Vor einigen Jahren sorgte eine Studie mit dem Titel „Indexing and Active Fund Management: International Evidence“ für Aufsehen. Die Wissenschaftler hatten bei ihrer Untersuchung von passiven und aktiv gemanagten Fonds auch eine große Vielzahl von sogenannten „Closet Indexers“ oder „Indexschmusern“ – also heimlichen Indexfonds – identifiziert. Damit sind jene Fonds gemeint, die vorgeben, aktiv verwaltet zu werden und daher eine entsprechend hohe Managementgebühr erheben, sich tatsächlich aber nahe an eine Benchmark anlehnen.
Das rief Verbraucherschützer und (inter-)nationale Fondsregulatoren, die dem Anlegerschutz verpflichtet sind, auf den Plan. Denn das Problem für sie nennt sich Etikettenschwindel. Ein derartiger Fonds kann weder, wie ein passiv gemanagter Fonds, kostengünstig eine Benchmarkentwicklung nachbilden, noch bietet er, wie ein aktiv gemanagter Fonds, wenigstens die Chance auf eine Mehrperformance. Im Gegenteil: Durch die hohen „aktiven“ Kosten ist eine Underperformance für den Anleger vorprogrammiert.
Woran erkennt man „Closet Indexers“?
Die ESMA hatte daher im Jahr 2015 untersucht, welche der in der EU domizilierten UCITS-Aktienfonds solche „Closet Indexers“ sind. Doch woran erkennt man einen „Indexschmuser“? Dazu ziehen Fachleute meist drei Kennzahlen heran:
- einen niedrigen „Active Share“ (den Prozentsatz des Portfolios, der nicht mit den Benchmarktiteln übereinstimmt),
- einen niedrigen „Tracking Error“ (die Volatilität der Differenz aus Fonds- und Benchmarkperformance) und
- ein hohes „R²“ (die Korrelation zwischen der Fonds- und Benchmarkperformance)
Keine dieser Kennzahlen gibt jedoch einen eindeutigen Hinweis auf einen Indexschmuser. So kann auch ein Fonds mit niedrigem Tracking Error sehr aktiv gemanagt sein, z. B. wenn er diversifizierte Einzelwetten setzt. Analog kann ein Fonds mit niedrigem Active Share durchaus sehr aktiv verwaltet sein, wenn er z. B. systematische Risikofaktoren bespielt. Zudem gibt es bei keiner Kennzahl einen objektiven Schwellenwert, bis zu dem von einem Indexschmuser gesprochen werden kann.
„Closet Indexers zu erkennen ist gar nicht so leicht.“
Dr. Wolfgang KirschnerDefizite bei Informationen zu aktiv gemanagten Fonds
Angesichts dieser Unschärfe hatte die ESMA auf die Benennung konkreter Indexschmuser verzichtet und im Jahr 2016 weitere Untersuchungen auf nationaler Ebene angestoßen. Sie will künftig verstärkt sicherstellen, dass die Marktteilnehmer ihren Transparenzpflichten in vollem Umfang nachkommen und dort, wo mögliche Defizite im UCITS-Regelwerk (z. B. bei den Transparenzpflichten) bestehen, für Nachbesserungen sorgen.
Better Finance – eine einflussreiche europäische Interessenvereinigung von Finanzdienstleistungsnutzern – ging aber weiter. Sie hatte die ESMA-Untersuchung nachgebildet, 165 potentielle Indexschmuser identifiziert und im Februar 2017 an den Pranger gestellt (vgl. checkyourfund.eu). Dabei werden auch jene Fonds kritisiert, die weder eine Benchmark noch ausreichende Informationen veröffentlichen, um Closet Indexers als solche erkennbar zu machen. Better Finance fordert die Fondsgesellschaften und Regulatoren auf, für mehr Transparenz darin zu sorgen, wie Gebühren von mehr als 0,75% p.a. für potentiell falsche aktive Fonds zu rechtfertigen sind. Auch bei aktiven Aktien-„AIF“-Fonds soll dies gelten.
BaFin veröffentlicht neue Transparenzstandards
Den jüngsten Vorstoß im Kampf gegen Closet Indexers unternahm die BaFin. Sie hat zwar bei einer eigenen – im vergangenen Jahr durchgeführten – Untersuchung von 290 deutschen Aktienfonds keine Indexschmuser feststellen können, sieht aber auch Verbesserungsbedarf bei der Information der Anleger. Deshalb fordert sie seit April 2017 zusätzliche Angaben im Verkaufsprospekt deutscher Aktienfonds:
- eine verbindliche Festlegung, ob der Fonds aktiv oder passiv verwaltet wird
- einen stärkeren Hinweis als bisher auf einen vorhandenen Referenzwert (bzw. eine Erläuterung für den Verzicht auf einen Referenzwert)
- Hinweise, wenn der Fondsmanager Vorgaben zur maximalen Benchmarkabweichung beachten muss
- einen Chart bzw. ein Kurvendiagramm mit einer Gegenüberstellung der Wertentwicklung des Fonds und des entsprechenden Referenzwertes.
Hier zeigt sich ein Dilemma: Einzelne nationale Vorgaben können dem Anlegerschutz kaum gerecht werden. Erstens gelten diese Vorgaben nicht für die Vielzahl der anderen EU-domizilierten UCITS- und AIF-Aktienfonds. Zweitens bleiben die wesentlichen Anlegerinformationen (KIIDs) davon unberührt. Drittens werden unterschiedliche Darstellungsformen vorgeschrieben (z. B. im KIID ein Balkendiagramm für den Wertentwicklungsvergleich).
„Die Präferenz der Aufsicht für klarstellende Transparenzstandards im Rahmen der bestehenden Gesetze ist zu begrüßen.“
Dr. Wolfgang KirschnerAngesichts fehlender eindeutiger Kriterien, mit denen Indexschmuser identifiziert werden könnten, ist es zu begrüßen, dass bislang auf die Vorgabe von Schwellenwerten, z. B. für den Active Share oder den Tracking Error, verzichtet wird. Was selbst Fachleuten Kopfzerbrechen bereitet, dürfte beim zu schützenden Kleinanleger erst Recht zu Missverständnissen führen.
Fazit
Aktiv gemanagte Aktienfonds haben sich nicht nur gegen passive Aktien-ETFs zu behaupten, sondern auch gegen mögliche Vorhaltungen, sie seien Closet Indexers. Nationale und internationale Regulierer fordern zunehmend ergänzende Angaben ein, um potentielle Indexschmuser für den Kleinanleger erkennbar zu machen. Verbraucherschützer brandmarken Fonds als potentielle Closet Indexers, obwohl es keine objektiven Kriterien dafür gibt.
Fondsgesellschaften tun daher auch ohne explizite Regulierungsvorgabe gut daran, in der Beschreibung der Anlagestrategie begründet darzulegen, ob und inwieweit die von ihr vorgenommene diskretionäre Aktienauswahl im Rahmen eines aktiven Managements erfolgt und außerdem, ob und wie die angewandten Methoden und Prozesse zum Überschreiten der Benchmark nach Kosten führen können.
04. Mai 2017
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Dr. Wolfgang Kirschner
Dr. Wolfgang Kirschner ist im Vermögensmanagement bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers für die Betreuung von institutionellen Kunden verantwortlich. Darüber hinaus ist Dr. Wolfgang Kirschner an der Hochschule Augsburg als Dozent für Kapitalmarkt- und Asset-Management-Themen tätig.