August 2024: Ein Monat voller wirtschaftlicher Turbulenzen und Unsicherheiten

Die Finanzmärkte erlebten im August 2024 erhebliche Turbulenzen, die im Wesentlichen durch eine Reihe von Ereignissen ausgelöst wurden und die Fragilität des derzeitigen wirtschaftlichen Umfelds deutlich vor Augen führten.

Am 5. August fiel der technologielastige NASDAQ-Index innerhalb von zwei Handelstagen um fast 9%, während der S&P 500 um 4% nachgab. Auch die europäischen Märkte verzeichneten starke Kursverluste. Der VIX-Index, ein wichtiges Maß für die Volatilität an den Aktienmärkten, stieg auf 50 und erreichte damit den höchsten Stand seit den ersten COVID-19-Lockdowns im April 2020. Der japanische Nikkei 225 Index brach zeitweise um 13,4% ein und verzeichnete damit den größten Tagesverlust seit dem Börsencrash vom „Schwarzen Montag“ im Jahr 1987.

Welche miteinander verknüpften Ereignisse haben zu dieser Krise geführt? Und wie können sich die europäischen Finanzinstitute auf mögliche ähnliche Marktstörungen in der Zukunft vorbereiten?

Das Land der steigenden Inflation

Seit der Gründung der Bank of Japan im Jahr 1882 erlebte das Land drei Perioden hoher Inflation, in denen die Gesamt- und Kerninflationsraten des Verbraucherpreisindex (VPI) 20% oder mehr erreichten: Während des Ersten Weltkriegs, nach dem Zweiten Weltkrieg und während der Ölkrise 1973-74. In den vergangenen Monaten wuchsen jedoch die Befürchtungen, dass es zu einer vierten Hochinflationsphase kommen könnte.

Im Juli 2024 stieg die Kerninflation in Japan den dritten Monat in Folge an, wobei der Kern-VPI (ohne frische Lebensmittel) im Jahresvergleich um 2,7% zulegte. Die Zahlen erforderten eine Reaktion, um eine Überhitzung der Wirtschaft zu verhindern. Die Bank of Japan hob daraufhin ihren kurzfristigen Leitzins von 0 bis 0,1% auf rund 0,25% an – ein nicht unumstrittener Schritt, da die Zinsen in Japan seit Ende der 1990er Jahre effektiv nahe, bei oder unter Null lagen.

Diese Zinserhöhung führte zu einer Aufwertung des Yen und damit zu einer Störung des Yen-Carry-Trades. Bei einem Yen-Carry-Trade werden Kredite in Yen zu niedrigen Zinsen aufgenommen und in anderen Ländern angelegt, um höhere Renditen zu erzielen. Ein stärkerer Yen erschwerte es Carry-Tradern, ihre Positionen zu halten und viele Anleger mussten ihre Investitionen schnell liquidieren, um ihre Kredite zurückzuzahlen. Die Folge waren panikartige Ausverkäufe auf den Märkten in Japan und ganz Asien.

Der Ripple-Effekt

Zu diesen Marktturbulenzen trugen enttäuschende Arbeitsmarktstatistiken in den USA bei. Im Juli stieg die Arbeitslosigkeit in den USA auf 4,3% und erreichte damit den höchsten Wert seit fast drei Jahren. Dies weist auf eine Verlangsamung der Neueinstellungen hin und nährt die Sorge um einen möglichen Abschwung am Arbeitsmarkt. Nach 4,1% im Juni markierte dies den vierten monatlichen Anstieg in Folge und einen deutlichen Anstieg gegenüber dem Tiefststand von 3,4% im April 2023.

Die beunruhigenden Arbeitsmarktdaten führten zu einem Abverkauf von US-Aktien, so dass Anleger, die in hohem Maße in den globalen Handels- und Investitionsströmen von US-Aktien engagiert waren, erhebliche Verluste hinnehmen mussten. Schockwellen durchzogen die globalen Märkte und führten zu einem allgemeinen Ausverkauf, erhöhter Volatilität und einem Rückgang der wichtigsten Marktindizes.

Auch die wachsende Sorge über steigende Insolvenzzahlen – mit 346 registrierten Unternehmensinsolvenzen in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 und damit der höchsten Rate der letzten 13 Jahre – verstärkte die negative Stimmung zusätzlich. Darüber hinaus  trugen enttäuschende Gewinnzahlen mehrerer großer Technologieunternehmen stark zur Marktvolatilität bei.

Es scheint, dass die Anleger zunehmend skeptisch gegenüber den kurzfristigen Renditen großer KI-Investitionen geworden sind. Dies führte im Juli zu einem Ausverkauf des Nasdaq 100 Index im Wert von einer Billion US-Dollar, wodurch die Aktienkurse großer Technologieunternehmen um 10 bis 12% einbrachen. Dieser Rückgang entsprach dem stärksten seit Oktober 2022.

Vorbereitung auf künftige Krisen in Europa

Unsicherheitsfaktoren wie die mögliche Instabilität im Zusammenhang mit den US-Präsidentschaftswahlen 2024, die Skepsis gegenüber dem jüngsten Investitionsboom in KI sowie Veränderungen auf den globalen Finanzmärkten wie etwa die japanische Geldpolitik deuten darauf hin, dass sich Krisen wie im August durchaus wiederholen könnten.

Finanzinstitute in der Europäischen Union stehen vor der Herausforderung, sich auf solche Störungen vorzubereiten. Als US-Investoren Anfang August begannen, ihre Aktien abzustoßen, eröffneten auch die europäischen Märkte  mit deutlichen Verlusten und spiegelten damit jene Risikoscheu wider, die zuvor bereits die asiatischen Märkte erfasst hatte.

Wie der jüngste Bericht des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi über die europäische Wettbewerbsfähigkeit betont, besteht für die EU eine reale Gefahr, wirtschaftlich hinter die USA und China zurückzufallen. Finanzinstitute sollten dieser Warnung mit größter Ernsthaftigkeit begegnen. Sie stehen nicht abseits der umfassenden Herausforderungen, denen die EU gegenübersteht, sondern sind eng mit der Fähigkeit Europas verwoben, wirtschaftliche Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit zu wahren.

Um die Auswirkungen künftiger Krisen zu minimieren, benötigen die europäischen Finanzinstitute ein verstärktes Rahmenwerk für ihr Risikomanagement, eine sorgfältige Überwachung geopolitischer Entwicklungen, eine stärkere Diversifizierung ihrer Portfolios, um ihr Engagement in gefährdeten Sektoren zu verringern, sowie Notfallpläne für potenziell unvorhergesehene, wirtschaftliche Schocks. Die Gewährleistung ausreichender Liquidität, die Durchführung von Stresstests unter Berücksichtigung diverser Krisenszenarien sowie die Aufstockung von Investitionen in die technologische Infrastruktur – insbesondere in die Cybersicherheit und GenAI – sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Durch die Orientierung an EU-weiten Krisenbewältigungsstrategien können Finanzinstitutionen die Resilienz der EU als Ganzes stärken.

Die Unvorhersehbarkeit zukünftiger Herausforderungen erfordert sowohl institutionelle Reformen als auch eine proaktive Krisenprävention, insbesondere im Finanzsektor. Mit den geeigneten Maßnahmen kann die EU nicht nur die bevorstehenden Turbulenzen bewältigen, sondern auch gestärkt aus ihnen hervorgehen.

16. Oktober 2024

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Autor

Dariush Yazdani

Dariush Yazdani leitet das AM Market Research Centre innerhalb von PwC Luxembourg. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Finanzdienstleistungsbranche und hat verschiedene Forschungs- und Thought-Leadership-Studien geleitet und war zudem in der strategischen Beratung von Kunden tätig.

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