Digitalisierung in der Finanzbranche: Kampf um qualifizierte Mitarbeiter

Was Unternehmen und deren Personaler lernen müssen, um auch in Zukunft Fachkräfte finden und an sich binden zu können.

Die digitale Transformation macht auch keinen Halt vor der Finanzbranche

Der Wegfall von Intermediären, die Veränderung der Logistikbranche, die Disruption im Verlagswesen – um nur einige Beispiele vorweg zu nennen: Bereits in den vergangenen Jahren mussten einige Branchen auf die disruptiven Veränderungen der digitalen Transformation reagieren und ihre Geschäftsmodelle überdenken. Meist fehlte es an der nötigen Flexibilität, um sich an die neuen Gegebenheiten möglichst schnell anzupassen und aufzuholen – oftmals aber auch an geeigneten Fachkräften, die den Weg des digitalen Wandels hätten ebnen können. Auch die Finanzbranche wurde bereits von der Digitalisierung durchgeschüttelt – ob sie auch wachgerüttelt wurde, ist eine andere Frage. Immer mehr FinTechs schwemmen auf den Markt und immer mehr Startups zerren an den Marktanteilen der etablierten Finanzdienstleister. Wenn die alte Garde nicht alsbald lernt, ihre sogenannte Time-to-Market – also letztlich die Geschwindigkeit, mit der neue Produkte und Ideen umgesetzt werden – signifikant zu reduzieren, wird die Unternehmensstrategie beziehungsweise deren Umsetzung immer fragiler.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dem nächsten StartUp der wirklich disruptive Coup gelingt und damit der Branche das Fürchten lehren wird. Unternehmen, die zu diesem Zeitpunkt nicht adäquat, schnell und somit vor allem im Kundensinne reagieren können, droht der Verlust von Marktanteilen, Bedeutung und Zukunftsträchtigkeit.

Also ja: Auch im Fondsbereich ist die Digitale Disruption angekommen. Ja, auch die Fondsbranche muss umdenken, agiler werden und vor allem braucht sie geeignetes Personal, um den Anforderungen gerecht zu werden und den Anschluss nicht zu verlieren.

„Die Instrumentalisierung agiler Mindsets darf nicht an Abteilungsgrenzen enden – vielmehr bedarf es einer organisatorischen Neustrukturierung der Gesamtunternehmung.“

Jens Kröger

Bedürfnisse, Wünsche und Ansprüche der Digital Natives

Es hat den Anschein, als wollten oder könnten Unternehmen – egal welcher Branche und Dimension – zumindest in Teilen nicht auf die Vorstellungen und die intrinsische Motivation ihrer Angestellten eingehen. Anders ist ein andauerndes Vorherrschen des tayloristischen Ansatzes und Gedankengutes nicht zu erklären. Von Stechuhren und klassischen Top-Down Hierarchien bis hin zu nicht wertschätzendem Vorgesetztenverhalten ist alles dabei – noch immer. Den entsprechenden Unternehmen geht es allem Anschein nach zu gut – der „War for talents“ ist noch nicht bei ihnen angekommen. Dabei wird allzu häufig vergessen, dass er zwangsläufig einsetzen wird. Und auch der Finanzsektor ist hier nicht auszunehmen – ganz im Gegenteil. Wie bereits geschildert, werden sich die digitale Disruption und der damit verbundene Wegfall von Intermediären in einem sehr frühen Stadium auch auf die Finanzwelt auswirken. Dabei gibt es bereits genügend Unternehmen, die mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, wie Mitarbeiterbindung in der heutigen Zeit funktioniert.

Flexibilität, Vertrauen und eine gute Feedback-Kultur stehen dabei ganz oben auf der Liste an Leistungen, die Arbeitnehmer überzeugen sollen. Amazon oder Google haben die 4-Tage-Woche eingeführt, andere Unternehmen lassen Ihre Mitarbeiter nur bis zur Mittagspause arbeiten, bezahlen sie dennoch für 8 Stunden. Nicht nur große Konzerne, sondern auch KMU geben ihren Mitarbeitern genügend Freiraum, um sich mit ihrer Weiterentwicklung beschäftigen zu können. Denn, die Work-Life-Balance muss stimmen, Arbeitnehmer sollen sich entfalten können, Kompetenzen ausbauen – und dies intrinsisch motiviert. Agiles Mindset ist der Begriff der Stunde: Bei der Mitarbeiter“führung“ sollen nicht mehr Kontrolle und Druck die gewünschte Leistung erzwingen, vielmehr sollen Freude, Motivation, Freiheit sowie Anerkennung, Wertschätzung und Begegnung auf Augenhöhe den Mitarbeiter zur Bestleistung bewegen. Unzählige Studien beweisen, dass sich dieses Vertrauen am Ende mehr als auszahlt. Agilität ist damit nicht nur förderlich, wenn es darum geht, die PS in Form von Produkten und Dienstleistungen schnell auf die Straße zu bringen, die Grundprinzipien sind besonders für die dringend benötigten High-Performer, die Digital Natives der Generation Y, sehr attraktiv und sind mehr als gewünscht. Diesen Bedürfnissen muss dringend entgegen gekommen werden, um geeignetes Personal zu gewinnen und zu halten.

Agile HR – neue Herausforderungen und Aufgaben

Um nicht den Anschluss zu verlieren und um die einst schwer erkämpften Marktanteile zu verteidigen, müssen die Weichen so früh wie möglich neu gestellt werden. Die Instrumentalisierung agiler Mindsets ist hierbei ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dies darf jedoch nicht innerhalb der Grenzen der HR-Abteilung bleiben – vielmehr bedarf es einer organisatorischen Neustrukturierung der Gesamtunternehmung. Denn letztendlich hängt alles zusammen, Abteilungen bedingen sich und Handlungsschnelligkeiten müssen aufeinander abgestimmt werden. Die HR-Abteilung sollte einen Beitrag dazu leisten, dass neue iterative Prozesse nicht ins Stocken geraten und damit neue Impediments, also Barrieren entstehen. Denn bei der organisatorischen Umstrukturierung muss bedacht werden, dass ohne Manpower die effizienteste Struktur nicht hilft. Desaströs wäre es, wenn das Unternehmen zwar prozessual in der Lage wäre, Neuerungen mit hoher Geschwindigkeit auf den Markt zu bringen, aber die entsprechenden Fachleute nicht schnell genug greifbar sind – ein Teufelskreis.

Um diesen gar nicht erst entstehen zu lassen, sollte vor allem die Personalabteilung Agilität großschreiben, um die Personaldecke optimal an die Anforderungen und Bedürfnisse des Unternehmens anpassen zu können. Doch hier hört die Verantwortung der Personalabteilung noch lange nicht auf. In agilen Organisationen ändert sich das Rollenverständnis von Führungskräften. Sind sie in traditionellen Organisationen dafür verantwortlich, Ziele aus der Chefetage zu realisieren, werden sie nun in den Dienst des Teams gestellt. Führungskräfte von heute entwickeln das Team, damit es noch mehr Verantwortung übernehmen und noch besser auf Kundenbedürfnisse eingehen kann. Und genau hier setzt die HR-Abteilung an – auch sie ist für die Übertragung von Verantwortlichkeiten in agilen Organisationen zuständig und muss so Mitarbeiter und das Team in HR-Prozesse einbeziehen. Auch die oben bereits erwähnte wichtige Feedback-Kultur setzt an dieser Stelle an und wird von der HR-Abteilung mit verantwortet. Die Personalabteilung arbeitet also nicht mehr hinter verschlossenen Türen mit eigenen Prozessen, sondern vielmehr cross-funktional und kooperativ mit den unterschiedlichsten Teams. Auch Personalabteilungen im Fondsbereich befinden sich momentan in einer Umbruchsituation. Hierbei geht es jedoch nicht nur darum, bisherige Prozesse zu digitalisieren, vielmehr geht es um einen Paradigmenwechsel, um neue Methoden, neue Strukturen und neue Prozesse. Agilität sollte dabei jedoch nicht nur reine Methode bleiben, sondern zur neuen Kultur der Unternehmung werden.

16. Dezember 2016

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Autor

Jens Kröger

Jens Kröger (Dipl. Betriebswirt FH) ist Senior Consultant bei Cassini Consulting. Der zertifizierte ScrumMaster und Product Owner berät vorwiegend zu den Schwerpunkten Agilität und Digitale Transformation. Unter anderem setzt er als Agile Coach seine Kenntnisse und Fähigkeiten für Unternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen ein. Jens Kröger beschäftigt sich vor allem mit skalierbarer Agilität in Bereichen außerhalb der Software-Entwicklung, nachdem er lange Jahre u.a. als geschäftsführender Gesellschafter im Agenturumfeld tätig war.

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