Asset Allocation: Stabile Blasen oder drohende Baisse?

Der deutsche Aktienindex Dax ist nach einer vorweggenommenen Jahresendrally Anfang November mit 13.478 Punkten auf ein neues Allzeithoch gestiegen. In den USA befanden sich die Aktienmärkte schon länger auf Rekordkurs – der Dow Jones eilt von einem All-Time-High zum nächsten. Damit haussieren Aktien bereits im neunten Jahr. Ist die Börsenrally (noch) stabil oder droht eine Baisse?

Die Antwort möchten wir vorwegnehmen: Berühmt-berüchtigte Blasenbildungen erkennen wir noch nicht, wenngleich wir auf den US-Markt kritische Blicke richten. Erdrutschartige Verluste setzen üblicherweise Rezessionen voraus. Danach sieht es in diesem Jahr nicht aus. Neue Finanzkrisen vorherzusagen ist nahezu unmöglich, die hohe Verschuldung des chinesischen Privatsektors etwa kann jedoch jederzeit das globale Finanzsystem unter Druck setzen. Dennoch: Die Aktienkurse können auch 2018 im Geleitzug nochmals steigender Unternehmensgewinne ein Stück weit zulegen. Denn die wichtigsten Kurstreiber für Aktien sind und bleiben die Firmenprofite. Die Unternehmen haben 2017 spürbar mehr verdient als ein Jahr zuvor. Und in diesem Jahr sind weitere Gewinnsteigerungen zu erwarten. Nahezu alle Frühindikatoren signalisieren eine global betrachtet synchrone Konjunktur.

Kurs-Gewinn-Lücke in den USA

Allerdings haben die Aktienkurse in einigen Regionen noch stärker zugelegt als die Unternehmensgewinne. Dadurch kam es zu einer Ausweitung der sogenannten Multiples, die Kurs-Gewinn-Verhältnisse sind also gestiegen. Diese Entwicklung zeigt sich am deutlichsten in den USA. Hier ist die Kurs-Gewinn-Lücke am offensichtlichsten. Für Europa sieht diese Relation erkennbar gesünder aus, Kurs- und Gewinnsteigerungen liefen hier Hand in Hand. Diese offenkundigen Unterschiede zwischen Amerika und Europa liegen auch in der jeweiligen Zusammensetzung der Aktienmärkte begründet. Der Verlauf der 500 Aktien von S&P 500 und Euro Stoxx 50 lässt sich bereits durch nur sechs Aktien verblüffend gut beschreiben, nämlich durch drei europäische Banken und drei amerikanische Tech-Werte.

Wachsende Unternehmensgewinne in 2018

Das ist im Übrigen ein Fakt, der den europäischen Märkten zugutekommen könnte. Eine möglicherweise einsetzende Sektorrotation weg von Technologie hin zu Banken (oder auch zum abgeschlagenen Telekomsektor) gäbe ihnen Rückenwind. Auch gemessen am Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) sind US-Aktien vergleichsweise hoch bewertet. Diese substanzorientierte Kennzahl setzt den Kurs einer Aktie zum Buchwert, also zum Eigenkapital ohne Fremdanteile, ins Verhältnis. In den vergangenen 20 Jahren kamen US-Titel auf ein rund 50% höheres KBV als europäische Aktien. Aktuell liegt der Abstand jedoch bei 70%. Er ist vor allem auf die Margenstärke der US-Unternehmen und auf die hohen Aktienrückkäufe (buy backs) der US-Firmen zurückzuführen; buy backs machen in den USA rund 50% des Ausschüttungsvolumens aus, in Europa sind es gerade einmal 5%. Zurück zur Kurs-Gewinn-Lücke. Es gibt nur drei Möglichkeiten, wie die entstandene Kurs-Gewinn-Lücke korrigiert, das heißt verringert oder geschlossen werden kann: Die Kurse sinken, die Gewinne steigen noch stärker oder eine Kombination von beidem. Über längere Phasen sinkende Kurse gehen mit wirtschaftlichen Abschwüngen einher, wobei üblicherweise der Wendepunkt am Aktienmarkt schon zwei bis vier Quartale vor dem Eintritt in einen Abschwung zu erkennen ist. Das ist derzeit nicht in Sicht.

Hohe Bewertungen in den USA

Dass die Aktienmarktbewertungen in den USA ambitioniert sind, klang bereits durch. Das sogenannte Shiller-KGV der 500 größten US-Aktien (S&P 500) reicht rund 150 Jahre zurück und notiert mit mehr als 30 deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre. Die vom Nobelpreisgewinner Robert Shiller entwickelte Kennzahl berechnet das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Gewinne der zurückliegenden zehn Jahre. Dadurch eliminiert die Kennzahl weitgehend konjunkturelle Ausreißer nach oben und nach unten. Außerdem wird die Inflation bereinigt. Die Historie zeigt, dass Aktien bei einem Shiller-KGV von mehr als 25 in den folgenden zehn Jahren einen inflationsbereinigten Ertrag von gerade einmal 2% per annum liefern. Für die US-Aktien lässt sich somit die These „short-term gain, long-term pain“ formulieren. Mit anderen Worten: Vielleicht waren die Kurssteigerungen der jüngeren Vergangenheit bereits ein Vorschuss auf 2018 und die Jahre danach, in denen dann die Erträge der Vergangenheit bei Weitem nicht mehr erreicht werden können. Auf alle Fälle sollte man die hohen Bewertungen nicht ignorieren und denken, dass in Zeiten der Technologisierung, Globalisierung und Digitalisierung Aktienmärkte neuen Mustern folgen und alte nicht mehr zählen: Eine „this time is different“-Haltung kann sich als trügerisch erweisen.

Günstige Emerging Markets

Die Aktien aus den Schwellenländern sind jahrelang schlechter gelaufen als die aus den Industriestaaten. Vom Hoch (2011) bis zum Tief (Anfang 2016) betrug die Underperformance des MSCI Emerging Markets gegenüber dem MSCI World fast 50%. Eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung und politische Unsicherheiten drückten auf die Aktienkurse der Emerging Markets.

Seit gut einem Jahr zeichnet sich jedoch ein Boden ab, die Gewinnentwicklung in den Emerging Markets nimmt überproportional zu. Ihr wirtschaftlicher Aufschwung, die höheren Notierungen von Rohstoffen, der schwächere US-Dollar und die Suche der Investoren nach günstigen Assetklassen wirken bis heute unterstützend. Gemessen am KGV, basierend auf den Gewinnerwartungen für die kommenden zwölf Monate, sind Schwellenländer-Aktien vergleichsweise preiswert. In Zahlen ausgedrückt: EM-Aktien notieren bei einem KGV von 12, die aus Industriestaaten bei einem KGV von 17. Unter dem Strich gewichten wir derzeit Aktien über. Zu unseren Favoriten zählen europäische Aktien – sie sind bedeutend attraktiver bewertet als US-Aktien – und Aktien aus den Schwellenländern, insbesondere die aus dem asiatisch-pazifischen Raum sowie japanische. Dort sind die Gewinnerwartungen unter den Industrienationen am höchsten.

Fazit

Unseren Gewinnmodellen folgend, gehen wir für 2018 von einem Wachstum der Unternehmensgewinne von bis zu 10% aus. Dies gilt für Europa und die USA, höher könnte der Wert für Japan und den asiatischen Raum ausfallen. Die Gewinnseite steht somit steigenden Aktienmärkten grundsätzlich nicht im Weg.

17. Januar 2018

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Burkhard Allgeier

Burkhard Allgeier

Burkhard Allgeier ist seit November 2017 Chief Investment Officer bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers AG und verantwortet in dieser Funktion die Anlagestrategie sowie das Portfolio- und Risikomanagement für private wie auch institutionelle Kunden des Hauses. Er trat 2007 in das Bankhaus ein verantwortete als Chefvolkswirt & Leiter Anlagestrategie die volkswirtschaftliche Analyse. Herr Allgeier startete seinen Berufsweg als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Danach führten ihn seine Stationen zur Bank in Liechtenstein und zur BHF-Bank, wo er jeweils als Ökonom und Portfoliomanager tätig war.

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