die zwingend notwendige Differenzierung erfolgt.

Wir sind davon überzeugt, dass von hoher Qualität gekennzeichnete Technologiewerte auch bei weiteren Zinsanstiegen, aber auch im Rezessionsfalle einen positiven Beitrag in einem Portfolio leisten können. Eine Analogie zu den 70er Jahren ist nicht auszuschließen, als wenige globale Top-Titel, die sogenannten Nifty-Fifty, als sichere Häfen fungierten. Die hohe Bewertung war in den Phasen der Marktverwerfungen eher zweitrangig, die Widerstandskraft gegenüber einer Rezession stand im Mittelpunkt. Bei gegebener Unsicherheit im Hinblick auf die geopolitische wie weltwirtschaftliche Entwicklung scheint es wichtig, Qualität und Widerstandskraft des Wachstums als entscheidende Kriterien bei der aktiven Aktienselektion zu nutzen.

Unser Fonds per 31.03.2023

Die Wertentwicklung unseres auf durchschnittlich 30 Qualitätstitel konzentrierten Fonds (H-Tranche) betrug im ersten Quartal +4,27 % und lag damit besser als die Morningstar-Vergleichsgruppe (+3,88 %) und etwas schlechter als der MSCI Welt EUR Net (+5,83 %).

Im ersten Quartal konnten wir zunächst eine unterschiedliche Entwicklung der Faktoren Growth und Value in den USA und Europa erleben. Mit den sich übertragenden Zinssenkungshoffnungen schlug das Pendel zum Quartalsende dann eindeutig Richtung Technologie- und andere Wachstumswerte, während Finanztitel nach den Ereignissen um die Silicon Valley Bank und die Credit Suisse in schwere Fahrwasser gerieten.

Im Verlauf des Quartals haben wir das Portfolio weiter ausgebaut, mit Käufen in Austevoll Seafood (Norwegen) und Aurubis (Deutschland).

Bei den aktuellen Bestandspositionen gehörten zu den Quartalsgewinnern Piaggio (Italien) mit +40 %, Compugroup Medical (Deutschland) mit +32 % und Kering (Frankreich) mit +27 %. Zu unseren Quartalsverlierern gehörten Qinetiq (UK) mit -8 %, Huber&Suhner (Schweiz) mit -7 % und Roche (Schweiz) mit -7 %.

Zufrieden sind wir mit der gegenüber gängigen Indizes kontinuierlich niedrigeren Volatilität (gemessene Wertschwankungen) unseres Fonds – auf Jahressicht mit 14,3 % (MSCI Welt 18,6 %). Damit haben wir unser Investmentziel erfüllt, durch starken Fokus einerseits auf die Ausgewogenheit der Themen und andererseits auf die Qualität der selektierten und allokierten Unternehmen, auch in schwierigeren Marktphasen niedrigere Wertschwankungen zu bieten.

Aktuell sind wir in 36 Unternehmen investiert, die sich ausgewogen über globale Trends von Agrarrevolution bis hin zur innovativen Wasserversorgung verteilen, wobei aktuelle Marktführer gegenüber vermeintlich zukünftigen Gewinnern bevorzugt werden.

Unsere fünf größten Portfoliogewichte zum Quartalsende: Linde (Irland) 3,6 %, Thales (Frankreich) 3,4 %, Piaggio (Italien) 3,2 %, Vertex Pharmaceuticals (USA) 3,2 % und Eiffage (Frankreich) 3,0 %.

 

Der Artikel ist eine Zweitveröffentlichung und wurde bereits im April 2023 auf euroswitch.de veröffentlicht.

 

28. April 2023

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

zehn + 2 =

Autor

Thomas Böckelmann

Thomas Böckelmann übernahm im Jahr 2015 als Geschäftsführer die Leitung Portfoliomanagement bei Dolphinvest Capital GmbH. Davor führte er bereits 5 Jahre sein eigenes Finanzdienstleistungsunternehmen und agierte mehr als 20 Jahre im internationalen Kapitalmarktgeschäft für führende Finanzhäuser in Frankfurt und London. In 15 Jahren Tätigkeit für die Deutsche Bank ist er u.a. verantwortlich für die Beratung institutioneller Investoren wie Investmentfonds und Versicherungen gewesen. Als Direktor verantwortete er die Organisation und Durchführung zahlreicher internationaler Börseneinführungen und Platzierungen. Bei HSBC Trinkaus & Burkhardt war er als Spezialist für die Produkte Investmentstrategien und Asset Allocation (Vermögensstruktur) zuständig.

Weitere Empfehlungen für Sie:

Jetzt an unserer Umfrage teilnehmen!

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner