Das Ende der Komfortzone

Der Druck auf das klassische Fondsbusiness steigt

Jahrzehntelang schien die deutsche Fondsindustrie mit der „Lizenz zum Gelddrucken“ gesegnet zu sein. Selbst immer wieder zum Geschäft gehörende Marktkrisen konnten dem Geschäftsmodell nie etwas anhaben, da sich der Absatz häufig einfach nur in andere Fondsklassen verlagerte. So beispielsweise von Aktien- zu Rentenfonds, oder von Rentenfonds zu Mischfonds. Wichtig war somit als Fondsgesellschaft eigentlich nur eine breite Produktpalette mit ordentlichen Ergebnissen, um auf diese Nachfrageveränderungen mit einer Verschiebung der Marketingstrategie reagieren zu können.

Doch mittlerweile ist die Stimmung komplett umgeschlagen. Sorgenfalten und Ratlosigkeit skizzieren das aktuelle Bild bei den Fondsanbietern am besten, denn das ewige Schlaraffenland scheint sich mit rasanter Geschwindigkeit dem Ende zuzuneigen.

Deutliche Veränderungen sind bereits bei den ausländischen Fondsgesellschaften erkennbar

Einen ersten Indikator hierzu liefert ein Blick auf die ausländischen Fondshäuser. Üppige Margen im Fondsgeschäft und eine potentiell hohe Anzahl an recht betuchten Anlegern, machte den deutschen Fondsmarkt für die ausländischen Anbieter lange Zeit attraktiv. Insbesondere amerikanische, englische und französische Häuser buhlen seit Jahrzehnten um die Gunst der deutschen Investoren. Doch das Bild scheint sich zu drehen.

Kaum eine ausländische Adresse gönnt sich noch ein größeres eigenes Vertriebsteam. Offensichtlich ist dieser Ansatz zu teuer und nicht erfolgreich genug, scheint die Begründung zu sein. Zusätzlich verabschieden sich die meisten Häuser auch vom betreuungsintensiven sogenannten „Retailgeschäft“, dem Standardbusiness über freie Berater. Stattdessen liegt der volle Fokus mittlerweile meist ausschließlich noch auf dem Gewinn von institutionellen Investoren. Man konzentriert sich also lieber auf die Jagd nach den großen Tickets und hat dem breiten Markt dagegen abgeschworen.

Dieser Blickwinkel ist leider nicht ganz unbegründet, denn über die Dokumentationspflichten der Regulatorik ist der Umschlagfaktor bei Fonds im Retailgeschäft quasi zum Erliegen gekommen. Somit weniger Potential für die KVGen Mitbewerbern bei guter Leistung Geschäft abzuwerben. Dazu ist die Beraterschaft auch noch hoffnungslos überaltert mit massiven Nachwuchsproblemen unterwegs. Von den verbliebenen knapp 40.000 (früher 70.000) Beratern mit der Fondsvermittlungserlaubnis nach §34f GewO, sind bereits viele Vermittler mittlerweile inaktiv, sodass diese Zielgruppe für die Fondshäuser ständig schrumpft. Ganz nebenbei bemerkt, gilt dies natürlich auch identisch für die deutschen KVGen.

Und last but not least sieht man immer mehr Fusionen unter den ausländischen Fondsmarken, da vielfach zumindest über die reine Größe Synergieeffekte erhofft werden. Ob Franklin Templeton und Legg Mason oder Standard Life und Aberdeen, beides sind nur zwei Beispiele von vielen.

Nur ein Gefühl? Oder wirklich Fakt?

Wie gerne würde man nun darauf verweisen, dass die Strategie der ausländischen Häuser unbegründet und unüberlegt sei. Aber das Gegenteil ist leider der Fall. Denn die Nettomittelzuflüsse über alle Gesellschaften, die der BVI (Bundesverband Investmentfonds) regelmäßig veröffentlicht, bestätigt die Dramatik leider nur zu gut. Dort zeigt sich zum einen in schöner Regelmäßigkeit, dass sich gut 90 % der Gesamtnettomittelzuflüsse in Deutschland auf maximal 10 % der Fondshäuser verteilen. Das Gros der KVGen prügelt sich um den Rest und kämpft ums Überleben. Noch klarer wird der Schnitt, wenn man die Zuflüsse nach aktiv gemanagten Fonds und nach passiven Fonds (ETFs) unterteilt. Häuser, die auf aktive Fonds setzen, verspüren seit Monaten, trotz bester Marktrahmenbedingungen mit beinahe 2 Jahren Börsenhausse am Stück, permanente und ungebremste Nettomittelabflüsse. Die Zahlen lügen also nicht – die Fondsindustrie hat durch die Bank ein massives Problem.

Manche Entwicklungen sollten doch hoffen lassen?

Ein wenig stutzt man dennoch beim beschriebenen Szenario. Denn es gibt auch Tendenzen, die gefühlt eher sinnbildlich für einen positiven Ausblick stehen sollten. So ziehen sich beispielsweise die Banken in großer Breite aus der Fläche zurück.

Somit weniger Konkurrenz für alle, die nicht DWS, Deka oder Union favorisieren, sollte man auf den ersten Blick meinen. Das mag für den Vertriebsweg der freien Vermittler auch gelten, doch dafür schwächelt parallel der vorher so lukrative Drittfondsvertrieb der Banken für die KVGen dagegen nun erheblich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Banken derzeit offensichtlich grundsätzlich weniger aktives Drittfondsgeschäft vermitteln und stattdessen zu anderen Produktkategorien (hauseigene ETFs oder Zertifikate) greifen.

Ein anderer Punkt, der zunächst hoffen lässt, sind die Veränderungen rund um die jahrelang angeprangerte fehlende Finanzbildung der Deutschen. Viele Anlegertrainingstools mit Depotfollowerfunktionen, wie Wikifolio beispielsweise, und eine Unmenge von sogenannten FinFluencern, wollen den Deutschen hierbei auf die Sprünge helfen, sodass eigentlich mehr Nachfrage nach Fondslösungen zu erwarten war.

Der Plan ging nach hinten los – die Deutschen bleiben beim Thema „Finanzen“ unberechenbar

Auch hier sieht die Realität leider anders aus. Über diese neuen Kanäle und Promotoren ist offensichtlich eher der Eindruck entstanden, dass Kapitalanlage etwas so Einfaches ist, dass es jeder ungelernt kann und Beratung nicht länger vonnöten ist. Wie in jeder Börsenhausse überspringen die risikofreudigen Einsteiger (Execution-only-clients) häufig direkt den soliden Fonds als mögliches Anlageinstrument und wenden sich sofort Einzelaktien, Optionsscheinen, Kryptowährungen oder Daytrading zu. Ein gefährlicher Trugschluss, der sich bestimmt in der nächsten Börsenbaisse rächt, aber aktuell den Fondshäusern auch nicht wirklich in die Karten spielt. Profiteure sind eher andere, wie die aufsteigenden Neobroker, wie Smartbroker, Trade Republic oder Flatex.

Und dann ist da noch die riesige Gruppe der klassischen deutschen Zinssparer (knapp 80 % der Bundesbürger). Haben sich viele Berater und Fondshäuser gefreut in der Nullzinsphase aus diesem Segment reichlich Neukunden gewonnen zu haben, so müssen beide Parteien nun genauso leidvoll erkennen, dass ihnen dieselben Kunden wieder Richtung Bank abwandern. Denn, deren „Lieblingsdroge“, der Zins, ist ja wieder in auskömmlicher Höhe zurück. Dazu hat das schlechte Börsenjahr 2022 gerade bei diesen häufigen „Fondsersttätern“ erhebliche Wunden hinterlassen, die nicht gerade für weiteres Vertrauen gesorgt haben. Auch aus diesem Segment kommen somit leider ebenfalls eher Nettomittelabflüsse für die Fondshäuser.

Die Kostenthematik überlagert alles – aktives Fondsmanagement konnte sich zu wenig beweisen

Doch alle betrachteten Aspekte verschwinden von der Bedeutung her, wenn man sich dem Thema „Kosten“ nähert. Hier wird der ganze Umbruch der Fondsindustrie sichtbar. Hier laufen alle regulatorischen Bemühungen der letzten Jahre von Seiten Verbraucherschutz und Politik zusammen. Sei es die transparentere optische Darstellung der Gebühren über die „ex-ante-Kostenaufklärung“, sei es die klare Vorgabe, dass Kickbacks aus Produkten eindeutig dem Kunden zu erstatten sind, sei es das permanente Drohgebärde in Sachen Provisionsverbot, sei es die von behördlicher Seite stetig gegebene Empfehlung nur in kostengünstige passive Fonds (ETFs) zu investieren oder last but not least die ständige Diskussion, ob die teureren aktiven Fonds ihren Preis durch eine besser Leistung auch wert sind. Kosten werden immer mehr zur einzigen Entscheidungsgrundlage und die Qualitätsfrage wird dagegen gar nicht mehr gestellt.

Dieser Megatrend krempelt die komplette Fondsbranche um. Die Fondsgesellschaften, die aktive Fonds favorisieren, sind schnell als zu teuer abgestempelt. Insbesondere Retailfondstranchen, die teurer sind, da sie eine Bestandsprovision an den Vertrieb zahlen, verschwinden immer mehr vom Markt. Kein Wunder, denn in Fund-of-funds-Lösungen sind nur noch günstige Zielfonds gewünscht. Und so passen die Retailfondstranchen nicht mehr in das Beuteschema von Dachfondsmanagern und Vermögensverwaltern.

Die Häuser, die ETFs anbieten, können umsatztechnisch zwar durchatmen. Aber zu welchen Margen? Teilweise sind schon Angebote mit NULL-Basispunkten im Markt. Schön für den Investor, doch welcher Fondsgesellschaft hilft dieser brutale Preiskampf wirklich?

Zwei kleine Ãœberraschungen

Auch sonst treibt die Marktveränderung teils kuriose Stilblüten.

So wenden sich Berater aus völlig nachvollziehbaren regulatorischen Zwängen auf einmal wieder Produktlösungen zu, die vorher lange Zeit nicht ihre Favoriten waren, da es traditionell die klassischen Bankenwettbewerberkonzepte waren. Stichwort: Fondsvermögensverwaltungen. Schön, für die Anbieter, wie die Patriarch, die hier mit bewährter und langjähriger Produktpalette gut aufgestellt sind. Viele andere Fondshäuser werden hier aber überrumpelt, denn sie haben in diesem Bereich überhaupt kein eigenes Angebot, da das Segment lange Zeit nicht en vogue war. Schwer hier mal eben eilig etwas nachzuziehen.

Aber auch den Anbietermarkt an sich wirbeln die derzeitigen Tendenzen stark durcheinander. So betrat mit dem Haus „Dimensional“ vor einigen Jahren ein in Deutschland komplett neuer Anbieter den Markt und konnte mit seiner auf passive Ansätze beruhende Produktpalette einen seit Jahren nicht mehr gesehenen raketenartig erfolgreichen Markteintritt verbuchen. Kein aktives Haus konnte zuletzt einen auch nur annähernd ähnlichen Markteinstieg verzeichnen. Man muss kein großer Marktkenner sein, um sicher zu sein, dass Dimensional mit derselben Angebotspalette vor 10 Jahren in Deutschland krachend gescheitert wäre. Besser kann man den „Zeitenwandel in der Fondsindustrie“ kaum an einem einzelnen Beispiel aufzeigen.

Was kann die Trendwende bringen? Die ELTIFs?

Den Blick in den Rückspiegel in allen Ehren, aber was kann helfen, um in der schwierigen Situation wieder einen Schritt nach vorne zu kommen?

Dazu begegnet einem allerorten die Zauberformel „ELTIF“ (European Long Term Investment Funds). Kurz gesagt, eine neue innovative Verpackungsform für Assets, die in der bisherigen Form nicht in ein offenes Depot zu packen waren (Klimainvestments, Infrastrukturinvestments, Private Debt, Venture Capital etc.). Wenn man so will sind ELTIFs die legitimen Nachfolger der AIFs (Alternative Investment Funds). Das europäische Parlament hat mit seiner letzten Novelle zum Thema ELTIF vieles regulatorisch vereinfacht, sodass über dieses Vehikel vielen Kleinanleger erstmals Investments in bestimmten Segmenten zugänglich werden.

Der Erfolg wird sich zeigen. Dabei sein wollen zumindest viele. Auch dieser Trend zeigt, wie dringend neue Ideen gesucht werden.

Stehenbleiben verboten!

Eines ist sicher – nie war der Kampf am deutschen Fondsmarkt so hart. Und dies bei ständig wachsenden Herausforderungen und Kosten, bei gleichzeitig sinkenden Margen. Wir sind mitten in einem enormen Konsolidierungsprozess und gleichzeitigem Verdrängungswettbewerb. On top sind alle Prozesse nur noch digital markttauglich, was den Sachverhalt gerade für viele kleinere Häuser nochmal schwieriger macht.

Für die deutschen Fondsanbieter ist es 5 vor 12. Wer jetzt nicht aus seiner Komfortzone kommt und ein schlüssiges Konzept für veränderte Rahmenbedingungen entwickelt, wird in kürzester Zeit untergehen oder vom Markt verschluckt worden sein. Daher war Kreativität und Innovationskraft wohl nie wichtiger als jetzt.

Eines dürfte sicher sein. Wenn man sich in 5 Jahren die deutsche Fondsszene erneut anschaut, dürfte sich die Landschaft dramatisch verändert haben. Doch wie immer – wo Risiken sind, da sind auch enorme Chancen, für die Häuser, die diesen Selektionsprozess als Herausforderung verstehen und annehmen.

Der Gewinner steht fest

Bei aller berechtigter Sorge um die Fondsanbieter, so kann man dem pfiffigen Fondsanleger jedoch nur gratulieren. Wohl nie konnte sie oder er so preisgünstig so qualitativ hochwertige Investments tätigen. Nie waren die Fondsthemen so modern und innovativ. Nie die Depotverwahrung so digital und preiswert. Nie die Produktvielfalt so groß.

Und auch in der Beraterlandschaft hat der Konsolidierungsprozess bereits Verbesserungen gebracht. Nur echte Spezialisten leisten sich noch die Erlaubnis zur Fondsberatung. Die vermeintlichen Allrounder mit eher rudimentärem Fondswissen hat die Entwicklung überwiegend schon aus dem Markt gespült. Das Beratungslevel hat sich dadurch zum Wohle der Verbraucher eindeutig erhöht.

Fazit

Es ist also nicht alles schlecht. Schon gar nicht aus Anlegersicht. Auch wenn sich die jahrelang verwöhnten Fondsgesellschaften nun tatsächlich einmal mächtig strecken müssen. Viele werden es nach zahlreichen fetten Jahren überleben und nach einer notwendigen Neustrukturierung wieder mit neuem Elan und Energie aus dieser Krise hervorgehen. Mal schauen, auf welche Innovativen Neuerungen wir alle uns dann freuen dürfen.

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Autor

Dirk Fischer

Dirk Fischer ist Geschäftsführer der Patriarch Multi-Manager GmbH in Frankfurt. Seit 2007 führt er den unabhängigen Produktentwickler, welcher für seine Konzepte stets die favorisierten Manager am Markt mit dem jeweiligen Asset Management seiner verschiedenen Produktideen beauftragt. Der Dipl.-Bankbetriebswirt begann seine berufliche Karriere im Private Banking der Deutschen Bank AG. Danach war er sechs Jahre als Vertriebsleiter und Prokurist beim Maklerpool Jung, DMS & Cie. AG für die Betreuung von unabhängigen Finanzdienstleistern verantwortlich. Seit 2014 ist er gefragter Referent in der exklusiven Rednervereinigung „Speakers Excellence“. Im Bereich der Top100-Unternehmer im Kreise von Persönlichkeiten wie Wolfgang Grupp, Dietmar Hopp oder Günter Netzer belegt er den Themenbereich Unternehmensaufbau und -entwicklung.

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