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„Trotz Stellenabbau bei Banken, Banker bleiben gefragt“

Die traditionelle Bankenbranche gerät immer mehr unter Druck: Sinkende Gewinne, Fusionen, Filialschließungen, Festhalten an überholten Geschäftsmodellen und härterer Wettbewerb im Niedrigzinsumfeld.

Innovation und interessante Zukunftsperspektiven bieten heute eher Direktbanken, Fintechs, Fondsgesellschaften sowie private Assetmanager und Vermögensverwalter. Im Interview mit FondsTrends spricht Branchenexperte Thomas Vogl über Optionen für eine berufliche Neuorientierung.

FondsTrends: Ist die Bankbranche die Stahlindustrie des 21. Jahrhunderts?

Thomas Vogl: Aus Sicht der Banken ist die Lage sehr angespannt. Bundesweit könnten im Extremfall bis zu 50 Prozent der heute noch bestehenden ca. 600.000 Arbeitsplätze in den kommenden zehn Jahren im Kreditgewerbe verloren gehen.  Wenn am Ende tatsächlich jeder zweite Arbeitsplatz verschwindet, wäre das schon vergleichbar mit den Entwicklungen der Stahlindustrie, in der die Anzahl der Beschäftigten um rund 70 Prozent in den letzten vier Jahrzehnten gesunken ist. Aber obwohl die Bankenbranche erheblichen Veränderungen ausgesetzt ist, haben Banker trotzdem eine Zukunft.

Anzahl der Beschäftigten im Kreditgewerbe

Quelle: Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes, Stand: 14. November 2018: https://bankenverband.de/statistik/banken-deutschland/beschaeftigte/

FondsTrends: Hat der Bankkaufmann nicht ausgedient, wie es schon 2017 in der FAZ stand?

Thomas Vogl: Eindeutig nein. Die überwiegende Mehrheit der Bankangestellten ist sehr gut aus- und fortgebildet, ist geschult im zwischenmenschlichen Kontakt und verfügt in aller Regel über ein solides Allgemeinwissen. Damit sind sie sehr interessant für Arbeitgeber, auch aus angrenzenden Branchen oder sogar aus völlig anderen Wirtschaftsbereichen.

FondsTrends: Welche Optionen haben Bankmitarbeiter und -mitarbeiterinnen, an die sie vielleicht nicht unmittelbar denken?

Thomas Vogl: Insbesondere dynamische Fintech-Unternehmen haben einen spürbaren Personalbedarf und nehmen, anders als es viele denken, nicht nur junge Leute. Hinter den Kulissen arbeiten ganz viele erfahrene Bankerinnen und Banker aus unterschiedlichen Bereichen.  Das mag einer von mehreren Gründen sein, warum Bankinstitute bei der Besetzung offener Stellen überraschend oft einen Fachkräftemangel zu spüren bekommen. Meiner Erfahrung nach müssen Bankkaufleute mit Berufserfahrung, die bereit sind, sich engagiert beruflich weiterzuentwickeln, nicht lange suchen.

German Fintech Overview

Quelle: PBA Experts GmbH: https://paymentandbanking.com/german-fintech-overview-unbundling-banks/

FondsTrends: Gibt es solche dynamischen Entwicklungen nicht auch innerhalb der Bankenwelt?

Thomas Vogl: Tatsächlich gibt es innerhalb der Branche wirklich sehr attraktive Stellenangebote von Arbeitgebern, die in der Lage und vor allem willens sind, sich für eine veränderte Zukunft aufzustellen. So haben verschiedene Institute, die für institutionelle oder semiprofessionelle Kunden Bank- und Depotdienstleistungen erbringen oder neue Kundenbetreuungskonzepte entwickelt haben, durchaus Bedarf an gut ausgebildeten und motivierten Mitarbeitern.

FondsTrends: Welche ersten Schritte empfehlen Sie auf dem Weg zu einer Neuorientierung?

Thomas Vogl: Jeder muss sich selbst die Fragen stellen, ob er abwarten möchte, wie andere über ihn entscheiden. Wer seine Zukunft in die eigenen Hände nehmen will, sollte klären, welche Voraussetzungen eine neue Stelle erfüllen müsste, um sie langfristig mit Engagement und Freude auszufüllen. Anhand dieser Kriterien sollte man sich dann einen unverbindlichen Überblick über passende Stellenangebote verschaffen. Gute Anlaufstellen sind hier Internetseiten wie efinancialcareers, bankjobs oder auch der Jobagent vom Handelsblatt, der als Metasuchmaschine viele unterschiedliche Internetjobportale berücksichtigt. Außerdem sollte man mit einem gepflegten Profil bei den beruflichen Netzwerken LinkedIn und Xing vertreten sein, um für Headhunter auffindbar zu sein.

FondsTrends: Welche Bedeutung haben Personalvermittler?

Thomas Vogl: Ein großer Anteil offener Stellen, unabhängig von Hierarchiestufen oder Gehaltsklassen, werden nicht öffentlich durch die suchenden Unternehmen ausgeschrieben, sondern mit Hilfe von Personalberatern besetzt, die sich oftmals selbst als Coach verstehen. Sie tauschen sich vertrauensvoll mit Bewerbern und ihren Mandanten aus. Eine Vermittlung ist für sie nur dann ein Erfolg, wenn durch ihr Mitwirken ein langfristiges Arbeitsverhältnis begründet wird. Daher sollte auf jeden Fall aktiv der Kontakt zu einem renommierten Personalvermittler gesucht werden, der eine ausgewiesene Expertise im Bankenbereich besitzt, wie etwa Indigo Headhunters, Egon Zehnder, Spencer Stuart oder Robert Half, um nur einige wenige zu nennen.

FondsTrends: Gibt es noch andere Möglichkeiten?

Thomas Vogl: Unternehmen, die sowohl als Personaldienstleister und als Personalvermittler tätig sind, bieten Kandidaten die Möglichkeit zu einem kurzfristigen Wechsel oder zu einem Einstieg in neue Branchesegmente. Zu den bekannteren Adressen zählen hier Bankpower, Hays und Opus One.

FondsTrends: Bietet die Fondsbranche nicht auch interessante Perspektiven?

Fondsgesellschaften sind nicht von den gleichen drastischen Veränderungen betroffen, wie sie die Banken erleben. Einige Anbieter sind ausgesprochene Spezialisten, die sich bereits erfolgreich auf die neuen Marktgegebenheiten einstellen und Nettomittelzuflüsse in den letzten Jahren verbuchen konnten. So stieg laut ALFI, der Vereinigung der Luxemburger Fondsbranche (Association Luxembourgoise des Fonds d’investissement), bis zum November des letzten Jahres das von Luxemburger Investmentfonds verwaltete Vermögen. Damit zeigt sich hier ebenfalls der Trend zur Spezialisierung, ähnlich wie im Private Banking. Unterstützt wird diese Entwicklung von realen zins- und inflationsbedingter Kaufkraftverluste von Geldvermögen und von den veränderten Erwartungen der Anleger und Investoren. Experten aus der Finanzbranche, die über ein fondsspezifisches Fachwissen verfügen, sollten sich also auf jeden Fall mit Fondsgesellschaften als potentielle Arbeitgeber befassen.

FondsTrends: Wie sieht die Situation bei bankenunabhängigen Vermögensverwaltern aus?

Thomas Vogl: Vermögensverwalter suchen nicht mehr nur Private Banker mit langjähriger Berufserfahrung, sondern immer öfter gut ausgebildete jüngerer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die in den nächsten Jahren als Kundenberater aufgebaut werden können. Der Bedarf an Assistenzkräften nimmt ebenfalls spürbar zu, genauso wie die Professionalisierung im Compliance- oder IT-Bereich voranschreitet

Finanzdienstleistungsinstitute

Finanzdienstleistungsinstitute und Vermögensverwalter seit 1998

FondsTrends: Sind Vermögensverwalter aus Mitarbeitersicht eine Wachstumsbranche?

Thomas Vogl: Wenn die Branche sich weiter so positiv entwickelt, die verwalteten Kundenvermögen steigen und die Professionalisierung im Außenauftritt der Unternehmen und der digitalen Datenverwaltung voranschreitet, werden verstärkt Stellen in Bereichen geschaffen, wie etwa im Onlinemanagement oder der Unternehmenskommunikation, die vielleicht bisher überhaupt nicht oder kaum existierten. Die Attraktivität der Branche wird für Arbeitnehmer stetig zunehmen.

04. Februar 2019

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Autor

Thomas Vogl

Thomas Vogl arbeitet seit über 20 Jahren mit Vermögensverwaltern, Banken und anderen Unternehmen zusammen, für die er Marketing-, Kommunikations- und Personaldienstleistungen erbringt. Er beschäftigt sich mit digitalen Trends und begleitet innovative Unternehmen bei ihrem Markteintritt. Vor Gründung der Carovus GmbH, war er mehr als zehn Jahre für die DAB Bank, der führenden deutschen B2B-Bank, tätig, bei der Thomas Vogl als Handlungsbevollmächtigter und stellvertretender Bereichsleiter B2B die Zusammenarbeit mit Vermögensverwaltern verantwortete.

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