The ‚Social‘ in Social Media – Finanzkommunikation in den digitalen Medien

Die Finanzbranche befindet sich im Umbruch – das mag längst wie eine Binse anmuten, spürbar ist es dennoch. Die maßgeblich von FinTechs getragene Digitalisierung stellt das tradierte Banken- und Investmentgeschäft auf eine gehörige Probe, Diskussionen um Artificial Intelligence, Big Data und Deep Learning haben die Branche fest im Griff und die gerne miteinander verwechselten Konzepte Blockchain und Kryptowährung prägen allmählich sogar vereinzelt die Gesetzgebung.

So stark sich Digitalisierung also bereits im operativen Geschäft bemerkbar macht, so wenig betrifft sie die Art und Weise, wie PR und Kommunikation in einem solch disruptiven Umfeld betrieben werden. Soziale Medien kommen zwar zum Einsatz, wirken aber zumeist lediglich wie eine Verlängerung der eigenen Website. Bis zum Content Shock werden da von Anbietern am Markt Inhalte veröffentlicht, an echtem Community Management mangelt es hingegen nicht selten. Die oft mauen Ergebnisse in Bezug auf Zielgruppen-Beteiligung werfen daher eine berechtigte Frage auf: Soziale Medien als Vehikel für Finanzkommunikation – macht das überhaupt Sinn? Die Antwort ist eindeutig: Es kommt darauf an.

Finanzkommunikation im Digitalzeitalter

Gerade sogenannte „Neobanken“, Banken also, die zu 100% digital agieren und sich mobiler App-Lösungen bedienen (man denke an Monzo und Starling (Großbritannien), N26 (Deutschland), Nubank (Brasilien) sowie Tinkoff (Russland)), sprechen durch dieses Geschäftsmodell eine jüngere Klientel an. Besonders Monzo holt mit seiner Vision eine ganze Kundengruppe bei ihrem Nutzerverhalten ab: „We’re a bank that lives on your phone“. Die von Bill Gates bereits 1994 geäußerte Behauptung sollte sich also als wahr herausstellen: „Banking is necessary, banks are not.“

Es verwundert daher wenig, dass viele Neobanken eine ausgewiesene Affinität zu sozialen Medien aufweisen. Die Präsenztrias aus Twitter-, Facebook- und LinkedIn-Profil bildet den Goldstandard; YouTube und Instagram ergänzen bisweilen die bestehenden Profile, sind aber noch lange keine Selbstverständlichkeit. Dennoch gibt es auch hier einige Vorzeigebeispiele: Die Instagram-Präsenzen von N26 und der Nubank machen sich die stark im Vordergrund stehende visuelle Komponente des Mediums zu eigen, um die eigenen Produkte mittels eines hohen Wiedererkennungsfaktors zu bewerben und so eine konkrete Lifestyle-Assoziation herzustellen.
Das Bankenfeld ist breit, daher soll in Anbetracht der Plattform, auf der dieser Artikel erscheint, ein Blick auf den Teilbereich europäischer und US-amerikanischer Vermögensverwalter geworfen werden. Wie verhält es sich dort mit der erwähnten Affinität?

Wie eine Studie von PwC in Partnerschaft mit dem französischen Asset Servicing-Anbieter CACEIS belegt, zeigt sich zwischen 2013 und 2016 für alle großen Social Media-Plattformen ein Anstieg in der Nutzung.

Quelle: PwC/CACEIS – Social Media Studies: Asset Management in the Social Era

Auch drei Jahre später dürfte sich dieser Trend fortgesetzt haben: BlackRock beispielsweise veröffentlicht Branchen-, Unternehmens- und Karrierenews vorzugsweise via Facebook (33K Follower), Twitter (ein Hauptkanal mit 386K Follower) und LinkedIn (609.7K Follower). Daneben unterhält der Vermögensverwalter noch YouTube-Auftritte (insgesamt 10.8K Abonnenten), über die Videos zu aktuellen Themen wie Diversity und Corporate Social Responsibility verbreitet werden. So präsentiert BlackRock in diversen Kampagnen Frauen im Management („Her Advice Series“), stellt alternative Arbeitsmodelle vor und führt Interviews mit Mitarbeitern, die als Corporate Ambassadors und somit als Markenbotschafter fungieren („Life at BlackRock“). Auch Erklär-Videos zu aktuellen Themen wie ETFs sowie Marktausblicke ausgewiesener Experten sind Teil der Kanalstrategie. Ein Instagram-Auftritt (17.9K Follower) ergänzt diese Kampagnen um Foto- und Video-Stories. Englisch ist hier die dominante Kanalsprache, mit einigen deutschen Ablegern auf Twitter, LinkedIn und YouTube.

In Deutschland liefert der Vermögensverwalter Deka eine bemerkenswerte Social Media-Präsenz. Branchen-, Unternehmens- und Karrierenews werden auch hier über Facebook (24.7K Abonnenten), Twitter (1K Follower) und LinkedIn (5.2K Follower) verbreitet, ergänzt durch einen XING-Auftritt (5.4K). Ein YouTube-Kanal (2.8K Abonnenten) bietet zusätzlich Aktionskampagnen, Werbespots, Produktfilme und Erklärvideos. Mitarbeiteraktionen (z.B. zu Wohltätigkeitsveranstaltungen und Spendenaktionen), Personalnews sowie Auszeichnungen und Corporate Governance-Stellungnahmen bilden die beliebtesten Inhalte auf Facebook und Twitter, bei YouTube sind es TV-Spots und Aktionskampagnen. Deutsch ist die ausschließliche Kanalsprache.

Einige Finanzdienstleister wie American Express und Bank of America sind mittlerweile auf Plattformen wie Pinterest anzutreffen, hier handelt es sich aber, zumindest noch, um eine Nischenerscheinung.

Viel Licht also im Bereich der Kanalpräsenz, damit getan ist es allerdings nicht. Für den Kanal- und Medienmix sowie eigentlich die gesamte Kommunikation gilt es, Synergien zu finden und zu nutzen (eine solche Maßnahme sollte übrigens mitnichten bei der PR und Kommunikation Halt machen, sondern Vertrieb, CRM und Marketing dringend miteinbeziehen). Wer die Alleinstellungsmerkmale seiner Kanäle kennt, besitzt hier bereits einen markanten Vorsprung.

Relevante Kanäle im Überblick

Jedes soziale Netzwerk weist unterschiedliche Alleinstellungsmerkmale auf. Jede Plattform wiederum würde ihrerseits einen weiteren Beitrag rechtfertigen, drum seien hier nur einzelne Beispiele genannt.

Für den Einsatz eines Facebook-Kanals spricht klar die enorme Reichweite der Plattform, die zudem eine präzise Zielgruppenansprache erlaubt. Dabei wird Facebooks eigene Zielgruppe stetig älter: gerade bei den „silver surfers“, also Nutzern ab einem Alter von 60 Jahren, erfährt die Plattform einen enormen Zuwachs. Bei der Altersgruppe ab 50 Jahren aufwärts ist es bereits das beliebteste soziale Medium. Als Manko muss hingegen der unkontrollierbare, weil intransparente hauseigene Algorithmus genannt werden.

LinkedIns großer Vorteil wiederum liegt in seinem Fachpublikum und dessen höherer Lesebereitschaft bei längeren Artikeln und Nischeninhalten. Der Status als größtes Job-Netzwerk bedeutet zusätzlich, dass sich hier überproportional viele DAX- und Fortune 500-Konzerne sowie weltweit agierende Mittelständler, die sogenannten Hidden Champions, finden. Für die Sichtbarkeit im Algorithmus spielen Kommentare eine große Rolle; Corporate Ambassadors sind nicht zuletzt deshalb hochrelevant, da persönliche Accounts höher eingestuft werden als Unternehmenskonten. Gerade für Vermögensverwalter sollte interessant sein, dass LinkedIn auch für die Identifizierung von Anlageinstrumenten genutzt wird. 59% der Investoren verbringen 15-30 Minuten mit dem Lesen eines einzelnen Inhalts, nutzen auch andere soziale Medien, um Investmentfirmen zu analysieren (68%) oder mit deren Führungskräften in Kontakt zu treten (64%):

Quelle: Investing in the Digital Age – Media’s Role in the Institutional Investor Engagement Journey

Allen hier genannten Kanälen gemein ist jedoch die Möglichkeit zu echter Kommunikation, nämlich dem regen und äußerst zeitnahen Austausch mit der Zielgruppe. Der Schlüsselaspekt von Social Media scheint bisher in der digitalen Finanzkommunikation stark vernachlässigt und muss daher strategisch miteinkalkuliert werden.

Social Media-Strategie – Quoi faire?

Frei nach Seneca: Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln möchte, für den ist kein Wind günstig – soll die Unternehmenskommunikation eines Finanzdienstleisters in Teilen über soziale Medien erfolgen, gilt es auch hier eine Strategie festzulegen. Ziele, Themen und Inhalte wollen genau definiert werden, Management und Tracking bedürfen ausreichender interner wie externer Ressourcen. Vor allem die Auswahl geeigneter Kanäle und der Zielgruppe stellt einen wesentlichen Faktor dar: Möchte man einen solventen Bevölkerungsteil ansprechen? Oder gilt es, junge Menschen früh vom Sparpotenzial eines oder mehrerer Fonds zu überzeugen? Was steht im Vordergrund, Sicherheit, Vermögenszuwachs oder vielleicht die Finanzierung eines bestimmten Lifestyles?

Eine passende Content-Strategie hingegen beginnt nicht bei der Kanalauswahl, sondern endet dort. Zunächst sollte hier die Frage nach der Story stehen, sodann nach den Themen – wofür steht das Unternehmen als Finanzdienstleister und / oder als Arbeitgeber? Wer sind die Protagonisten und welche Formate sind effektiv? Phänomene wie die Content Saturation oder der bereits erwähnte Content Shock stellen Marketer allerdings auch hier vor Herausforderungen. Das Volumen der veröffentlichten Inhalte nimmt weiter zu, neue Themenbereiche werden schnell mit Inhalten gesättigt. Auf LinkedIn lässt sich eine stetige Zunahme des Content-Engagements verzeichnen, wenn auch von einer relativ kleinen Basis aus. Einer Statistik von Buffer zufolge steigt die Anzahl an Facebook-Postings deutlich, gleichzeitig nimmt die Relevanz organischer Reichweite rapide ab. Engagement-Raten sinken, fast alle Post-Typen auf Facebook verlieren an Bedeutung. In anderen Worten: wer wahrgenommen werden will, muss zahlen. Der Kostenpunkt für bezahlte Inhalte ist also gerade bei limitierten Ressourcen ein wichtiger Aspekt, den es vorab zu bedenken gilt.

An Bedeutung nicht überschätzt werden kann ‚the social in social media‘. Was sich im Bereich des Bloggings schon früh etabliert hat, schafft auch für die hier erwähnten Kanäle unbedingten Mehrwert. Die kontinuierliche Kommunikation relevanter wie qualitativ hochwertiger Inhalte darf nicht unilateral und rein KPI-bezogen erfolgen. Vielmehr gilt es, den Dialog zu suchen und zu führen; gilt es, Geld in Inhalte zu investieren, die gerade durch die Interaktion eine höhere Lebensdauer in einem so schnelllebigen Umfeld erhalten. Ergänzt um ein effektives Monitoring können wirklich relevante Themen und Trends verfolgt und ohne Streuverluste gezielt genutzt werden.

Fazit

Wir halten fest: die Digitalisierung hat in die Finanzwelt Einzug gehalten. Durch die Verfolgung von Mobile-First-Strategien ist auch der Einsatz neuer und sozialer Medien ein logischer Schritt, dies allerdings nicht unter jeder Voraussetzung. Finanzdienstleister im Allgemeinen und Asset Manager im Speziellen stellen einen Branchenzweig dar, der auf sehr bestimmte Zielgruppen zugeschnitten ist. Hier gilt es daher, die Konturen eines Medieneinsatzes möglichst klar zu zeichnen und den Finger am Puls der Entwicklungen zu behalten.

Eine Kanalstrategie sollte generell nicht isoliert, sondern komplementär aufgestellt sein. Jeder der hier angesprochenen und häufig bereits von Finanzdienstleistern genutzten Kanäle weist mindestens ein Alleinstellungsmerkmal auf, aber erst in Ergänzung spielen die verschiedenen Inhalte in der unterschiedlichen medialen Präsentation (Text, Bild, Video) ihre ganze Stärke aus. Bei den Inhalten trumpft Qualität die Quantität – hochwertige Inhalte sind und bleiben der (zusehends bezahlte) Schlüssel zu hohem User-Engagement. Gerade in der Perspektive hoher Beteiligung liegt aber auch das größte Potenzial sozialer Medien: die kontinuierliche Auseinandersetzung mit Usern, Kunden und Inhalten der Konkurrenz. Nur so kann Finanzinformation zu Finanzkommunikation werden.

 

14. November 2019

2 thoughts on “The ‚Social‘ in Social Media – Finanzkommunikation in den digitalen Medien”

  1. Marco Feiten sagt:

    Der Artikel passt m.E. wunderbar als Ergänzung dazu:

    The 2020s: From the Lonely Chaos of Digital to an Era of Humanity
    https://medium.com/@dmscott/the-2020s-from-the-lonely-chaos-of-digital-to-an-era-of-humanity-fbba4163ffd4

    Ausschnitte:

    „The final years of the 2010s has been for many a polarizing and cold digital world. Many people now feel that the promise of online social connection just isn’t for them anymore — the romance is over. […]

    We’ve gone too far into manufactured friendship through social media and something different is coming next. The pendulum is swinging back to genuine, authentic human connections. […]

    The fundamental ingredient for true fandom — meaningful and active human connection — demonstrates a shift in the way a company relates with their customers. They are more forthright, helpful and transparent. They create new experiences by turning customers into like-minded, enthusiastic fans.“

  2. Raphael Wichtl sagt:

    Sie weisen die Menschen in die richtige Richtung. Vielen Dank, dass Sie solche informativen und qualitativ hochwertigen Inhalte geteilt haben. Weiter teilen, danke !!

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Autor

Philip Esseln

Nach Stationen in Frankfurt im Bereich der strategischen und kommunikativen Unternehmensberatung stieß Philip Esseln im Januar 2019 zur CURE. Mit seinen Kenntnissen im Bereich der Unternehmens- und der Finanzkommunikation ist er dort Ansprechpartner für die Schnittstelle von Marketing und Kommunikation und somit die Planung und Durchführung von Marketing- und PR-Kampagnen. Er studierte Geschichte und Anglistik in Trier und in Oxford.

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