„Bewegte Zeiten“

Die Tresides Asset Management GmbH wurde 2013 von ehemaligen leitenden Mitarbeitern einer deutschen Investmentgesellschaft gegründet, ist inhabergeführt und agiert unabhängig. FondsTrends sprach mit Michael Krauß, Partner und Senior Fondsmanager Rohstoffe, über volatile Rohstoffpreise, Nachhaltigkeit, die längerfristigen Perspektiven von Rohstoffen als Anlage und die Vorteile von Investmentboutiquen.

FondsTrends: Herr Krauß, der Ölpreis WTI ist kürzlich zwölf Tage hintereinander um 20% vom Hoch eingebrochen, der Gaspreis hingegen an einem einzigen Tag um 17% nach oben explodiert. Rohstoffpreise sind demnach zeitweise äußerst volatil. Wie gehen Sie damit im Portfoliomanagement um?

Michael Krauß: Die letzten Tage waren in der Tat nicht vergnügungssteuerpflichtig. Wir hatten mit mehreren Phänomenen gleichzeitig zu kämpfen. Zuerst muss man festhalten, dass man mit regelbasierten Produkten keinen unmittelbaren Eingriff bei Tagesbewegungen vornehmen kann. Auch muss man nach solchen Kursverläufen aufpassen, dass man aufgrund von diesen Extremevents, also sogenannten „Fat-Tails“, nicht dazu übergeht, die ganzen Überlegungen auf diesen einen Fall hin zu optimieren.

Was ist passiert?

Anfang Oktober markierte Öl noch ein Jahreshoch um die 76 USD/Barrel (WTI) bzw. 86 USD/Barrel (Brent). Die Iran-Sanktionen standen vor der Tür, die Analysten hatten ihre Schätzungen zuvor deutlich in die Region um 100 USD/Barrel hochgestuft und die Aktienmärkte waren ebenfalls auf Alltime-Highs.

Doch im Vorfeld der US-Wahlen wurden die Iran-Sanktionen etwas aufgeweicht. Die US-Administration stellte einigen Abnehmern sogenannte „Waiver“ aus, die es ihnen erlaubt nach wie vor offiziell Öl aus dem Iran zu beziehen. Dies traf auf eine gesteigerte Förderleistung der OPEC+ (OPEC plus Russland), die eben in Erwartung der Iran-Sanktionen die Produktion hochgefahren hatten. Zudem produzierte die Fracking-Industrie etwas mehr als erwartet – und fertig war das Überangebot, das sich dann auch in den offiziellen Lagerdaten niederschlug. Zeitgleich wurden die Öl-Nachfrageprognosen für die Hauptabnehmer-Länder aus den Emerging-Markets für nächstes Jahr gesenkt, womit Öl dann endgültig von der Produktionsseite und einer sich abschwächenden Nachfrageerwartung in die Zange genommen wurde.

Ergebnis war ein deutlicher Preisrückgang und auch eine strukturelle Verschiebung der Terminkurven. Aus einer eher positiven Backwardation-Kurve wurde in wenigen Tagen in den vorderen Kontrakten eine Contango-Struktur.

Bei Erdgas lief die Preisbewegung noch schneller ab, dafür in die entgegengesetzte Richtung. Die im Vergleich zum 5-Jahresdurchschnitt tiefen Lagerbestände kurz vor Beginn der Heizperiode und die Befürchtung, dass es zu einem ähnlich kalten Winter wie 2014 kommen könnte („Polar Vortex“), sorgten für einen schnellen und sprunghaften Anstieg von Erdgas am vorderen Ende der Kurve. Innerhalb von vier Tagen verteuerte sich Erdgas im Jan19-Kontrakt um ca. 38%. Die implizite 3-Monatsvolatilität erreichte einen 13-Jahreshöchststand (länger reichen die Daten nicht zurück).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es zu einer extremen relativen Bewegung zwischen Erdgas (starker Preisanstieg) und Rohöl (deutlicher Preisrückgang) kam. Historisch kam es schon öfters zu ähnlichen Bewegungen. Dass aber Öl und Erdgas innerhalb von wenigen Tagen eine so stark diametrale Bewegung zeigen, könnte man umgangssprachlich wohl als „Fat-Tail“, also als ein Extremevent bezeichnen.

Dies hat uns gegenüber dem BCOM (Bloomberg Commodities Index) in einer sehr kurzfristigen Betrachtung zwar relative Performance gekostet. Wenn man aber das Konzept seit Auflage über mehrere Jahre verfolgt, hat der Tresides Commodity One eben doch eine deutliche Outperformance gegenüber dem BCOM erzielt.

FondsTrends: Seit Auflage konnte der „Tresides Commodity One“ trotz des schwierigen Umfeldes zulegen und hat mehrere Auszeichnungen erhalten. Was ist für den Erfolg im Rohstoffsektor wichtig? Was zeichnet Ihren Ansatz aus?

Bei der Verleihung der €uro-FundAwards wird der Tresides Commodity One prämiert.

Michael Krauß: Nun gut, für den Erfolg sind zunächst positive Rohstoffmärkte wichtig. Mit einem Long-Only-Produkt können Sie sich fallenden Märkten letzten Endes nicht entziehen. Aber das Ziel unseres Ansatzes war und ist es natürlich langfristig einen Mehrwert gegenüber den breiten Indices sowie wenn möglich auch gegenüber den Wettbewerbern zu bieten. Unser regelbasierter Ansatz lässt sich vereinfacht in vier Stufen unterteilen.

In der ersten Stufe haben wir ein eigenes Tresides-Universum mit 18 Rohstoffen aus den vier Sektoren Basismetalle, Edelmetalle, Energie und Softs ohne Grundnahrungsmittel ausgewählt. Dabei verzichten wir bewusst auf alle im Welternährungsindex der Vereinten Nationen enthaltenen Grundnahrungsmittel, also z.B. Weizen oder Mais.

In einem zweiten Schritt haben wir einen eigenen Roll-Kalender erstellt. Dabei investieren wir bewusst nicht in den vorderen Kontrakten, sondern soweit möglich in den 6 bis 12 Monatskontrakten.

Im dritten Schritt wählen wir aus den 18 Rohstoffen die 12 mit der höchsten Backwardation (erwartete Rollgewinne) bzw. mit dem geringsten Contango (Rollverlust) aus.

Im vierten Schritt werden diese 12 Rohstoffe dann noch unterschiedlich stark gewichtet.

Tresides Commodity One gewinnt Lipper Fund Awards.

Diese Selektion wird vierteljährlich durchgeführt. Natürlich gibt es am Rohstoffmarkt sehr unterschiedliche Ansätze, von denen ich mir viele angesehen habe. Der Vorteil unseres Backwardation getriebenen Modells ist m.E., dass es nur auf die Terminkurve abstellt. Also z.B. nicht Lagerdaten oder Händlerpositionen berücksichtigt. Denn die Kurve mag nicht immer Recht haben, aber es ist der Marktplatz an dem die meisten Informationen zeitnah zusammen finden.

FondsTrends: Das Thema Nachhaltigkeit spielt eine immer wichtigere Rolle im Asset Management. Organisationen wie Food Watch und Oxfam vertreten die These, dass Fonds mit ihren „Spekulationen“ in Rohstoffen zu Preissteigerungen – insbesondere in der Dritten Welt – beitragen. Man kann jedoch auch genau die gegenteilige These vertreten: gerade durch Rohstofffonds werden mögliche Knappheiten früher erkannt und somit Anreize geschaffen, Exploration, Förderung bzw. Anbau zu verstärken. Was entgegnen Sie Kritikern?

Michael Krauß: Die Kritik von Food Watch und Oxfam bezog sich explizit auf die Nahrungsmittel. Nach meinem Dafürhalten spiegelt die Preisentwicklung der letzten Jahre eher die Lagerbestandsentwicklung wider. Aber aus meiner persönlichen Erfahrung habe ich gelernt, dass ein so emotionales Thema wie „Essen“ bzw. „Nahrung“ niemals mit rationalen Sachargumenten gelöst werden kann. Daher haben wir uns dafür entschieden, durch unsere Selbstbeschränkung nicht in Rohstoffe aus dem Welternährungsindex der Vereinten Nationen zu investieren. Deshalb kommen aus dem Agrarbereich für uns nur Baumwolle, Kakao und Kaffee in Frage. Und ja, Kaffee hat in den meisten deutschen Büros den Rang eines Grundnahrungsmittels, ist aber trotzdem nicht in dem UN Food Index vertreten.

FondsTrends: Rohstoffpreise befinden sich historisch betrachtet auf einem sehr niedrigen Niveau. Andererseits gibt es einen langen deflationären Trend durch die negative demografische Entwicklung in den Industrienationen sowie technologische Umbrüche. Was sehen Sie als die Kernentwicklungen, die ein längerfristiges Investment in Rohstoffen reizvoll machen?

Michael Krauß: In der Tat sind Rohstoffe im Vergleich zu vielen anderen Assetklassen relativ gesehen günstig. Generell profitieren Rohstoffe im späten Wirtschaftszyklus oft überdurchschnittlich. Leider hat im aktuellen Zyklus der eskalierende Handelsstreit zwischen den USA und China einen deutlich überlagernden Effekt. Wir sehen aber vor allem bei den Basismetallen, dass die Explorationsausgaben deutlich zurückgingen, was sich in den nächsten Jahren bei einigen Rohstoffen bemerkbar machen sollte. Auch dürfte der Handelskonflikt aufgrund sich verändernder und verlängernder Handelsketten eher inflationär wirken, was meistens positiv für Rohstoffe ist.

FondsTrends: Sie waren gerade auf dem Deutschen Vermögensverwaltertag des VuV (Verband unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e.V.) in Essen und sind am 20. November Speaker bei Fundplat in München. Wie wichtig ist das Networking im B2B-Vertrieb? Sprechen Sie auch private Investoren an oder ist das Thema Rohstoffe eher professionellen Investoren vorbehalten?

Michael Krauß: Als unabhängiger Vermögensverwalter ohne eigenen Filialbankvertrieb ist die direkte Privatkundenansprache natürlich anspruchsvoll. Dennoch haben wir in all unseren Assetklassen, nämlich Aktien, Renten und Rohstoffen, Publikumsfonds im Angebot, die sowohl von institutionellen als auch privaten Anlegern erworben werden können. Über Formate wie die von Ihnen erwähnten Plattformen und Veranstaltungen sprechen wir bewusst auch kleinere  Vermögensverwalter und Berater an. Bei Sparkassen bemerken wir ebenfalls im gehobenen Privatkundengeschäft ein deutlich höheres Interesse an Rohstoffen.

FondsTrends: Immer öfter verlassen Fondsmanager große Investmenthäuser zugunsten von kleineren Investmentboutiquen. Was gefällt Ihnen bei Tresides besonders, was macht den Unterschied?

Michael Krauß: Nun, ich habe mich bewusst 2013 mit meinen Kollegen dafür entschieden, Tresides als Investmentboutique zu gründen, weil wir der Meinung waren, dass das Fondsgeschäft in Bankengroßkonzernen und den dortigen Vorstandsetagen mit den multiplen Problemfeldern in diesen Konzernen oft nicht verstanden und auch nicht angemessen gefördert wird. Im Endeffekt haben wir versucht, mit Tresides eine Firma zu schaffen, wie wir sie uns im Idealfall immer vorgestellt haben. Eine unabhängige und flexible Einheit mit schnellen Entscheidungswegen ohne unnötige Hierarchien und Wasserköpfe. Eine Gesellschaft, die nicht durch Konzernvorgaben geknebelt wird und sich ausschließlich auf die Märkte konzentrieren und um ihre Kunden kümmern kann. Und ich würde sagen, uns ist es bis dato gelungen, genau diese Idealvorstellung von unserer Firma geschaffen zu haben.

FondsTrends: Herr Krauß, wir danken Ihnen für das interessante Interview und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg!

16. November 2018

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Autor

Michael Krauß

Michael Krauß, seit 2014 Senior Fondsmanager und Partner von Tresides Asset Management in Stuttgart, verfügt über mehr als 17 Jahre Erfahrung im Rohstoff- und Edelmetallbereich. Vor Tresides war er als Bereichsleiter Fixed Income und Alternative Investments bei der LBBW Asset Management Investmentgesellschaft mbH tätig und dort u.a. verantwortlich für die Konzeption und Umsetzung von Rohstofffonds. 2002 war er Mitgründer und ist weiterhin Chairman des weltweit ersten physischen Goldfonds (Aureus Fund (Ireland) plc.).

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